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Matteo POV

Seufzend mache ich mich auf den Weg zu meinem Berater. Schon wieder wurde ich gefeuert! Nur, weil ich ein paar Mal zu spät gekommen bin... Na gut, ich bin ziemlich oft zu spät gekommen. Langsam kann ich mir die Miete meiner Wohnung nicht mehr leisten. Pablo, mein Berater, ist ein guter Freund und hilft mir immer bei der Jobsuche. Ich hoffe, dass er heute ein gutes Angebot für mich hat, sonst lande ich wo möglich bald auf der Straße.

Meine Freunde bieten zwar immer wieder ihre Hilfe an, ich will sie aber nicht annehmen. Sie haben mir schon so oft geholfen und ich kann es ihnen nie zurück geben. Perfekt wäre natürlich, wenn im Roller eine Stelle frei wäre und ich dort arbeiten könnt, ich bin eh den ganzen Tag dort. Leider hat Tamara genug Angestellte: die Jungs von der Rollerband, Nico, Pedro und Simón. 

Ich klopfe an Pablos Bürotür. "Herein!", ertönt seine tiefe Stimme. "Matteo!" Wir umarmen uns kurz. "Setz' dich!" Pablo lächelt mich an. "Du wurdest also wirklich schon wieder gefeuert?", fragt er. "Ehm... ja.", antworte ich. "Matteo, Matteo, Matteo..." Pablo verschränkt die Arme vor der Brust. "Was mache ich nur mit dir?" Pablo mustert mich. "Na gut, lass uns mal gucken, was ich dir für einen neuen Job besorgen kann." Er kramt eine Mappe heraus und geht ein Papier nach dem anderen durch. "Hier." Pablo reicht mir ein Papier. "Pfleger für blinde Tochter gesucht...", lese ich laut vor.

Unsere Tochter Luna Valente hat bei einem Unfall ihr Augenlicht verloren und benötigt nun einen zuverlässigen Pfleger, da wir viel arbeiten und nicht genug Zeit dafür haben, sie rund um die Uhr zu betreuen. Dieser Pfleger würde zu uns ins Haus ziehen und sein eigenes Zimmer bekommen, damit unsere Tochter rund um die Uhr betreut werden kann. Sie ist 18 Jahre alt. Die Bezahlung werden wir vor Ort besprechen.

Luna Valente... Es ist doch nicht die Luna Valente... "Und, was hältst du davon?", fragt Pablo. "Klingt soweit ganz gut. Ich könnte mir die Miete für meine Wohnung sparen. Aber dieser Name... Luna Valente... Ich glaube, es ist das Mädchen von damals..." "Du meinst die vom Wettbewerb?" Ich nicke. " Bist du dir sicher?" "Ich glaube nicht, dass es den Namen so oft gibt. Außerdem würde es passen, ihre Eltern haben schon immer viel gearbeitet und sie müsste jetzt auch 18 Jahre alt sein..." "Dann ist sie es wahrscheinlich. Mach es aber nicht davon abhängig, ob du den Job nimmst oder nicht." Ich überlege kurz. "Also, soll ich dir die Kontaktdaten geben?" Ich nicke. Pablo reicht mir einen kleinen Zettel mit einer Telefonnummer. "Soll ich gleich anrufen?" Pablo nickt. Ich gebe die Nummer in meinem Handy ein. Nach kurzer Zeit geht bereits jemand ran. "Hallo, Miguel Valente hier, was kann ich für sie tun?", meldet sich der Vater von Luna am anderen Ende der Leitung zu Wort. "Ehm... Ja, hallo, Matteo Balsano hier. Ich rufe wegen der Stelle für den Pfleger Ihrer Tochter an.", sage ich. "Ah, sehr gut! Meine Frau und ich würden uns gerne noch persönlich ein Bild von Ihnen machen. Wann hätten Sie Zeit für ein Gespräch?" Ich überlege kurz. "Heute noch?" "Monica, passt es heute noch?", ruft Señor Valente. Wahrscheinlich ist Monica dann seine Frau und Lunas Mutter. "Ja, heute passt es. Sie könnten zu uns nach Hause kommen und wir bereden alles." "In Ordnung. Wann soll ich kommen?" "Monica, wann soll der junge Herr kommen?", ruft er wieder zu seiner Frau. "So in einer Stunde.", sagt er dann und nennt mir noch die Adresse. "Gut, ich werde da sein. Bis später!" "Bis später, Señor Balsano." 

"Ich treffe mich in einer Stunde mit den Valentes bei ihnen zuhause.", verkünde ich dann Pablo. "Sehr gut!" Er lächelt mich an. "Du musst aber sehr zuverlässig rüberkommen. Sollten sie nach deinen früheren Jobs fragen, lüge einfach ein bisschen. Und wenn sie mit einem deiner früheren Arbeitgeber sprechen wollen, gib ihnen meine Nummer, ich werde dann ein gutes Wort für dich einlegen!" "Danke, Pablo, echt. Du lässt mich nie im Stich." Wir umarmen uns kurz. "Und selbst wenn sie es ist, verhalte dich professionell und denke nicht an früher. Du brauchst den Job, Matteo. Jetzt solltest du aber nach Hause und dich umziehen, oder willst du so dort auftreten?" Ich blicke an mit herab. Ja, ich sollte wirklich nicht in meiner Jogginghose und einem verwaschenen T-Shirt zu den Valentes gehen. Ich verabschiede mich von Pablo und begebe mich dann schnell nach Hause.

"Habe ich mich echt so auf die Straße getraut?", frage ich mich, als ich mich zuhause umziehe. "Mal gucken, was ich an ordentlicher Kleidung noch so um Schrank habe...", murmele ich. Wahrscheinlich wird es jetzt wieder Zeit für den alten Matteo, der in Hemden und ordentlichen Hosen herumgelaufen ist. In der hintersten Ecke meines Schrankes sind meine alten Klamotten vergraben. Ich suche mir ein halbwegs nicht zerknittertes Hemd heraus und ziehe mir eine Jeans an. Sofort kommen die alten Erinnerungen wieder hoch, an das Blake, an meine Familie, an mein früheres Ich. Schnell verdränge ich diese Gedanken aber wieder. Da fällt mir ein, dass ich heute noch das Training im Roller absagen muss. Ich schreibe Tamara schnell eine Nachricht, dass ich heute nicht kommen kann und mache mich dann auf den Weg.

Das Haus der Valentes ist riesig, es ist schon gar kein Haus mehr, eher eine Villa. Ich atme kurz tief durch und klingele dann an der Tür. Eine junge Frau öffnet mir die Tür. Sie trägt eine Uniform, wie ein Hausmädchen sie trägt, also wird sie wohl das Hausmädchen der Valentes ein. "Sie müssen der erwartete Besuch sein. Bitte, kommen Sie rein." Ich nicke und betrete dann das Haus. "Monica und Miguel erwarten Sie im Wohnzimmer." "Danke.", sage ich knapp. Das Hausmädchen verschwindet wieder und ich schaue mich kurz um. Wow, die müssen echt reich sein. "Sie müssen Señor Balsano sein!" Ein Mann mit schwarzen Haaren, vermutlich Miguel Valente, kommt auf mich zu und schüttelt mir die Hand. "Ich bin Miguel Valente. Kommen Sie, meine Frau Monica wartet im Wohnzimmer." Ich laufe hinter ihm her. Im Wohnzimmer sitzt eine Frau mit braunen Haaren auf einer Couch. "Monica Valente, sehr erfreut.", sagt sie und schüttelt mir ebenfalls die Hand. "Bitte, setzen Sie sich." Ich nicke dankend und nehme auf einem Sessel Platz. "Ich hätte nicht gedacht, dass Sie so jung sind, Señor Balsano. Wie alt sind Sie, wenn ich fragen darf?" "19.", antworte ich. Miguel sieht mich erstaunt an. "So, nun gut, erzählen Sie mal kurz etwas über sich.", bittet mich Monica Valente. Ich nicke. "Also, ehm... Ich heiße Matteo Balsano und bin, wie Sie ja bereits wissen, 19 Jahre alt. Ich komme aus Italien, wohne aber schon lange hier. Ich habe letztes Jahr meinen Schulabschluss hier auf dem Blake South College gemacht.", sagt Miguel. "Und haben Sie denn schon einmal gearbeitet?", fragt er. Okay Matteo, überlege dir etwas Glaubhaftes... "Ja, das habe ich. Ich war... ehm... Ich war bei einem Freund der Familie in seiner Firma eingestellt, jedoch war hatte ich keine großen Aufgaben, ich habe lediglich Anrufe und Aufträge entgegen genommen und weiter geleitet." Bingo, sie scheinen es zu glauben! 

Wir reden noch etwas weiter und die Valentes erzählen mir etwas von ihrer Tochter Luna. Ohne Zweifel weiß ich jetzt, dass nur sie es sein kann. Aber anscheinend wissen ihre Eltern nicht, dass ich Luna schon kenne. "Der Unfall und der Verlust ihres Augenlichtes nimmt sie sehr mit. Dazu hat sie auch noch ihr Gedächtnis verloren, was wir ihr aber vorerst nicht erzählt haben. Es kommt so viel auf einmal.", erklärt Monica. "Daher ist es eigentlich ganz gut, wenn Luna einen Pfleger in ihrem Alter bekommt, der sie vielleicht etwas ablenken kann." Arme Luna... Das Augenlicht zu verlieren muss echt hart sein. Ich kann mir gar nicht vorstellen, wie es wäre, blind zu sein! Dazu sind ihre Erinnerungen noch weg... Heißt das, dass sie sich gar nicht an mich erinnern wird?

Als ich dann kurz auf Toilette war und wieder komme, scheinen die Beiden etwas zu bereden. "Also, Señor Balsano, wir haben eine Entscheidung getroffen.", sagt er. "Sie sind eingestellt!"      

(überarbeitet)


Blindes VertrauenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt