Wieder fuhr die Peitsche hinab und traf auf die nackte Haut. Wieder erklang das Klatschen in der kleinen Zelle. Und wieder durchzuckte entsetzlicher Schmerz den mageren Körper des Mannes, welcher sich heftig auf die Zunge biss, um nicht zu schreien. Er wusste nicht, wie lange er bereits in diesem beklemmenden Raum war, er hatte jegliches Zeitgefühl verloren. Sein einziger Anhaltspunkt waren die Intervalle des Folterns. Wenn sie lange aussetzten, war es wohl Nacht, so vermutete er es zumindest. Seine Handgelenke waren wund, denn auf ihnen lastete das Gewicht des geschundenen Körpers. Alles an ihm brannte vor Schmerz, besonders sein Rücken, welcher voll mit roten Striemen und halb verheilten Wunden war, die mit jedem weiteren Schlag erneut aufrissen und Blut den Rücken besudelte. Die Ketten, die ihn am Entkommen hinderten, waren über ihm an der Wand befestigt und zwangen ihn, auf den Knien mit ausgebreiteten Armen zu sitzen. Er war unterernährt und erschöpft, oft befahl er sich, bei Bewusstsein zu bleiben. Doch immer öfter schien die tiefe Dunkelheit, in der er nichts fühlte, verlockender. Sie rief nach ihm und langsam konnte er sie nicht länger ignorieren. Er wollte sie nicht länger ignorieren. Er hatte es aufgegeben, auf Rettung zu hoffen. Niemand würde kommen, um ihn zu holen und diese Erkenntnis tat beinahe so weh wie ein Peitschenhieb.
Wenn er alleine war, verschwand er in seinen Gedächtnispalast, in dem nichts ihn etwas anhaben konnte. Dort saß er, meistens allein, in seiner Wohnung in der Baker Street. Sein Blick lag immer auf dem leeren Sessel vor ihm. Auch wenn er den Raum kontrollierte, schaffte er es nicht, das Möbelstück zu entfernen. John wohnte nicht mehr hier, er war bei Mary, seiner schwangeren Frau.
Der Gefolterte stand oft vor der Tür, die ihn in den Teil seines virtuellen Palastes bringen würde, in dem es nur um seinen ehemaligen Mitbewohner ging. Wenn er dort war, fühlte er sich geschätzt und es fiel ihm leichter Emotionen zu empfinden, die mit Glück verbunden waren. Doch seit er eingesehen hatte, dass sein Freund sich nicht um ihn sorgte und keine Anstalten machte, ihn irgendwie zu retten, mied er den sonst schönsten Teil seines Gedächtnisses.
Dass John ihn im Stich gelassen hatte, brannte ein Loch in sein Herz, welches ebenso geschunden war wie der Körper, der es trug.
Er hatte diesen Fall alleine entgegengenommen, wollte John nicht in gefährliche Situationen bringen. Doch ziemlich schnell ist viel aus dem Ruder gelaufen und nun befand er sich in einer engen Zelle, die von Terroristen bewacht wurde. Sein einziger Trost war, dass John nicht hier war und ebenfalls litt. Die alleinige gute Entscheidung war, dass er seinen Freund nicht über diesen Fall informiert hatte.Als die schwere Tür sich öffnete, wurde Sherlock aus seinen Gedanken gerissen. Er machte sich nicht die Mühe aufzusehen, so erwartete ihn doch immer der gleiche Anblick. Ein dunkelhaariger Mann in ungepflegten Klamotten, der seine wulstigen Lippen zu einem irren Grinsen verzog und nicht selten seine gelben, lückenhaften Zähne bleckte. Immer trug er seine Peitschte bei sich, die mit dem Blut seines Gefangenen besudelt war. Wie ein Raubtier umkreiste er den Detektiv einige Male, wobei dieser ihm keines Blickes würdigte. Mit zusammengebissenen Zähnen starrte er konzentriert auf den Boden und spannte seine Muskeln an, in der Erwartung, gleich die nächste Dosis Folter zu spüren. Er wusste nicht, was sie von ihm wollten, hatte viel mehr das Gefühl, dass es ihnen Freude bereitete, ihn zu quälen. Sie reagierten sich an ihm ab und er musste es über sich ergehen lassen, bis er an den Folgen seiner Wunden und Erschöpfung sterben würde. Sie gaben ihm genug Nahrung, um ihn am Leben zu halten, damit sie ihn weiter foltern konnten.
Die Peitschte sauste durch die Luft und er stöhnte auf, als sie lautstark auf seinen wunden Rücken traf und ihm höllische Schmerzen bereitete.
Als sich die Tür zum zweiten Mal öffnete, diesmal bedeutend energischer, hob er den Kopf. Das war neu, sonst kam nie ein zweiter Terrorist herein. Wie er feststellen musste, war es auch kein Terrorist. Ungläubig starrte er seinen Bruder an, welchen er für eine Halluzination hielt. Verärgert schüttelte er den Kopf, er hasste es, wenn sein sonst so genialer Verstand ihm Streiche spielte. Doch als er wieder zur Tür sah, stand Mycroft Holmes noch immer dort und erfasste die Situation sofort. Mit einem Wink befahl er eine Gruppe schwer bewaffneter Männer hinein, von denen einer den Folterer mit einem gezielten Schuss tötete. Sherlock sank zusammen, endlich wurde er gerettet und kam aus diesem Loch raus, welches er für mehrere Tage bewohnt hatte. Seine Ketten wurden gelöst und völlig erschöpft stürzte er auf den Boden. Es wäre leichter zu sagen, welche Stellen seines Körpers nicht schmerzten, als die zu benennen, die wie Feuer brannten.
"Mycroft", stöhnte er mit dünner, zitternder Stimme. Sein Bruder kniete sich vor ihn.
"Du dachtest doch nicht wirklich, dass wir dich hier drin sterben lassen, oder?", murmelte er und für den Bruchteil einer Sekunde konnte man Fürsorge in den sonst so kalten Augen erkennen.Sherlocks Genesung schritt voran und nach einigen Wochen blieben von den ehemals klaffenden Wunden auf seinem Rücken nur noch Narben zurück. Verschieden große, verschieden gut sichtbare Narben, die durcheinander seine helle Haut zierten.
John saß gegenüber von ihm in seinem Sessel und trank eine Tasse Tee. Er hatte ihm den ganzen Vorfall verschwiegen, seinen Freund völlig im Dunkeln über sein Leid gelassen. Auch, wenn er eigentlich wütend, verletzt und beleidigt gewesen ist, hatte er ihm beim ersten Anblick verziehen. Mary ist krank gewesen und bei einer schwangeren Frau war dies besorgniserregend, weswegen er sich gänzlich auf seine Frau konzentriert hatte. Sherlock konnte da einfach nicht böse sein.
An diesem Tag ist John überraschend vorbeigekommen, Sherlock trug nur seinen Morgenmantel, da er aufgrund der Hitze ohne Oberteil geschlafen hatte. Es war für beide kein Problem, immerhin hatten sie lange zusammen gewohnt. Doch als der Detektiv aufstand und der Mantel verrutschte, hielt John inne.
"Was ist das?", fragte er und stellte den Tee ab. Sein ehemaliger Mitbewohner zog sofort seine Bekleidung zurecht und blieb stehen.
"Was meinst du?"
"Na das da auf deinem Rücken"
Er drehte sich um und begegnete dem ernsten Blick seines besten Freundes. Er hatte vermeiden wollen, dass er seine Narben zu Gesicht bekam, doch diesmal ist er zu unachtsam gewesen. Der Arzt stand langsam auf und stellte sich vor ihn.
"Da sind Narben auf deinem Rücken, Sherlock. Lange sind die da noch nicht"
Der Angesprochene schluckte schwer, jetzt würde er auch nicht mehr lügen können.
"Dreh dich um", es war eine Aufforderung, die keinen Widerspruch dudelte.
Der Lockenkopf tat wie ihm geheißen und kehrte seinem Freund den Rücken zu. Langsam ließ er seinen Mantel auf den Boden gleiten und entblößte somit seinen Rücken. John atmete scharf ein und für einen Augenblick geschah nichts, ehe Sherlock spürte, wie der kleinere Mann vorsichtig die Narben berührte. Eine Gänsehaut machte sich auf seinem Körper breit und er schloss mit gesenktem Kopf die Augen, als die Finger sanft über seinen Rücken fuhren und die einzelnen Narben nachzeichneten. Als die Hand sich senkte, drehte er sich langsam wieder um und sah einem völlig sprachlosen und entsetzten John ins Gesicht.
"Du- Du hattest nie eine Grippe, oder?", fragte er mit bebender Stimme. Der Detektiv blinzelte einige Male verwirrt, ehe ihm wieder einfiel, dass dies die Lüge war, die er ihm aufgetischt hatte, um zu erklären, wieso er einige Tage nicht erreichbar gewesen ist. Langsam schüttelte er den Kopf und sein Gegenüber wandte sich ruckartig ab. Er fuhr sich mit den Händen durch sein Gesicht und atmete hörbar ein und aus.
"Es tut mir so leid", als er sich wieder umdrehte, glänzten seine Augen verdächtig.
Sherlock runzelte die Stirn und trat etwas näher.
"Was tut dir leid?"
"Dass ich nicht da war. Hätte ich etwas mitbekommen, hätte ich versuchen können dir zu helfen. Du hast so gelitten und ich war nicht für dich da", aufgewühlt fuhr er sich durch die Haare.
"Es ist alles gut, John."
"Nichts ist gut!"
Und plötzlich schloss er seine Arme um den noch immer dünnen Körper seines besten Freundes. Dieser war kurz überwältigt von der plötzlichen Umarmung, ehe er diese erwiderte. Beruhigend strich er mit seinen Händen über den Rücken seines Freundes und schloss die Augen.
"Dir muss nichts leidtun John. Ich habe dir diesen Fall verschwiegen und du musstest dich um Mary kümmern. Es ist alles gut", sagte er leise. Diesmal akzeptierte er die Worte und nickte langsam.
"Du kannst immer mit mir reden, Sherlock. Verheimliche mir niemals wieder etwas, okay?", er drückte ihn etwas von sich und hielt ihn auf Armlänge, während er ihn eindringlich ansah.
Der Detektiv nickte und zog die Mundwinkel etwas hoch.
"Versprochen."

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Johnlock Oneshots
FanficSelbsterklärend😉 Viel Spaß beim Lesen! ____________________ Alle Charaktere (außer meiner eigenen) gehören dem BBC