Freundschaft vor dem Bildschirm

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Fortsetzung von "Freundschaft hinter dem Bildschirm"

Sherlock hasste alles an seiner neuen Schule. Die Menschen, die Lehrer, den Unterricht. Er stand alleine neben einer von Laub bedeckten Tischtennisplatte auf dem Schulhof und hatte demonstrativ die Arme verschränkt. Er wollte mit niemanden reden, doch es gab ohnehin keinen, der daran Interesse gehabt hätte. Seine Abwehrhaltung und seine Intelligenz schien die Mitschüler nur so zu vertreiben und das war ihm ganz recht. Natürlich hatte auch diese Schule ein Footballteam und diesen Leuten ging er ganz besonders aus dem Weg. Er hatte sie schon in London gehasst und hier schienen sie keinen Deut besser. Mycroft hatte sich sehr über den Umzug nach Manchester geärgert, immerhin wollte er in London für sein Studium bleiben. Auch Sherlock wollte nicht in diese Stadt, in der der Doctor wohnte, zu dem er seit knapp einem Jahr keinen Kontakt mehr hatte. Er vermisste die Nachrichten, die sie sich über die Monate geschrieben hatten und er vermisste das Gefühl, von wenigstens einer Person dieser Welt akzeptiert zu werden.
Missmutig kickte er einen Stein weg, welcher prompt ein dunkelhaariges Mädchen traf, die sich daraufhin umdrehte. Sie war in seinem Alter und legte den Kopf schief, ehe sie näher kam. Sherlock zog die Schultern etwas hoch, sodass der Kragen seines Mantels mehr von seinem Gesicht verdeckte und verdrehte die Augen. Er hatte keine Lust auf Konversationen, schon gar nicht mit einem Mädchen.
"Du bist der Neue, oder?", fragte sie und kniff ihr rechtes Auge etwas zu.
"Das müsstest du wissen, angesichts der Tatsache, dass wir in dieselbe Klasse gehen und ich dort vorgestellt wurde", grummelte er. Obwohl er unfreundlich war, gab das Mädchen nicht nach. Sherlock hatte ihren Namen sofort aus seinem Gedächtnis gelöscht, so wie jeden Namen, der ihm an dieser Schule je genannt worden ist.
"Ich bin Emily", stellte sie sich vor und streckte ihm ihre Hand hin, die er geflissentlich ignorierte.
"Ich weiß", er wandte sich etwas ab und hoffte, dass sie dadurch endlich verschwinden würde. Doch sie bedachte ihn nur mit einem abschätzigen Blick, ehe sie grinste.
"Du lügst."
Verblüfft sah er sie wieder an. Sie hatte viele Sommersprossen, die über ihr ganzes Gesicht verteilt waren und ihre Haare reichten ihr etwa bis zu den Schlüsselbeinen, die durch den tiefen Ausschnitt ihres gestreiften Oberteils zu sehen waren. Aus grünen Augen guckte sie ihn frech an und er kam nicht umhin, sie für weniger ätzend als den Rest zu halten.
"Woher willst du das wissen?", fragte er und legte seinerseits den Kopf etwas schief.
"Du hast dir überhaupt keinen Namen gemerkt, außer vielleicht denen der Lehrer", sie zuckte mit den Schultern und trat an die Tischtennisplatte, um die Blätter hinunter zu wischen und auf ihr Platz zu nehmen. Als sie auffordernd auf die freie Fläche neben sich klopfte, setzte er sich widerwillig zu ihr. Eigentlich hatte er kein Interesse an einer Unterhaltung, doch vielleicht schadete es nicht, zumindest eine Person etwas näher zu kennen, falls es mal zu Partnerarbeiten im Unterricht kommen sollte. Sie erzählte ihm ein bisschen was über die Schule, die Schüler und Manchester, ehe sie ihre vollen Lippen zu einem schiefen Lächeln verzog.
"Ich finde, als Wiedergutmachung für den Treffer mit dem Stein begleitest du mich zu dem Footballspiel heute Nachmittag. Unsere Mannschaft spielt auch, mein Bruder ist mit dabei."
Sherlocks Miene verschloss sich augenblicklich bei der Einladung, denn er wollte nicht dabei zusehen, wie die Leute, die meistens zu seinen Mobbern gehörten ein Spiel spielten. Das war einfach nicht sein Ding, doch bei Emilys Hundeblick konnte er einfach nicht nein sagen. Außerdem schuldete er es ihr tatsächlich, wie er zähneknirschend gestehen musste.

"Da bist du ja", grinsend kam das Mädchen auf ihn zu, als er etwas verspätet neben dem Spielfeld aufschlug. Er hatte sich Zeit gelassen und oft überlegt, ob er tatsächlich kommen sollte. Letztendes wollte er nicht die einzig halbwegs nette Person der Schule in die Flucht schlagen und stand nun hier zwischen lauter Schülern, die er nicht leiden konnte und sah dabei zu, wie sich Idioten um einen Ball kloppten.
"Das da ist James, er ist einer der Besten", Emily zeigte auf einen großen, rothaarigen Jungen, welcher gerade einen Gegner über den Haufen rannte. Sherlock hörte gar nicht richtig zu, als sie ihm nach und nach alle Spieler vorstellte. Auch ihre Namen löschte er schnellstmöglich wieder, er hielt einfach nichts von Footballern. Es gab bloß einen, der sich in sein Herz geschlichen hatte und ihn nicht mehr so recht loslassen wollte. Den Doctor.
"Und das da drüben, der kleine blonde Junge, ist John, der Captain", beendete sie die Vorstellungsrunde und sah ihn von der Seite an. Als er das Wort Captain hörte und in Verbindung mit Football brachte, versetzte es ihm einen Stich. Seinen Hass auf diesen Sport und diejenigen, die ihn ausübten, hatte ihn um eine wertvolle Freundschaft gebracht.
"Wieso ist er so klein?", fragte er, um wenigstens etwas interessiert zu wirken. Emily runzelte die Stirn bei der Frage und kicherte dann.
"Das hat er sich doch nicht ausgesucht", antwortete sie.
"Er ist zwar der Kleinste im Team, aber er ist trotzdem der Beste und so zum Captain geworden. Er ist allgemein beliebt, doch kein Mädchenschwarm mehr, seit er sich geoutet hat", sie plapperte einfach drauf los und er ließ sie gewähren, während er dem Jungen mit den Augen folgte, ehe er den Blick senkte und auf seine Schuhe starrte. Footballer waren Idioten, wiederholte er in Gedanken immer und immer wieder, doch andauernd musste er an den Doctor denken.
Als das Spiel vorbei war, kam eine Gruppe von Spielern auf sie zu und ein großer, dunkelhaariger Junge umarmte Emily.
"Das ist mein Bruder Paul", stellte sie ihn kurz vor und deutete dann auf Sherlock.
"Und das ist Sherlock, ein Klassenkamerad von mir"
Paul musterte ihn kurz, ehe er eine Augenbraue hochzog.
"Der Freak? Du hängst mit dem Neuen ab, den alle nur den Freak nennen?", hakte er ungläubig nach und Sherlocks Miene verdüsterte sich. Er hatte es kommen sehen müssen, immerhin hatte sich nichts geändert. Er war der Idiot, der Außenseiter, der Freak und niemand konnte ihn leiden.
Die anderen Spieler bedachten ihn mit neugierigen Blicken, abgesehen von John, welcher auf seinen Helm starrte, den er in seinen Händen drehte.
"Blöder Goldfisch", spuckte Sherlock Paul vor die Füße und drehte sich dann geschwind um. Dadurch entging ihm jedoch, wie der Captain ruckartig den Kopf hob und ihm ungläubig nachstarrte.

Johnlock Oneshots Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt