Kapitel 22

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Sie waren in einem Verhörraum und Draco hatte den alten Mann reden lassen. Darüber reden lassen, wie er seine Familie verloren hatte. Über den Krieg. Über seinen Hass. Und Draco hatte die ganze Zeit nichts gesagt, sondern nur geduldig zugehört.
„Es tut mir leid, was ihnen Wiederfahren ist.", antwortete Draco nach einiger Zeit und Smith nickte. „Es tut mir wirklich leid, was mit ihrer Familie passiert ist. Aber ich habe damit nichts zu tun."
„Ich weiß.", murmelte Smith und blickte ihn direkt an. „Und mir tut es leid, dass ihre Frau verletzt wurde. Es war nie meine Absicht, jemanden zu verletzten, der absolut gar nichts damit zu tun hat." Smith seufzte. „Ich weiß durchaus die Stellung der Greengrass im Krieg und die Ansichten ihrer Frau. Ich wollte niemals sie treffen." Das glaubte Draco ihm sogar. „Ihr geht es doch gut, hoffe ich?"
Draco nickte. „Ja. Den Umständen entsprechend. Sie hat viel Blut verloren, aber sie wird sich wieder erholen."
Das war vermutlich das wichtigste.

„Sie hat euch gerettet.", warf der Ältere ein und wirkte dabei tatsächlich verwundert.
„Sie liebt mich und ich sie."
Smith lächelte. „Wie seltsam und ich dachte, es war eine arrangierte Ehe."
„Das war es. Aber wir haben uns schon immer respektiert und als wir uns besser kennengelernt haben... wurde daraus mehr."
So viel mehr. Keiner hätte das damals gedacht. Am wenigsten Draco selbst.
„Was besser als Hass ist. Hass verdirbt den Menschen. Ich bin wohl das beste Beispiel dafür."
Draco senkte den Blick, bevor er wieder aufsah und den Mann anblickte.
„Ich bin mir sicher, dass Gericht wird milde urteilen, wenn sie eure Geschichte hören. Jeder hat dafür Verständnis."
Sogar er, obwohl er den Kerl hassen sollte. Er hatte Astoria angegriffen, sie fast umgebracht. Doch Draco fühlte nur Mitleid mit dem Mann und keinen Hass.
„Ja... vielleicht." Der Mann fuhr sich über die Stirn. „Ich habe fast jemanden Unschuldiges getötet."
Ja hatte er.... beinahe.
„Aber nur fast. Meiner Frau geht es gut. Sie ist über den Berg.", versicherte Draco erneut.

Der Mann sah ihn fast flehend an. „Sagen sie ihr bitte, dass es mir Leid tut. Dass ich sie nicht verletzten wollte."
Draco nickte. „Ich werde es ihr sagen."
Der Mann nickte stumm und als er nach einer Weile immer noch nichts sagte, atmete Draco schwer aus, stand auf und verließ den Raum. Er lehnte sich draußen auf den Flur und sein Kopf schmerzte. Er blickte auf, als Potter auf ihn zukam.
„Danke.", warf Potter schlicht ein und Draco nickte, bevor er auf die geschlossene Tür sah.
„Ich sollte ihn hassen, aber er tut mir einfach nur leid."
Potter nickte kaum sichtbar. „Ich weiß was du meinst. Mir geht es ähnlich."
Vermutlich lag es an seiner Lebensgeschichte. Draco atmete tief ein und aus. „Ich werde jetzt zurückgehen ins Hospital. Außer du benötigst noch etwas, Potter."
Potter schüttelte den Kopf. „Nein. Nein ich glaube wir haben alles. Wir werden deine Frau erst befragen, wenn es ihr besser geht."
Das war gut. Astoria sollte sich erst erholen.








Sie wusste nicht wirklich, weshalb sie aufwachte. Nur das sie sich kerzengerade aufsetzte in dem Krankenbett und damit offenbar Draco aufschreckte, der auf einem Stuhl gedöst hatte.
„Was ist los?", fragte er besorgt und war sofort neben ihr.
„Ich brauche...", fing sie an und schob ihn weg, um aufzustehen. „Ich muss..."
„Tori, du sollst noch liegen bleiben.", schimpfte er und sie stürzte ins angrenzende Bad. Nur um sich über die Toilette zu knien und sich zu erbrechen. „Astoria...", murmelte er besorgt und war sofort neben ihr.
„Nicht.", fing sie an und wollte ihn wegdrücken, als er ihre Haare nach hinten streifte. „Mir ist das unangenehm.", würgte sie schwer hervor. „Ich will nicht, dass du mich so siehst."
Er schnaubte. „Mach dich nicht lächerlich. Ich bin dein Mann."

Das war ihr egal. Sie hörte wie er offenbar etwas mit Wasser tränkte und es war ein Waschlappen, den er ihr in den Nacken legte.
„Geht es?", fragte er nach und sie schüttelte den Kopf.
„Nein. Ich glaube, wenn ich wieder aufstehe, erbreche ich mich gleich wieder."
„Die Heilerin hat etwas dagelassen, als sie zur Visite da war."
„Sie war zur Visite da?", fragte sie laut, als er wieder ins Krankenzimmer ging. Sie hatte davon überhaupt nichts mitbekommen.
„Du hast geschlafen und sie wollte dich nicht wecken.", erklärte er und kam mit einer Phiole zurück.
„Was ist das?"
„Gegen die allgemeine Übelkeit. Sie sagt, dass könnte nun öfters vorkommen."
„Öfters?", fragte sie spitz und sah dabei zu wie er die Phiole entkorkte.
„Ich denke, das ist normal bei einer Schwangerschaft."
„Wunderbar.", murmelte sie und trank die Phiole leer.
Wenn sie sich ständig so fühlen würde, dann würde sie die nächsten Monate krank zu Hause herumsitzen und nichts tun. Keine gute Option.

Als sie sicher war, dass das Mittel wirkte, putzte sie ihre Zähne und spülte ihr Gesicht.
„Komm ich helfe dir.", murmelte Draco und führte sie zurück ins Krankenzimmer. Sie setzte sich auf ihr Bett und fuhr sich an den Hals. Sie spürte die kleine Narbe noch an ihrem Nacken. Sie schmerzte ein wenig. Draco bemerkte es sofort. „Die Heiler sagen in zwei Wochen wird man sie nicht mehr sehen. Als wäre nie etwas gewesen."
Aber es war was gewesen. Man hatte sie schwer getroffen, als sie versucht hatte Draco aus dem Weg zu schubsen. Ihn zu retten vor diesem Mann.
„Joshua Smith."; murmelte sie und Dracos Augen schienen dunkler zu werden.
„Ist in Untersuchungshaft.", erwiderte er und sie sahen sich an. „Falls du das wissen wolltest. Ich habe mit ihm auch schon gesprochen."
„Du hast mit diesem Kerl gesprochen?", fragte sie halb schockiert. „Wieso?"
Er hatte versucht Draco umzubringen und dieser hatte nichts Besseres zu tun, als mit dem Mann zu reden. War Draco verrückt?

„Es tut ihm leid, dass er dich verletzt hat. Das war nie sein Ansehen gewesen."
Astoria schnaubte. „Nein. Er wollte dich töten. Macht es das besser?"
„Das habe ich nicht gesagt. Es ist nur... er ist ein verzweifelter Mann, der nichts mehr zu verlieren hat.", antwortete Draco.
„Draco, bei allen nötigem Respekt. Er wollte dich umbringen."
„Ja, ich weiß und ich habe trotzdem mit ihm Mitleid." Sie verstand es nicht. Er setzte sich neben sie. „Wenn ich mir vorstelle, dass man das meiner Familie angetan hätte. Dir etwas angetan hätte." Er legte seine Hand auf ihren Bauch. „Oder unserem Kind."
Sie atmete zitternd ein. Sie war schwanger, das wurde ihr gerade wieder bewusst. Ihre Hände zitterten, als sie diese auf seine Hand legte.

„Was wenn wir das nicht hinbekommen?", fragte sie ängstlich und sie sahen sich wieder an. „Was wenn ich das nicht hinbekomme?", hakte sie leiser nach. Sie hatte Angst. „Wenn ich versage und unser Kind genauso verkorkst wird, wie..."
Sie brach ab, als er ihr Gesicht umfasste. „Hör auf damit. Du wirst eine wunderbare Mutter werden." Wurde sie das? „Wir kriegen das mit der Ehe gut hin und wir werden das gut hinbekommen. Glaub mir."
„Woher weißt du das?", wollte sie wissen.
„Weil ich mir nie so viele Gedanken darüber mache, was passieren könnte und weil ich dich kenne und ich mich kenne und wir das hinbekommen. Glaub mir. Sicher, es wird nicht alles reibungslos ablaufen. Das hat man mit den Anfängen unserer Ehe gesehen." Sie schmunzelte. „Aber unsere Kinder werden glücklich aufwachsen."
„Unsere Kinder?", hakte sie nach.
„Wenn wir schon anfangen, dann richtig.", erwiderte er ruhig. „Du hast von ein dutzend Kinder gesprochen.", fügte er ernst hinzu und sie boxte ihn, was ihn zum Lachen brachte.
Sie schnappte überrascht nach Luft, als er sie an sich zog und innig küsste, bevor er sie aufs Bett drückte. Sie löste sich schwer von ihm.
„Wir müssen noch vorsichtig sein."
Er nickte und seine Stimme war sanft. „Ich weiß." Er küsste sie liebevoll auf den Mund. „Wir werden aufpassen."

Hass und Liebe nähren sich von LeidenschaftWo Geschichten leben. Entdecke jetzt