Kapitel 24

1.4K 78 7
                                    

Mittlerweile lag der Stark Tower völlig still da und alle Lichter waren erloschen. Vor etwa zwei Stunden waren alle Gäste endlich wieder gegangen und die Avengers hatten sich daran gemacht schon mal die gröbsten Sachen wegzuräumen. Dann hatten sie sich aber auch langsam in Richtung ihrer Betten begeben.

So auch Bucky, doch wirklich lange hatte er nicht schlafen können. Lediglich für ein paar Minuten hatte es gereicht. Zu sehr waren seine Gedanken auf Natasha fokussiert gewesen. Deshalb erhob er sich wieder aus dem Bett, als die Stille um ihn herum zu bedrückend wurde. Schwungvoll setzte er sich auf und fuhr sich mit einer Hand durch das längere Haar. Es dauerte einige Sekunden, doch dann gewöhnten sich seine Augen an die Dunkelheit und er drückte sich von der Matratze hoch.

Seine Füße trugen ihn wie von selbst zur Tür, die er öffnete, ohne nur eine Sekunde darüber nachzudenken. Da er sich sowieso vorgenommen hatte, nach einigen Stunden nochmal nach Natasha zu schauen. Irgendwie wollte er einfach nur sicher gehen, dass es ihr immer noch gut ging, nachdem er sie alleine gelassen hatte. So unwahrscheinlich war es schließlich gar nicht, dass sie gerade kotzend über der Kloschüssel hing und es bereits bereute so viel getrunken zu haben. Allerdings hoffte der Mann auf das Gegenteil.

Er tigerte auf leisen Sohlen durch das weitläufige Appartement. Vor ihrer Zimmertür blieb er stehen und horchte einen Moment. Von hier war nichts zu hören, was seine Sorgen eigentlich befriedigen sollte. Allerdings legte er trotzdem eine Hand an die Türklinke und drückte sie langsam herunter.

Mit einem leisen Knarren öffnete er die Tür langsam und streckte den Kopf ein Stück in den Raum hinein. Auch hier war das Licht ausgeschaltet. Dank seiner guten Augen konnte er jedoch das Bett in der Mitte des Raumes entdecken und bemerkte eine Gestalt, die darin lag. Nun setzte er auch einen Fuß in den Raum und machte die Tür noch ein Stück weiter auf. Dadurch konnte er die Person zweifellos als Natasha identifizieren.

Er machte einige Schritte in den Raum hinein, sodass er erkennen konnte, dass sie auf dem Rücken lag und entspannt zu schlafen schien. Seit er sie verlassen hatte, schien sie sich kaum geregt zu haben. Ein kleines, zufriedenes Lächeln erschien auf seinen Lippen. Wenn sie schlief, sah sie so friedlich und unschuldig aus, als wäre sie einfach nur völlig normal. Kein Avenger, der beinahe jeden Tag gegen Feinde kämpfte und dabei so einiges einsteckte. Und nicht die Black Widow, durch die sie erst, wie Steve ihm gesagt hatte, ihre Fähigkeiten erlangte.

Gerade wollte er, völlig beruhigt von ihrem Zustand, wieder den Raum verlassen, da brachte ihn ihre, plötzlich erklingende, Stimme zum Erstarren: "Nein, das könnt ihr nicht machen." Einen Moment lang stand er einfach nur regungslos da, bevor er über die Schulter zu ihr herüberschaute. Plötzlich hatte Natasha sich in den Laken zu bewegen begonnen und murmelte etwas, was nur schwer zu verstehen war. Als er genauer hinhörte, erkannte er, dass die Worte auf keinen Fall englisch waren. Sie klangen aber merkwürdig vertraut, doch verstehen konnte er trotzdem nichts. Sein Herz machte einen leichten Satz.

Schwer schluckte er, unschlüssig, was er tun sollte. Dann fasste er jedoch den Entschluss, dass er jetzt nicht einfach wieder gehen und sie so alleine lassen konnte. Also ging er zurück zum Bett und kniete sich daneben auf den hölzernen Boden. Was sie dann sagte, ließ ihn aber ein weiteres Mal erschaudern: "James, bleib bei mir. Nein, ihr könnt ihn mir nicht nehmen. Bitte!"

Der Klang seines Namens ließ ihn erschaudern und es dauerte einige Sekunden, bis er realisierte, dass sie gerade möglicherweise von ihm sprach. Denn obwohl kaum jemand seinen echten Namen nutzte, war ihm schon früher aufgefallen, dass sie ihn hin und wieder James nannte. Doch warum bat sie ihn bei ihr zu bleiben? Schließlich war sie am Schlafen und wusste unmöglich, dass er gerade bei ihr war. Und mit wem sprach sie in ihrem Traum überhaupt?

„Hey, Nat", sagte er mit beruhigender Stimme und strich ihr sanft durch das Haar, in der Hoffnung so irgendwie dafür sorgen zu können, dass sie sich wieder entspannte. Tatsächlich bemerkte er, wie sich ihre Atmung wieder merklich normalisierte. Allerdings schien sie immer noch nicht von ihrem Albtraum befreit zu sein.

„James, ich brauche dich", murmelte sie dieses Mal leiser und auch nicht mehr so panisch wie zuvor. Viel eher war ihre Stimme von einem Schmerz begleitet, er sein Herz schwer werden ließ und auch in ihm plötzlich ein Gefühl des Schmerzes hervorrief.

Dieses Mal sagte sie nichts mehr, weshalb er sich auf die Knie sinken ließ und durchzuatmen versuchte. Ihre letzten Worte wiederholten sich immer wieder in seinem Kopf. Und dann war da erneut ein Bild von ihnen, das sich in seine Gedanken drängte.

Sie befanden sich in einem dunklen, kahlen Raum und er war von einigen Menschen umringt, die ihn an einer Masche festbanden. Dann hörte er sie erneut, genau die Worte, die sie zuvor gerufen hatte und Bucky hob den Kopf. Dadurch eröffnete sich ihm der Blick auf Natasha. Erneut wirkte sie jünger. Vielleicht gerade zwanzig. Zwei muskulöse Männer hatten sie an den Armen gepackt und versuchten sie von Bucky fernzuhalten. Doch sie wehrte sich mit Händen und Füßen so gut es ging gegen die, die ihn gefangen hielten. Unter Aufwendung all ihrer Kraft versuchte sie zu Bucky zu gelangen: "Nein, ihr könnt ihn mir nicht nehmen. Bitte, ich brauche ihn!" Dann breitete sich allerdings plötzlich ein höllischer Schmerz in seinem ganzen Körper aus, der ihn glauben ließ, dass es ihn jeden Moment zerreißen würde. Er rann durch seine Adern und lähmte seine Gelenke.

Urplötzlich brach die Erinnerung ab und Bucky war zurück im hier und jetzt. Ohne es richtig gemerkt zu haben, war er auf den Boden gesunken. Ihre Hand hielt er dabei weiterhin fest umklammert in seiner. Sein Atem ging schwer, während er sich mit aller Kraft wieder zu beruhigen versuchte. Doch das Bild bekam er nicht mehr aus dem Kopf.

Nach wenigen Minuten, in denen er einfach nur da gesessen und ihre Hand gehalten hatte, erhob er sich langsam und ließ ihre Hand nach einigen Sekunden los. Sie schien sich glücklicherweise wieder beruhigt zu haben und schlief erneut genauso friedlich wie zuvor.

Bucky strich sich durch das Haar und bewegte sich langsam auf die Tür zu. Nun musste er es wissen. Was für eine Erinnerung war das gewesen? Und da Natasha gerade wieder so friedlich am Schlafen war, gab es nur einen anderen Weg, auf dem er mehr erfahren konnte. Hinter sich schloss er die Tür so leise wie möglich wieder. Dann setzte er sich mit klopfendem Herzen erneut in Bewegung.

Remember me || WinterWidow ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt