Teil 2 von "Keiner von uns beiden war der Erste"
Auf Wunsch von @FelleyWrites 😀"Rosie, lass das liegen!", etwas genervt pflückte Sherlock dem kleinen Mädchen die Pipette aus der Hand, mit der er zuvor an seinem aktuellsten Experiment gearbeitet hatte. Seit John und sie einige Zeit nach Marys Tod wieder in der Baker Street eingezogen sind, war nichts mehr wie vorher. Es gab kein nächtliches Geigespielen mehr, keine Schüsse aus Langweile auf den Smiley an der Wand und - sehr zu Johns Freude - keine Experimente mehr auf dem Küchentisch. Die Körperteile im Kühlschrank hatte der Detektiv durchsetzen können, aber nur, weil Rosie noch zu klein war, um ihn öffnen zu können.
Das kleine Mädchen hatte es in sich, wie der Mann schnell feststellen musste. Sie war clever und ziemlich gerissen für eine Vierjährige. Ihr Vater war gerade einkaufen und brauchte dafür ungewöhnlich lange, doch vielleicht wurde er durch irgendetwas aufgehalten.
Sherlock nutzte die Zeit einfach, um der kleinen Rosamund das Deduzieren beizubringen, was leichter gesagt war als getan, denn sie ließ sich viel zu leicht von irgendwelchen Gegenständen ablenken, die sie beim dritten Mal betatschen immer noch genauso interessant fand wie beim ersten Mal. Der lockige Mann seufzte, als sie ihre kleinen Hände nach dem Totenschädel ausstreckte, der noch immer auf dem Kaminsims stand.
"Rosie, den hattest du schon so oft in der Hand, dass ich aufgehört habe mitzuzählen", seufzte er, doch bei dem Anblick der großen Kinderaugen musste er sich geschlagen geben. Das Glucksen des Kindes war herzerwärmend, wie sogar er zugeben musste. Kopfschüttelnd richtete er sich auf und warf einen verwirrten Blick in Richtung des Telefons, welches plötzlich zu klingeln anfing.
Nachdem er sich vergewissert hatte, dass Rosie den Schädel nicht in den Mund nahm, ergriff er den Hörer und brummte 'Holmes?' hinein.
"Sehr geehrter Herr Holmes, wir müssen Ihnen leider mitteilen, dass Dr. John Watson einen Unfall hatte."Ohne Rücksicht auf andere Besucher im St. Bart's Hospital eilte er durch den Flur und steuerte das Zimmer an, in dem John lag. Er ist von einem Autofahrer übersehen und über den Haufen gefahren worden und er konnte von Glück reden, dass er keine lebensbedrohlichen Verletzungen hatte. Als er die Tür aufdrückte und in den kleinen Raum schlüpfte, blieb ihm kurz die Luft weg. John sah so verletzlich aus, dass es ihm wehtat. Zögerlich trat er an das Bett und ließ sich auf einem der Stühle nieder, die das kahle Zimmer schmückten. Sein Freund schlief, was dem Detektiv die Möglichkeit gab, ihn anzusehen, ohne dass es zu komisch wirken würde. Der Arm war eindeutig gebrochen und er hatte eine Platzwunde auf der Stirn, die von dicken Pflastern bedeckt war. Unter der Nase befanden sich noch getrocknete Spuren von Blut und das linke Auge fiel durch verschieden Blau- und Violetttöne auf. Sherlock atmete einmal tief durch und musste den Anblick kurz verarbeiten. Rosie hatte er zum Glück bei Mrs. Hudson lassen können, die natürlich sofort alarmiert gewesen ist und eigentlich hatte mitfahren wollen.
"John, was machst du nur für Sachen?", murmelte er und lehnte sich zurück.
"Das war nicht meine Entscheidung, Sherlock", brummte John und der Angesprochene fuhr zusammen. Er hatte nicht damit gerechnet, dass sein Freund mittlerweile wach war. Langsam öffnete der Blogger das rechte Auge und blinzelte einige Male, ehe er mit seinem unversehrten Arm das angeschwollene Auge betastete.
"Verdammt", murmelte er und versuchte sich etwas in dem Bett aufzusetzen.
"Mach' dich mal nützlich", wies er Sherlock an und so half er ihm, ein Kissen hinter seinen Rücken zu drücken, bis er bequem saß.
Sie schwiegen einen Augenblick, ehe John sich gegen die Stirn schlug und gleich darauf ein schmerzerfülltes Stöhnen von sich gab.
"Was ist?"
"Ich habe die Milch vergessen!"
Sprachlos starrte der Lockenkopf seinen Mitbewohner an, ehe beide in schallendes Gelächter ausbrachen.
"Ich glaube deine Einkäufe liegen jetzt auf irgendeiner Straße", kicherte Sherlock und stellte sich vor, wie irgendwelche Autos Tomaten überfuhren.
"So eine Geldverschwendung. Das war teuer!", beschwerte John sich, lachte aber.
"War doch sowieso meine Kreditkarte", merkte der Detektiv an und sie nickten.
"Jetzt bekommst du sowieso Essen á la Krankenhaus, wahre Delikatessen haben sie hier", sie grinsten sich wie zwei Idioten an, ehe die Tür geöffnet wurde und sie sich gleichzeitig räusperten, was dem Besucher dazu brachte, eine Augenbraue hochzuziehen.
"Ah, Gavin, gut, dass Sie da sind", begrüßte Sherlock den Inspector und stand auf.
"Ich heiße Greg", grummelte dieser und trat neben das Bett, in dem John sich noch kleiner als sonst vorkam.
"Was hast du nur angestellt?"Gemeinsam polterten die beiden Männer die Treppen hoch zu ihrer Wohnung, in der Rosie sie bereits erwartete. Mit großen Augen ließ sie das Spielzeugauto sinken, welches sie kurz zuvor noch ausführlich mit Sabber beschmiert hatte.
"Rosie!", John strahlte beim Anblick seiner kleinen Tochter, die sofort breit zu grinsen anfing und ihre wenigen Zähne zeigte. Man sah dem Vater an, dass er sein Kind gerne hochgehoben hätte, doch der gebrochene Arm verweigerte ihm dies. Stattdessen hockte er sich neben sie und streichelte ihren Kopf.
"Wie geht es dir?", fragte er und sein Blick glitt kurz über die auf dem Boden verteilten Spielzeuge.
"Gut. Granny hat auf mich aufgepasst", erwiderte sie gut gelaunt und hob ihr Auto hoch, um es mit lautstarken Geräuschen durch die Luft schweben zu lassen.
"Rosie, Autos fliegen nicht", wandte Sherlock sich mit zuckenden Mundwinkeln an sie und das Mädchen ließ das Modell augenblicklich auf den Boden fallen.
"Okay", sagte sie bloß und hob dann ein Stofftier hoch, damit es den Himmel erkunden konnte. Diesmal verkniff sich der Detektiv einen Kommentar und ließ sich in seinem Sessel nieder, was John ihm gleichtat.
"Jetzt musst leider du einkaufen gehen", sagte er und grinste seinen Mitbewohner triumphierend an.Am Abend, als Rosie bereits schlief und es still in der 221B Baker Street wurde, räusperte John sich und sah seinen Freund ernst an. Sie saßen in ihren Sesseln und tranken gemeinsam eine Tasse Tee, ehe auch sie ins Bett gehen würden.
"Wieso hast du mir nie erzählt, dass wir eine Vergangenheit haben?"
Sherlock hielt inne und stellte den Tee ab.
"Als ich im Krankenhaus aufgewacht bin, also noch bevor du da warst, war es, als würde mich ein Schauer an Erinnerungen überfallen, die irgendwo verloren gegangen sind. Nach meinem ersten Unfall vor vielen Jahren hatte ich sie alle verloren und plötzlich wieder. Es ist verrückt", erklärte er.
Sein Gegenüber dagegen saß ziemlich verkrampft in dem schwarzen Ledersessel und wusste nicht, was er antworten sollte.
"Du hast nie auch nur mit einer Silbe erwähnt, dass wir mal ein Paar waren. Dass wir uns geliebt haben. Sehr geliebt. Dass du weggezogen bist, hat mir das Herz gebrochen."
Sherlock schluckte schwer.
"Mir auch."
Er senkte den Blick und wagte es nicht so recht, wieder aufzusehen.
"Mary hat an eurer Hochzeit gesagt, dass keiner von uns der Erste war. Doch das stimmte nicht, denn ich war der Erste", wehmütig lächelte er und John sah ihn einige Augenblicke an, ehe er einen Schluck Tee nahm.
"Weißt du, es ist gut, das zu wissen. Das erklärt so einiges"
Der Holmes-Bruder runzelte die Stirn.
"Erklärt was?"
"Meine Gefühle."
"Was für Gefühle?"
Jetzt stellte auch John seinen Tee ab und holte einmal tief Luft.
"Immer wenn ich bei dir bin, fühlt es sich so vertraut an. Oft hatte ich den Eindruck, dich besser zu kennen, als ich immer geglaubt hatte. Und jetzt finde ich raus, dass wir mal ein Paar waren und habe das Gefühl, dass sich alles wiederholt. Ich streite ab, dass ich etwas anders als heterosexuell bin und entwickle trotzdem romantische Gefühle für dich", die Worte gingen ihm so leicht über die Zunge, dass es ihn beinahe selbst überraschte. Vielleicht lag es daran, dass er Sherlock seine Liebe nicht zum ersten Mal gestand. Dieser starrte ihn regungslos an, ehe er ruckartig aufstand, ihn hochzog und küsste.
"Ich fasse das mal als ein 'Ich habe mich auch wieder in dich verliebt'", murmelte John zwischen zwei Atemzügen, ehe er seine Lippen erneut auf die von Sherlock presste.
"Leider falsch, Watson", antwortete dieser, als sie sich zum zweiten Mal lösten. Der kleinere der Männer zog die Augenbrauen zusammen, denn das Gesagte passte nicht zu den Handlungen, wie er fand.
"Ich habe nie aufgehört dich zu lieben", der Detektiv lächelte und dann umarmte er den Mann, den er endlich wieder seinen festen Freund nennen konnte.
Er hatte viel zu lang warten müssen.
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Johnlock Oneshots
FanfictionSelbsterklärend😉 Viel Spaß beim Lesen! ____________________ Alle Charaktere (außer meiner eigenen) gehören dem BBC