Kapitel 15

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Im Schneidersitz saß Natasha vor dem Glastisch im Wohnzimmer und durchforstete eine der Akten von ihrer letzten Mission. Fury hatte sie aus irgendeinem Grund für jegliche Missionen gesperrt, weshalb sie sich langsam doch zu langweilen begann.

Als das Geräusch einer Tür, die sich öffnete, an ihre Ohren drang, reagierte sie darauf erst gar nicht. Stattdessen überflog sie die Wörter weiterhin nur noch halbherzig und stützte den Kopf in die Hände.

„Hey", erklang plötzlich jedoch Buckys Stimme. Dieses eine Wort reichte aus, um sie dazu zu bringen ruckartig den Kopf zu heben. Vor dem Tisch, nur wenige Meter vor ihr entfernt, stand der Man mit dem Metallarm und schaute interessiert zu ihr herunter.

„Hey", erwiderte sie und ließ den Blick dabei über ihn wandern, in der Hoffnung dadurch irgendwie herausfinden zu können, was er wollte. Doch Bucky war noch nie leicht zu lesen gewesen und so konnte sie auch in diesem Moment nicht herausfinden, warum er zu ihr gekommen war.

Allerdings war da auch ein Gedanke, von den sie bisher nicht hatte, loswerden konnte. Der Abend, den sie gestern mit Bucky verbracht hatte, war zugegebenermaßen gar nicht so schlecht gewesen. Ganz im Gegenteil. Tatsächlich hatte sie sich nach einiger Zeit in seiner Gegenwart doch wohlgefühlt. Fast könnte man sagen, dass es sich sogar so angefühlt hatte, wie damals, als er mit ihr im Red Room war und alles daran gesetzt hatte sich zu beschützen.

Seine Arme erneut um ihren Körper geschlungen zu spüren, hatten sie für einige Momente in diese Zeit zurückversetzt und sie daran erinnert, wie sie es geschafft hatten, einander davon abzuhalten zu den Monstern zu werden, zu denen man sie zu machen versucht hatte.

„Was machst du da?", seine Worte holten sie augenblicklich zurück in die Realität und brachten sie dazu den Gedanken erst mal wieder aus seinem Kopf zu verbannen. „Ich tue so, als würde ich arbeiten", gab sie ehrlich zu und schloss die Akte ernüchtert seufzend.

„Ich durchforste alte Akten", sie lehnte sich gegen das Sofa in ihrem Rücken und wendete sich nun ganz Bucky zu. „Warum? Neue wären doch sicher interessanter", entgegnete er mit schief gelegtem Kopf. Natasha legte den Kopf leicht schief: "Ja, da bin ich mir sicher. Fury lässt mich aber aus irgendeinem Grund nicht mehr."

„Hättest du nicht vielleicht Lust etwas Interessantes zu machen?", diese Worte zogen sofort ihre Aufmerksamkeit auf sich. Ehrlich gesagt war eine Abwechslung wirklich etwas, was sie gebrauchen könnte. Den Tower konnte sie langsam nämlich echt nicht mehr sehen.

„Vielleicht", sie klang interessiert, wollte aber doch erst wissen, was genau er vorhatte. Er ließ den Blick über sie wandern: "Na du musst mir schon ein bisschen vertrauen." Sie stöhnte ernüchtert auf: "Ach komm schon, sag mir, was du vorhast." „Da spricht wohl die Spionin aus dir, hm?", fragte er leicht lächelnd. Die Rothaarige biss sich auf die Unterlippe. Wie konnte er sie so leicht durchschauen?

„Ach komm schon, Natasha. Ich brauche dafür deine Hilfe und ich versichere dir, dass das besser sein wird als in alten Akten zu lesen", er war um den Tisch herum auf sie zugegangen und streckte ihr nun eine Hand entgegen. Einen Moment lang zögerte sie weiter, entschied sich dann aber sich zu überwinden. Wie schlimm konnte ein Nachmittag mit dem Mann schon werden?

„In Ordnung", sie ergriff seine Hand untypisch zögerlich, sodass er sie langsam vom Boden auf die Füße ziehen konnte. Er lächelte fröhlich: "Danke, du wirst es nicht bereuen." Dabei hielt er ihre Hand merklich länger in seiner, als es nötig war.

Dann zog er sie zielstrebig mit sich in Richtung Aufzug. Natasha konnte ihre aufgekommene Neugierde allerdings nicht verbergen: "Wohin gehen genau gehen wir denn jetzt?" Er seufzte, schaute aber zu ihr herüber und entschied sich zu ihrer Überraschung tatsächlich ihr zu antworten: "Ich habe mir vorgenommen nach Brooklyn zu gehen." „Brooklyn? Warum genau dorthin?", hakte sie nach.

Bei der Erwähnung des Stadtteils klingelte zwar etwas, doch sie konnte nicht genau sagen, was es war. Doch sie war sich sicher, dass er diesen Worten nicht einfach zufällig gewählt hatte. Etwas musste dahinter stecken.

„Steve kommt ursprünglich aus Brooklyn", ihr fiel auf, dass er bei diesen Worten den Kopf leicht von ihr wegdrehte, als wollte er ihrem Blick ausweichen. Das reichte jedoch, damit sie die Puzzleteile in ihrem Kopf zusammenfügen konnte. „Du auch, oder?", verwundert schaute sie ihm zu herüber.

Steve hatte ihr irgendwann mal erzählt, dass beide Männer seit ihrer Kindheit Freunde waren und vor dem Krieg in Brooklyn gelebt hatten. Der Krieg hatte sie jedoch gewaltsam getrennt und Bucky war, nachdem Steve ihn tot geglaubt hatte, zu HYDRA gekommen und war ihr Ausbilder im Red Room geworden, während Steve nach dem Krieg unzählige Jahre eingefroren im Ozean gelegen hatte ohne, dass jemand wusste, dass er noch lebte.

Überraschend still nickte er und drückte den Aufzugknopf, doch ihr brannte immer noch eine Frage auf der Seele: "Gibt es einen bestimmten Grund für diesen Ausflug?" „Na ja", Bucky nickte und schaute nun doch wieder zu ihr: "Bisher war es immer so, dass ein paar Erinnerungen zurückgekommen sind, wenn ich Zeit mit Menschen verbracht habe, die ich aus meiner Vergangenheit kenne. Also habe ich überlegt, dass das mit Orten ja vielleicht auch funktionieren könnte."

Tatsächlich war ihr dieser Gedanke bisher noch gar nicht gekommen, doch ehrlich gesagt klang das nach gar nicht so einer schlechten Idee. Eigentlich gab es nämlich keinen Grund, warum Orte nicht den gleichen Effekt haben sollten.

„Und warum hast du mich gefragt, ob ich mitkomme und nicht Steve?", die Aufzugtüren glitten mit einem ‚Ping' auf und die beiden Attentäter traten hinein. „Sag Steve, dass besser nicht", begann er leicht grinsend zu erklären: "Aber bei dir klappt das mit dem Erinnern irgendwie besser."

Verwundert starrte sie ihn an, während er sich gegen die Wände der Kabine lehnte. „Ernsthaft?", bat sie ihn um eine Wiederholung seiner Worte, woraufhin er aber nur zustimmend nickte: "Ich habe keine Ahnung warum, aber so ist es eben. Außerdem möchte ich dir zeigen, woher ich komme. Steve kennt das alles schon."„Wer sagt denn, dass ich noch nie in Brooklyn war?", antwortete sie, begann allerdings ebenfalls zu grinsen. Merkwürdigerweise fühlte sie sich in seiner Gegenwart plötzlich wohler als zuvor. „Steve meinte, dass er noch nie mit dir dort war und selbst wenn, kann ich dir immer noch meine Orte zeigen", meinte er zwinkernd.

Remember me || WinterWidow ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt