Mary lehnte sich leicht an ihn, als ihre Lippen sich verzogen und sie ihren Mund etwas öffnete, um ein Lachen erklingen zu lassen, während er weiterhin starr geradeaus auf den ehemaligen Soldaten blickte, welcher sich gerade mit John unterhielt. John, der der beste Freund des großen Sherlock Holmes war und der heute geheiratet hat. Nicht ihn, natürlich nicht, sondern Mary, seine nun Angetraute.
Als diese jedoch die Abneigung gegenüber dem alten Freund ihres Ehemannes bemerkte, konnte sie sich diesen einen Satz nicht verkneifen.
"Ach Sherlock, keiner von uns beiden war der Erste."
Er presste die Lippen aufeinander. Diese paar Worte rüttelten so viele Emotionen und Erinnerungen in ihm hoch, dass er kurzzeitig in ihnen versank.
Denn auf die Frau neben ihm traf der Satz eindeutig zu, wenn man an die vielen Dates zurückdachte, die John, sehr zu Sherlocks Missfallen, mit in die Wohnung gebracht hatte. Doch obwohl es außer ihm kaum noch einer wusste, war er der Erste.Viele Jahre zuvor
Ein Klopfen an der Tür riss den jungen Mann mit den wilden, dunklen Locken aus seinen Recherchen.
"Herein?", brummte er, wandte den Blick allerdings nicht von dem dicken Buch auf seinem Schreibtisch ab, auf dem ein reines Chaos herrschte.
Die Tür zu seinem Zimmer öffnete sich gerade soweit, dass der Besucher hineinschlüpfen konnte. Sherlock musste nicht einmal aufsehen, um zu wissen, wer sich ihm da von hinten näherte. Als ihm ein sehr vertrauter Geruch in die Nase stieg und sich zwei Arme von hinten auf seine Brust legten, stahl sich ein Lächeln auf sein Gesicht. Er drehte sich auf seinem Drehstuhl um und sah seinem Freund ins Gesicht. Es kam nicht oft vor, dass er zu ihm aufsehen musste, immerhin war er ein gutes Stück größer. Der Junge runzelte die Stirn und spähte an Sherlocks Kopf vorbei auf den Tisch, ehe er die Augenbrauen zusammenzog.
"Was machst du denn da?", fragte er nach, während der Lockenkopf mit seinen Händen an den Armen seines Freundes auf und ab fuhr.
"Hausaufgaben", antwortete er und grinste schief.
"Aber das haben wir doch gar nicht auf", verwirrt sahen die blauen ihn an, in denen er so oft das Zeitgefühl verlor und die es ihm schwer machten, sich aus ihnen zu lösen.
"Noch nicht", murmelte er und erhob sich. Jetzt musste er wieder auf seinen Geliebten hinabsehen, welcher kurz den Mund öffnete, als würde er etwas sagen wollen, ihn dann aber wieder schloss. Kluger Junge.
Endlich trafen sich ihre Blicke wieder und der Sherlocks sprang kurz zu den Lippen seines Partners, ehe er sich runterbeugte und seine eigenen sanft auf sie legte. Es war längst nicht mehr ihr erster Kuss und doch verspürte er jedes Mal wieder dieses Feuerwerk in seiner Magengegend, wenn sie sich küssten. Er war sich sicher, dass es sich bei niemanden sonst so anfühlen würde, wie wenn er ihn küsste. Seinen John.
Als sie sich lösten, grinsten bei sich so verliebt und ein wenig peinlich berührt an wie nach ihrem ersten Kuss. Gemeinsam ließen sie sich auf dem breiten Bett nieder und kuschelten sich aneinander. Sherlock liebte diese Momente, in denen sie nichts sagten, sondern sich einfach hielten. Doch er wusste, dass dies einer der letzten dieser Art sein würde. Er schluckte schwer und John hob den Kopf, den er zuvor auf seiner Schulter abgelegt hatte.
"Was ist los?", prüfend sah er ihn an und sein Freund verkrampfte sich etwas. Er hatte es lang geheim gehalten, doch je näher es kam, desto schwieriger wurde es für ihn.
Die leicht verengten Augen schienen ihn zu durchbohren und er hasste es, dass John mittlerweile genau wusste, wann er ihm etwas verschwieg.
"Ich muss dir was sagen", er räusperte sich einige Male und schluckte erneut, da sich seine Kehle plötzlich trockener als eine Wüste anfühlte.
Sie setzten sich auf und man konnte dem blonden Jungen ansehen, wie nervös er war. Er erahnte nichts Gutes und lag damit auch völlig richtig.
"Ich- ähm, also wir", stotterte Sherlock und fuhr sich nervös durch die Haare.
"Spuck's einfach aus", drängte sein Freund ihn zum Reden. Sein Ton war ungewöhnlich barsch, doch innerlich zitterte er vor Angst vor dem, was er gleich hören würde.
"Wir ziehen um", damit war es raus und er ließ den Kopf sinken. Ein Umzug würde das Ende ihrer Beziehung bedeuten, denn er war längst nicht so naiv zu glauben, dass eine Fernbeziehung funktionieren würde. John atmete heftig aus und ließ sich in die Kissen fallen, während er sein Gesicht hinter seinen Händen verbarg. Da er keine Mimik erkennen konnte, fiel es Sherlock schwer, die genauen Gefühle aus seinem Freund zu lesen.
"Wie weit?", fragte dieser mit bebender Stimme.
"Weit", der Blick des gelockten Jungen heftete sich auf das weiße Laken, er wagte es nicht, seinen Freund anzusehen.
"Das war's dann wohl, oder?", aus seinem Mund tat diese Erkenntnis tausend Mal mehr weh und Sherlocks Sicht verschwamm. Er versuchte die Tränen wegzublinzeln, doch das führte nur dazu, dass sie sich aus seinen Augenwinkeln lösten und auf sein Bett fielen. Als er zu John sah, erkannte er, dass dieser ebenfalls weinte. Sein vergleichsweise kleiner Körper wurde von Schluchzern geschüttelte und nach kurzem Zögern rutschte er zu ihm und umschlang den Jungen, den er nie verlassen wollte.
Weinend pressten sie sich aneinander und dachten nicht einmal daran, sich loszulassen. Als würde man sie so nicht mehr trennen können. Doch das war nur ein dummer Gedanken von zwei naiven Jungen, die sich liebten."Sherlock?"
"Hm."
"Wirst du an mich denken?"
"Jeden Tag, John Watson. Bis wir uns wiedersehen", er hauchte die Antwort in das Ohr seines Freundes, mit dem er gerade ihre letzten gemeinsamen Momente genoss. Sie lagen gemeinsam in Johns Bett, welches eigentlich zu schmal für zwei Menschen war. Doch das machte ihnen nichts aus, da sie so allen Grund hatten, sich noch enger aneinander zu kuscheln. Der kleinere der Jungen hatte sein Gesicht in die Halsbeuge des Größeren gedrückt und schien seinen Geruch zu inhalieren, solange er noch konnte.
"Ich will nicht, dass du gehst", seine Stimme erklang zitternd und Sherlock spürte den Atem an seiner Haut. Das Gefühl verlieh ihm eine Gänsehaut und er küsste seinen Freund sanft auf die Wange.
"Ich auch nicht", erwiderte er. Er war froh, dass er nicht wieder weinen musste. Er hatte so oft über ihre anstehende Trennung geweint, dass er sich sicher war, dass seine Tränendrüsen für die nächsten zwei Jahre keine Tränen mehr hatten. John rückte etwas von ihm weg und sah ihn an.
"Kannst du noch eine Sache für mich tun?"
"Was auch immer du willst"
Der Blonde hielt einen Moment inne und sein Blick huschte zu den Lippen direkt vor ihm, ehe er seine eigenen zu einem leichten, wehmütigen Lächeln verzog.
"Küss mich"
"Nichts lieber als das", und kurz darauf vereinten sie ihre Lippen zu einem letzten, intensiven, schmerzerfüllten Kuss, der mehr sagte, als Worte es je hätten tun können.
"Ich liebe dich."
"Ich dich auch."Der Mann mit den dunklen Locken, die über die Jahre deutlich länger geworden sind, starrte gedankenverloren aus dem Fenster. Vor ihm erstreckte sich London, die Stadt, die er lange sein Zuhause genannt hatte. Er war froh wieder hier zu sein, auch wenn nichts mehr so war, wie es einmal gewesen ist. Er war längst nicht mehr der Junge mit verrückten Träumen, an den sich nur noch wenige erinnerten. Der Umzug hatte alles verändert, ihn in den Soziopathen verwandelt, der er heute war. Und kein Tag ist vergangen, an dem er nicht an den einen Menschen gedacht hatte, den er über alles geliebt hatte. John Watson. Sie hatten sich aufgrund der Entfernung aus den Augen verloren, ihren Kontakt nicht mehr aufrecht erhalten können. Es hatte ihn geschmerzt, doch es war wie es nun einmal war und damit musste er sich abfinden. Er war sich sicher, dass sein ehemaliger Freund sein Leben fortgeführt hatte und nicht wie er selbst täglich in Gedanken an seine glückliche Kindheit schwelgte.
"Sherlock?", sein großer Bruder, der es ordentlich zu was gebracht hatte, betrat das Zimmer.
"Was gibt es, Mycroft?", er wandte sich von dem Fenster ab und sah seinen Besucher ausdruckslos an. Er trug wie immer seinen vielschichtigen Anzug und hatte eine ernste Miene aufgesetzt, obwohl sie dem Jüngeren dieses Mal sogar ein wenig ernster als sonst erschien, falls dies überhaupt möglich war.
"Erinnerst du dich noch an John Watson?", begann er die Erklärung seines Anliegens.
Allein dieser Name schien Sherlocks Welt für einen kurzen Augenblick aus den Angeln zu reißen, doch nach außen zeigte er nichts von den aufflammenden Gefühlen.
"Er hatte einen Unfall, hat es aber mit einigen Frakturen überlebt. Leider hat sein Gedächtnis darunter gelitten. Er erinnert sich an nichts mehr, was vor dem Unfall in seinem Leben passiert ist. Vielleicht solltest du es ihm gleich tun und ihn vergessen", diese Worte waren niederschmetternd und der Detektiv musste einige Male blinzeln, um bei klarem Verstand zu bleiben. Er schaffte es trotzdem, seinen Bruder gleichgültig anzusehen.
"War's das?", fragte er und betrachtete seine Finger, als wären sie interessanter als alles, was Mycroft ihm sagen könnte. Dieser sah ihn einen Augenblick irritiert an, ehe er langsam den Kopf schüttelte.
"Was ist nur aus dir geworden, Sherlock?", fragte er leise und verließ dann das Zimmer. Kaum war er verschwunden ließ der jüngere der Holmes-Brüder sich auf seinen Stuhl sinken. Es war, als wäre das letzte Fünkchen Hoffnung auf ein glückliches Wiedersehen mit John soeben erloschen.
Es war vorbei.Heute
Es musste Schicksal sein, dass sie sich wieder getroffen hatten. John konnte sich nach wie vor an nichts erinnern und Sherlock würde sich hüten, irgendetwas über ihre gemeinsame Vergangenheit zu erzählen. Er war dankbar ihn in seinem Leben zu haben und würde nichts tun, was dafür sorgen könnte, dass er ihn wieder verlor. Auch wenn das bedeutete, dass er eine Person geheiratet hatte, die nicht er war. Schnell machte er sich von Mary los und eilte davon.
Ob er John noch immer liebte?
Gewiss.
Ob er es ihm jemals sagen würde?
Ungewiss.Tut mir leid, dass es so lange gedauert hat, bis ich dieses Kapitel veröffentlicht habe. Aber bei mir hat die Schule wieder angefangen und damit habe ich auch wieder weniger Zeit. Ich bemühe mich einfach, so regelmäßig wie möglich zu updaten ;)
Btw, hat einer von euch Good Omens geguckt? Ich fand die Serie richtig gut :D Aber irgendwie geht es vielen Sherlock-Fans so xD
Bis dann!
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Johnlock Oneshots
FanficSelbsterklärend😉 Viel Spaß beim Lesen! ____________________ Alle Charaktere (außer meiner eigenen) gehören dem BBC