Eine Party mit Folgen

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Sherlock war genervt von der Party seines Klassenkameraden Mike Stamford, auf die John ihn mitgeschleppt hatte. Jetzt saß er abseits von angetrunkenen Jugendlichen, die grässliche Tanzmoves zum Besten gaben und albern lachten. Viel lieber hätte er weiter an seinem Experiment an der Zimmerpflanze seiner Mutter gearbeitet, doch der Hundeblick seines besten Freundes hatte ihn dann doch rausgebracht.
Dieser tauchte unverhofft vor seinem Stuhl auf, auf dem er den Jungen vor einigen Minuten sitzen gelassen hatte, um ihnen etwas zu trinken zu besorgen.
"Ich habe gerade Claire getroffen, sie hat uns zu Wahrheit oder Pflicht eingeladen", schlug er vor. Sherlock verzog das Gesicht, er hatte keine Lust auf dieses blöde Spiel und noch weniger auf Claire, der Jungenschwarm ihres Jahrgangs.
"Uns?", fragte er verächtlich. Es war offenkundig, dass die Abneigung nicht nur einseitig war und John seufzte. "Mich, aber du kannst auch mitspielen."
Sherlock wollte eigentlich nein sagen, doch dann entschied er sich um. Er war lieber dabei, wenn er John in die Nähe von Claire lassen sollte. Seinen John, in den er schon so lange verliebt war, es ihm aber nie gestanden hatte.
"Gut", grummelte er und stand auf. John grinste ihn erfreut an und ergriff dann seine Hand, um ihn zu dem Raum zu ziehen, ehe er sich doch noch weigern sollte. Er wusste ja nicht, wie viel die Berührung ihrer Hände in ihm auslöste. Doch er zeigte nach Außen keine Reaktion und gemeinsam betraten sie das Zimmer, in dem schon Lestrade, Hooper, Donovan, Anderson und noch einige andere, dessen Namen Sherlock nicht wusste, saßen. Und natürlich Claire, die John breit anlächelte. Den Lockenkopf beachtete sie gar nicht, was diesen nicht sonderlich störte.
Sie setzten sich und drehten eine Flasche, die auf Molly zeigte. So ging es Runde um Runde, bis sie erstmals auf Sherlock zeigte.
"Wahrheit", sagte er. Er hatte ein wenig Angst vor der Frage, doch er wollte sich nichts anmerken lassen. Er hatte Glück, dass die Frage von Greg kam, welcher zu den wenigen Leuten gehörte, die Sherlock mochten.
"Wen aus der Runde würdest du an deiner Seite haben wollen, wenn es heißt ihr zwei gegen den Rest der Welt?", fragte er.
Es war eine sehr einfache Frage und Sherlock musste nicht lange überlegen. "John."
Dieser lächelte ihn an und dem Hobbydetektiv wurde warm ums Herz.
Wenige Runden später deutete die Flasche auf John und er wählte ohne zu zögern Pflicht.
"Küsse eine Person deiner Wahl!" Anderson grinste ihn fies an und Sherlocks Herz rutschte ihm in die Hose. Er wusste, dass er nicht ihn wählen würde und er würde es nicht ertragen zu sehen, wie er jemanden küsste, der nicht er war.
John sah in die Runde und sein Blick ruhte für einen kurzen Moment auf Sherlock, dessen Herz schneller schlug. Er wünschte sich nichts sehnlicher als mit seinen Lippen die seines Freundes zu berühren, doch es würde wohl immer ein Traum bleiben. John drehte den Kopf und sah zu Claire, die zu seiner Rechten saß. Bitte nicht, flehte Sherlock und hoffte erstmals in seinem Leben auf eine höhere Kraft, die ihn vor dem Kommenden bewahren würde. Er hätte es sogar toleriert, hätte er Anderson geküsst, denn da war er sich sicher, dass keinerlei Gefühle im Spiel waren. Doch das blonde Mädchen mit dem hübschen Gesicht und den frechen Augen verdrehte jedem Jungen den Kopf und zu allem Überfluss schien sie ein Auge auf John geworfen zu haben. Dem besten und einzigen richtigen Freund von Sherlock, welcher ihn nicht an ein Mädchen verlieren wollte.
Doch als Claire ihre vollen Lippen zu einem breiten Lächeln verzog, sich vorbeugte und die Augen schloss, wusste der Junge, dass es vorbei war. John lehnte sich vor und für den Bruchteil einer Sekunde sah Sherlock, wie sie sich küssten, ehe er ruckartig aufstand und den Raum verließ.
Er wollte sich nicht länger ein Messer ins Herz stoßen lassen und es war ihm völlig egal, was die Anderen nun denken mochten, denn ihre Vermutung entsprachen größtenteils ohnehin der Wahrheit.

Fluchtartig verließ er die Party und stürmte hinaus in die kühle Nacht, die seine aufgewühlten Gedanken etwas beruhigte. Er hatte keine Ahnung, was er die nächsten Tage tun sollte. Er konnte und wollte John nicht aus dem Weg gehen, ohne dass dieser etwas vermuten würde. Sherlock konnte nicht riskieren, dass sein Freund irgendetwas von seinen Gefühlen mitbekam. Das würde ihre Freundschaft, die dem Lockenkopf einfach alles bedeutete, endgültig zerstören.
„Sherlock!“, der Ruf zerriss die Stille der Nacht und der dunkelhaarige Junge hielt kurz inne, ehe er schneller davonging. Natürlich hatte er sofort erkannt, wer ihn gerufen hatte und diese Person wollte er gerade am wenigsten sehen. Die Schritte hinter ihm wurden lauter und verrieten ihm das Näherkommen der Person.
„Sherlock, jetzt warte“, John hatte ihn eingeholt und ging gleichauf mit seinem Freund, welcher demonstrativ den Blick abwandte.
„Wieso bist du gegangen?“
„Ich hatte keine Lust mehr auf diese blöde Party“, giftete er und der unfreundliche Ton tat ihm keineswegs leid. John dagegen stutzte und schüttelte mit dem Kopf.
„Du bist nicht deswegen abgehauen, Sherlock, das habe selbst ich kapiert“, versuchte er es erneut und der Angesprochene wünschte sich, dass er einfach abhauen würde. Er wollte ihn nicht mehr sehen, nicht jetzt und am besten einfach so lange nicht, bis sein Herz geheilt und wieder so kalt geworden ist, wie es vor der Begegnung mit dem jungen Watson gewesen ist. John hatte die kalte Schale des Soziopathen aufgebrochen und ihm Gefühle eingehaucht, Gefühle, die ihm jetzt zeigten, wieso er sie verdrängt hatte. Er wollte diese Schmerzen nicht und noch weniger wollte er, dass John der Verursacher war. Tränen schossen ihm in die Augen.
„Lass mich doch einfach in Ruhe, John“, knurrte er und unterdrückte das leichte Zittern seiner Stimme. Er hatte den Blick weiterhin abgewandt und starrte woanders hin, Hauptsache nicht zu seinem Freund, welcher langsam wütend wurde.
„Sag mal was ist eigentlich dein verdammtes Problem?!“, ärgerlich blieb er stehen und Sherlock drehte sich ruckartig um. Jetzt war es ihm auch egal, es war ihm egal, dass er sein gut gehütetes Geheimnis preisgeben würde, es war ihm egal, was John davon denken mochte und es war ihm egal, ob ihre Freundschaft daran zerbrechen würde, denn sonst würde er es tun. An ihr zerbrechen.
„Wo mein Problem ist, John?“, er bemühte sich ihn nicht anzubrüllen, denn außer ihnen ging es niemanden etwas an, was hier vor sich ging. Die Tränen in seinen Augen glitzerten und John konnte sie sehen. Der Anblick war neu für ihn, doch er sagte nichts dazu. Er wollte hören, was sein Freund zu sagen hatte.
„Der Kuss ist mein Problem. Denn auch wenn es dir so vorkommen mag, ist es mir keineswegs egal, wen du küsst und in wen du dich verliebst. Nein, eigentlich ist es mir extrem wichtig. Und wieso? Weil ich mich in dich verliebt habe und es nicht aushalte mit anzusehen, wie du jemanden küsst, der nicht ich bin!“ Nun war alles raus und er senkte den Blick. Es war vorbei und er konnte damit abschließen. John sagte nichts, er starrte ihn nur stumm an und das genügte ihm als Antwort. Er nickte kurz, presste die Lippen aufeinander, um das Zittern seiner Unterlippe zu vermindern und drehte sich dann um.
Wie es schien folgte John ihm nicht, er vernahm keine Schritte und um ihn herum war es still.
„Warte“, die Stimme war ruhig und beinahe hätte er sie überhört.
Mit dem Rücken zu dem Jungen hinter ihm hielt Sherlock an und wartete. Er zuckte zusammen, als eine Hand sich leicht auf seine rechte Schulter legte und ihn herumzog, sodass er sich umdrehen musste.
„Sag es nochmal“, bat John ihm ganz leise und sah ihm fest in die Augen.
„Ich liebe dich“, hauchte der Größere und senkte den Blick. Seine Wangen waren gerötet und sein Herz schlug wieder schnell.
John verharrte einen Moment, ehe er sich auf die Zehenspitzen stellte, Sherlocks Gesicht umfasste und ihn sanft küsste. Der Junge war so überrascht, dass er sich einen Augenblick überhaupt nicht rührte, ehe er den Kuss erwiderte. Ein Traum ging in Erfüllung, als er die Augen schloss und sich in den intensiven, liebevollen Kuss fallen ließ. Als sie sich lösten, konnte er nicht anders als zu Lächeln und auch John strahlte ihn an.
„Ich habe mich da drinnen nicht getraut dich zu küssen. Ich hatte Angst, etwas kaputt zu machen. Ich hatte ja nicht ahnen können, dass es dich viel mehr verletzt hat, dich nicht zu küssen“, erklärte er leise und strich mit seinem Daumen über Sherlocks Wange. Er hielt sein Gesicht noch immer in seinen Händen und wollte es eigentlich auch nicht so recht loslassen.
„Denn die Wahrheit ist, dass ich dich auch liebe. Seit dem Tag, an dem du alleine vor der Sporthalle gesessen und so unglaublich genervt geguckt hast, als ich dich angesprochen habe. Ich wollte dich unbedingt kennenlernen und konnte nicht anders, als mich in dich zu verlieben“, er lächelte und errötete etwas bei seinem Geständnis.
Sherlock dagegen war wohl der glücklichste Mensch der Welt, als er diese Worte hörte und eilig drückte er seine Lippen erneut auf die von John.
Er hätte nie gedacht, dass diese blöde Party noch auf eine so wunderbare Nacht hinauslaufen würde.

Johnlock Oneshots Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt