Luna POV
Während ich der Musik, die mein Handy abspielt, zuhöre, denke ich nach. Habe ich wirklich ein Teil meines Gedächtnisses verloren? Ich kann doch nicht einfach vergessen, was in der Vergangenheit geschah! Es war die schönste Zeit meines Lebens und ich habe sie vergessen. Selbst wenn ich mein Gedächtnis verloren habe, was mir von Minute zu Minute wahrscheinlicher wird, warum hat man mir nicht davon erzählt? Ich muss später unbedingt meine Eltern fragen.
"Danke, Amanda.", sage ich, als sie mir meinen Shake bringt. "Immer gerne, Luna. Ruf mich, wenn du etwas brauchst." Ich höre sie wieder aus meinem Zimmer hinaus gehen. Ich nippe an meinem Shake und lausche weiter der Musik, während ich probiere, mich an etwas von früher zu erinnern. Da beginnt ein Song.
Estoy cerca de alcanzar mi cielo
Desafiando la gravedad
Nada puede detener este sueño
Que es tan real
Ich habe die ersten Zeilen gehört und weißt jetzt schon, dass dieser Song etwas Magisches hat, er hat etwas, was mich an früher erinnert. Ich habe ihn schon lange nicht mehr gehört. Plötzlich fallen mir einige Schritte zu dem Song ein! Ich taste nach meinem Nachttisch, stelle den Shake drauf und tanze dann die Schritte. Als der Song vorbei ist, nehme ich ein Klopfen war. "Hallo, Spätzchen." "Mamá! Musst du nicht arbeiten?" Ich spüre, wie sie mir näher kommt, mich umarmt und mir einen Kuss auf die Wange gibt. "Dein Papá erledigt den Rest, also konnte ich gehen. Und du bist hier wohl am Tanzen?" Ich nicke. "Du sollst dich doch noch etwas schonen, Luna!" Da ist wieder dieser mahnende und fürsorgliche Ton, den ich so liebe! Ich verdrehe die Augen. "Mir geht es gut, ich brauche mich nicht zu schonen!" "Physisch geht es dir vielleicht gut, aber psychisch nicht." Vorsichtig zieht sie mich auf mein Bett. "Natürlich geht es mir psychisch nicht gut! Ich bin blind, Mamá! Aber wenn ich auf andere Gedanken komme, zum Beispiel beim Tanzen, geht es mir besser! Wenn du mich dann aber immer wieder daran erinnerst, dass ich mich schonen soll und es mir psychisch nicht gut geht, geht es mir natürlich schlechter!" Ich atme einmal tief ein und wieder aus. "Apropos erinnern... Habe ich bei dem Unfall ein Teil meines Gedächtnisses verloren?" Jetzt höre ich meine Mutter tief und aus atmen. "Ja. Anscheinend wurde ein Teil deines Gehirns so beschädigt, dass du Erinnerungen verloren hast." "Warum habt ihr mir das nicht früher erzählt?" "Wir hatten Angst vor deiner Reaktion. Wir wissen doch, wie viel dir deine Vergangenheit hier bedeutet." "Meine Reaktion wäre nicht ansatzweise so schlimm gewesen wie die, als ich erfahren habe, dass ich blind bin." Stille herrscht, ich kann meine Mutter sogar atmen hören. "Werde ich mich irgendwann wieder erinnern?", frage ich dann. "Mit der Zeit werden die Erinnerungen wiederkehren."
Auch wenn ich es geahnt habe, ist es ein schwerer Schlag für mich, dass die meisten Erinnerungen an meine Vergangenheit hier in Buenos Aires weg sind. Anfangs hielt ich es für unmöglich und dachte, es wäre Einbildung, wenn mir etwas bekannt vor kam. Kenne ich Matteo also schon von früher? Sein Name, Matteo Balsano, kam mir vom ersten Moment an bekannt vor. Nein, das ist nun wirklich unmöglich! Er hätte dann doch was gesagt, er hätte sich doch sicher an mich erinnert. Und dieser Ort, wo er immer skaten geht und Training hat... Jam&Roller heißt er. Der Name des Ortes kam mir auch bekannt vor. War ich früher mal dort? Er hat ja etwas mit Skaten zu tun... Ich weiß aber noch ganz genau, dass ich früher oft skaten war. Es war mein Leben! Aber war ich wirklich im Jam&Roller skaten? Kann meine Mutter mir nicht einfach alles erzählen, was ich vergessen habe? Ach, stimmt ja, sie haben ja schon immer so viel gearbeitet und wissen wahrscheinlich gar nichts davon! Seufzend lasse ich mich auf mein Kissen fallen. Mal gucken, wie lange es dauert, bis ich mich wieder erinnere. Vielleicht muss ich irgendwas suchen, was mich an früher erinnern könnte.
Am nächsten Morgen kommt Matteo gleich ganz früh in mein Zimmer. Meine Mutter hat mir schon vorher beim Umziehen geholfen, bevor sie dann zur Arbeit ist. "Guten Morgen.", sagt er. "Guten Morgen. Und, wie war deine erste Nacht hier?" "Ganz gut, danke.", antwortet er. "Ich wollte dich da noch was fragen." "Klar, schieß los.", sage ich. "Ich habe heute Nachmittag wieder Training im Jam&Roller, magst du vielleicht mitkommen?", fragt er. "Klar, dann sitze ich wenigstens nicht den ganzen Tag zuhause rum." Ich lächle kurz. "Super. Soll ich dich jetzt runter zum Frühstück bringen?" "Ja, bitte. Ach, und bitte sag Amanda, dass ihr vier heute wieder bei mir im Esszimmer esst." "Mach ich." "Danke."
Ich hab Amanda, Tino, Cato und auch Matteo echt gerne, habe ich das schonmal erwähnt? Zur Zeit sind sie die einzigen Personen, mit denen ich mich mal unterhalten kann. Vielleicht ändert sich das ja heute, wenn Matteo mich mit ins Roller nimmt. Aber die vier sind mir ans Herz gewachsen, Matteo ist der Freund, der mir immer gefehlt hat, in der Zeit, wo ich in Mexico war. Immer nur von Mädchen umgeben zu sein wurde mit der Zeit total nervig und auch langweilig.
"Wollen wir los?", fragt mich Matteo dann. Ich nicke. "Kannst du mir meine Handtasche reichen und das Handy dort reinlegen?" "Na klar, warte." "So, hier ist sie." Er drückt mir die Tasche in die Hand. "Danke. Gehen wir?" "Ja." Er greift nach meiner Hand und führt mich aus dem Zimmer.
Der Weg zum Roller ist nicht weit, es dauert nur so zehn Minuten, meint jedenfalls Matteo. Ich habe ihn gebeten, mir zu beschreiben, wo wir gerade sind und wie es um uns herum aussieht. Ich glaube, langsam ist er genervt. "Nerve ich dich?", frage ich ihn dann mit einem Grinsen im Gesicht. "Nein, nein, alles gut, es gehört ja zu meinem Job dazu.", antwortet er. "Gut, aber wenn es dich doch nervt, dann sag es einfach, okay?" "Okay."
"So, wir sind da.", teilt Matteo mir dann mit. "Okay, dann lass uns rein gehen." Jetzt bin ich mal gespannt, ob ich das Jam&Roller in meiner Vergangenheit mal besucht habe...
Denkt ihr, dass es lange dauern wird, bis sich Luna wieder an alles erinnern wird?
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Blindes Vertrauen
FanfictionLuna ist gerade erst mit ihren Eltern nach Buenos Aires gezogen, da passiert ein großes Unglück: Luna wird von einem Auto angefahren und verliert ihr Augenlicht. Matteo Balsano wird als ihr Pfleger eingestellt. Luna weiß jedoch nicht mehr, dass sie...