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Luna POV

Nach dem Training, was zugegebenermaßen anstrengend war, und nachdem Matteo und ich noch eine Weile geprobt hatten, sind wir zurück in die Villa. Ich habe Amanda gleich gesagt, sie solle mein Abendessen auf mein Zimmer bringen, ich habe nämlich wenig Lust, meine Eltern zu sehen... Sehen... Haha, der war gut, ich kann sie ja eh nie wieder sehen. Und außerdem scheinen sie wohl nicht gemerkt zu haben, dass Matteo und ich über Nacht weg waren, sonst hätten sie mit einer Standpauke schon im Wohnzimmer gewartet.

"Hier kommt dein Essen, Luna. Ich stelle es auf deinen Schreibtisch." "Danke, Amanda." Ich taste mich zu meinem Schreibtisch heran und setze mich auf den Stuhl. "Wenn du erlaubst." "Nein, warte Amanda, ich möchte dich etwas fragen.", halte ich sie vom Gehen ab. "Ja, was denn?" "Du arbeitest ja schon lange hier... Kannst du mir was über meine Vergangenheit erzählen? Von meinen Freunden damals?" "Natürlich. Soweit ich mich erinnere hast du früher öfter mal ein Mädchen mit nach Hause gebracht, deine beste Freundin, ich glaube, sie hieß..." Amanda scheint kurz zu überlegen. "Ah ja, Nina! Sie hatte so eine süße, rote Brille." Nina?  "Ich weiß noch, dass du damals, bevor ihr nach Mexiko gegangen seid, an einem Skatewettbewerb teilnehmen wolltest und dich deshalb mit deinen Eltern gestritten hast, weil sie es dir verbieten wollten. Ich habe dir damals via Streaming zugeschaut. Du bist fantastisch geskatet! Am Ende hat dich ein Junge geküsst, dein Schwarm. Du hast mir immer dein Herz über ihn ausgeschüttet." Skatewettbewerb? Streit? Kuss?  Nein... Ich habe doch genau von dem geträumt! Und... Das eine Mädchen im Roller heißt doch Nina! "Wie... wie hieß mein Schwarm?" "Da muss ich jetzt überlegen... Moment mal..." "Was, was ist?" "War das nicht Matteo?" "Matteo?!" Ich schlucke schwer. "Ja, ja, es war er... Warum ist mir das nicht früher aufgefallen?" "Matteo hat mich geküsst?! Und er war mein Schwarm?!", rufe ich überrascht. "So war es wohl...", murmelt Amanda. "Magst du noch etwas wissen?", fragt sie. "Nein, danke dir.", antworte ich. "Okay, wenn du erlaubst." "Natürlich, geh nur.", sage ich und widme mich nachdenkend meinem Abendessen.

In der Nacht liege ich hellwach in meinem Bett und denke nach. Es ist verrückt, dass ich anscheinend mal in Matteo verliebt war und, dass er mich geküsst hat. Ich weiß jetzt zwar mehr über meine Vergangenheit im Roller und mit meinen Freunden, aber wirklich daran erinnern kann ich mich nicht, wird wohl noch etwas dauern. Wenigstens weiß ich jetzt wieder, was Sache ist. Aber ob ich den anderen erzählen werde, dass ich mich wieder erinnere, weiß ich noch nicht. Es könnte dann komisch zwischen mir und Matteo, oder zwischen mir und Nina, allgemein könnte es komisch zwischen mir und allen werden, und das will ich nicht. Ich verstehe mich (wieder) sehr gut mit ihnen und so soll das bleiben. Aber eigentlich müssten sie mich ja wieder erkannt haben, warum haben sie denn dann nichts gesagt? Vielleicht aus dem gleichen Grund wie ich, weil es dann vielleicht komisch zwischen uns werden könnte? Hm, wie dem auch sei. 

Weder Mamá noch Papá sind nochmal zu mir gekommen. Gut so, sie haben wohl kapiert, dass sie mich erstmal in Ruhe lassen sollen. Am liebsten würde ich aus der Villa ausziehen und mein eigenes Leben anfangen, dass würden meine Eltern aber nicht zulassen, wahrscheinlich würden sie mich sogar hier einsperren. Da ich jetzt auch noch blind bin, ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie mich gehen lassen, noch 10000 Mal gesunken... Aber eigentlich bin ich ja volljährig und darf machen, was ich will! So oft habe ich das gesagt, aber bringen tut's ja nichts... Wie gesagt, alles nur des Geldes wegen. Sollte mir was passieren, müssen sie ja zahlen. Ich probiere, jetzt einzuschlafen, um genug Energie für das Training morgen zu tanken.


Das mit dem Schlafen hat nicht wirklich geklappt, immer wieder bin ich aufgewacht. Als ich gerade erst wieder eingenickt bin, weckt mich schon jemand. "Guten Morgen Luna, ich bringe dir dein Frühstück.", sagt Amanda. "Hm, was?", nuschele ich. "Ich bringe dir dein Frühstück, Müsli mit Früchten. Es steht wieder auf deinem Schreibtisch." "Ach so, ja, danke Amanda." "Gerne doch. Wenn du gestattest." Ich höre Amanda wieder gehen und richte mich auf. Erst strecke ich mich, bevor ich aus dem Bett gehe und mich zum Schreibtisch vortaste. Ich lasse mich auf den Stuhl sinken und taste nach dem Löffel, den ich dann nachdenklich zu meinem Mund führe. Empfinde ich noch etwas für Matteo? Die Frage regiert meine Gedanken. Schwierig, würde ich sagen. Aber was heißt hier schwierig? Wir haben uns über vier Jahre lang nicht gesehen, keinen Kontakt gehabt und wir tun beide so, als würden wir uns erst seit kurzem kennen. Also ein ganz klares Nein... - oder?

Nachdem ich aufgegessen habe und Amanda gerufen habe, damit sie mir ein paar Klamotten für heute heraussucht, ziehe ich mich also um und kurz darauf klopft es an meiner Tür. "Ja?" "Ich bin's, Matteo, kann ich reinkommen?" "Klar, komm rein!", antworte ich. "Na, genug geschlafen und fit fürs Training?", fragt er. "Mehr oder weniger.", antworte ich nur, Matteo geht nicht drauf ein. "Ich dachte mir, dass wir im Park für das Open üben könnten. Danach können wir ja auf die Bahn, die Schritte und Figuren für den Wettbewerb üben, bevor das Training anfängt. Was hältst du davon?" "Von mir aus machen wir das so." "Okay, wollen wir gleich los?" "Ich muss noch meine Zähne putzen und meine Haare kämen, danach können wir aber los." "Gut, dann packe ich derweil meine Gitarre ein.", meint er. Ich quittiere das mit einem Nicken.


Eine halbe Stunde später, so Matteo, machen wir uns auf den Weg in den Park. "Hier ist ein wirklich schöner Platz, schade, dass du ihn nicht sehen kannst.", meint er. "Beschreibe ihn doch mal.", fordere ich ihn auf. "Hier sind ganz viele Bäume und Blumen wachsen am Wegrand, vor allem Tulpen in den verschiedensten Farben. Etwas weiter hinten gibt es einen Pavillon, der unter riesigen Bäumen steht. Ich weiß nicht wieso, aber ich mag den Platz sehr. Er strahlt eine gewisse Ruhe aus, finde ich. Ich setze mich meistens beim Proben in den Pavillon, wollen wir da auch hin?" Ich nicke nur. Bunte Blumen... Das letzte, was ich gesehen habe. Bin ich vielleicht sogar hier entlang geskatet? Gut möglich. Matteo zieht mich an der Hand mit. "Wir sind da, vor dir ist eine Bank.", sagt er. Ich setze mich hin und warte darauf, dass wir mit dem Proben beginnen. "So, wir können loslegen. Fangen wir mit dem Refrain an?" Ich nicke wieder nur, Matteo zählt ein und der Klang seiner Gitarre ertönt. 

Ich weiß nicht, wie lange wir geprobt haben, es war bestimmt eine Ewigkeit, die mir aber nur wie wenige Sekunden vorkam. Mit Matteo zu singen macht wirklich Spaß, mittlerweile sind wir schon den ganzen Song durchgegangen und es klappt von Mal zu Mal besser. Bis zum Open Music sind es noch ein paar Tage, aber bis dahin sitzt bestimmt der Song perfekt. "Wow, wir haben über zwei Stunden geprobt. Wenn wir vor dem Training nochmal etwas für uns üben wollen, müssen wir jetzt los, denn das Training beginnt in einer knappen Stunde schon.", sagt Matteo. Zwei Stunden waren es also... "Okay, dann lass uns gehen." "Warte, ich habe eine Idee, wie wir schneller zum Roller kommen." "Wie denn?", frage ich. "Setz meine Gitarre auf und stell dich auf die Bank." Ziemlich irritiert mache ich das. "Und jetzt?" Ich spüre Matteos Hände an meinen Hüften und ahne Böses. "Oh nein, Matteo, du nimmst mich auf keinen Fall Huckepack, dazu noch mit der Gitarre!", protestiere ich. "Hab dich nicht so!", ruft er und schon sitze ich auf seinem Rücken. "Matteo, lass mich runter!" "Nein, und jetzt halt dich gut fest, Lieferfee, es geht los!" Lieferfee... Er hat mich wieder Lieferfee genannt. Kaum habe ich daran gedacht, ist der Gedanke auch schon verflogen, da Matteo losrennt und ich mich festhalten muss, damit ich nicht herunterfalle. "Matteo, ein letztes Mal, lass mich herunter!", rufe ich. "Nö!", ruft er lachend und rennt weiter.


Eigentlich wollte ich das Chap schon gestern fertig schreiben und posten, aber durch die Schule bleibt kaum Zeit für Wattpad :/ Jetzt ist es aber online! Ich probiere, die Woche noch ein weiteres Chap hochzuladen, mal gucken, ob ich das hinkriege. 

Blindes VertrauenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt