„Yes, I was a junkie."

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„Einen Scheiß wolltest du!", fuhr ich den Haber böse an, „Du hast dumm vor meiner Tür gestanden und den Schwanz eingezogen!"
Er stand dicht vor mir und hielt mich an den Schultern fest.
„I said", fing er mit einem wütenden Unterton an, „ich bin sorry. Maybe too late but I am. But du bist nicht die in right position for diese shit yesterday. Das ist nicht deine fucking right. It was strange. You. Rina and your statement mit die icing sugar. Yes, I was a junkie and yes, I felt ashamed of that. Und yes: Sie wusste nothing von meine problems. But you. Es ist nicht deine fucking job to talk über meine privat shit I've done. It was wrong, yes. I'm sorry, dass du warst eine Teil von meine shit and I'm sorry für deine Probleme mit mir. But stay out. Really. Stay out."
Seine Hände hatten sich während seines Vortrags fester in meine Oberarme gebohrt. Der Haber war richtig sauer und damit hatten wir etwas gemeinsam.
Ich wollte ihn treten.
Boxen.
Beißen.
Anschreien.
Noch einige Sekunden stand er vor mir und sah mich einfach nur an.
Wie gerne hätte ich ihm unzählige Schimpfwörter an den Kopf geknallt, aber ich konnte irgendwie nicht.
Er lockerte den Griff um meine Oberarme und fuhr – dieses Mal ohne Druck – über meine Arme und Handgelenke, bis er letztlich mich losließ.
Gerade als ich meine Sprache wiedergefunden hatte, drehte sich Samu um und verschwand in der Menge der Haupthalle.
Ohne mich eines weiteren Blickes zu würdigen.
Und ich stand da.
Er ließ mich jetzt hier so stehen?
Warum?
Weil er nicht erwachsen genug war, um mit mir zu reden?
Ich ballte eine Faust und griff wütend nach dem Handy in meiner Clutch. Hektisch scrollte ich durch mein Telefon – nachdem ich einmal bei „Z" angekommen war – um dann wieder bei B wie „Bror" zu landen.
„Nein, dein Handy ist nicht hier. Es ist an deinem Ohr", nuschelte Daniel mir müde entgegen.
„Ich hab den Haber getroffen, als ich am Gleis stand", sagte ich trocken.
„Wärst du mit dem Bus nicht schneller gewesen?"
„Ist das gerade dein Ernst?", ich rollte die Auge, „darum geht es nicht. Hast du zugehört?"
„Doch. Klar", er kicherte kurz, bevor er sich räusperte, „erzähl."
Und ich erzählte, was Samu zu mir gesagt hat.
Wie dumm er mich von der Seite angemacht hatte und wie wütend er mich mit seinem Gequatschte gemacht hatte.
Ich hatte versucht, mich zu entschuldigen aber letztlich war er derjenige, der mir den Arsch verbal aufriss und mich dann dumm stehenließ.
Während ich immer noch vollkommen in Rage war und Daniel mein Leid klagte, ging ich zurück zu meinem Gleis.
Der Zug war natürlich schon abgefahren.
Ironie das Schicksals.
„Vielleicht braucht ihr eine Art Koexistenz", sagte Daniel endlich.
„Wie meinst du das?"
„Willst du in Helsinki bleiben?"
„Worauf willst du hinaus?", fragte ich wieder.
„Willst du in Helsinki glücklich werden?"
„Ich bin hier glücklich."
„Dann musst du lernen, damit umzugehen, dass Samu auch da ist. Du musst irgendwie einen Weg finden, mit ihm und der Situation klarzukommen."
„Hm."
„Vielleicht solltest du auch eine Therapie machen", platzte Daniel heraus, „du hast das nie aufgearbeitet. Keine der Trennungen."
„Das ist doch Bullshit."
„Du wirst das dein Leben lang mit dir herumtragen, wenn du da nichts unternimmst."
„Willst du mich einweisen lassen, oder was?", ich wurde patzig, „weil ich die Trennung von einem Exfreund nicht verarbeitet habe?"
„Nein", ich hörte Daniel aufstöhnen, „du hast die Trennung von Samu nicht verarbeitet. Du weißt selbst am besten, dass das etwas ganz anderes gewesen ist als die Male davor. Du musst da für dich einen Weg finden, mit ihm in eurer Heimatstadt umzugehen. Das ist alles."
„Hm", brachte ich nach einigen Sekunden hervor.
„Du musst darauf nicht antworten."
„Kann ich auch jetzt gerade nicht."
„Weil du sauer bist", ergänzte mein Zwillingsbruder.
„Ein wenig, ja."
Daniel lachte.
„Fahr erstmal nach Hause und schlaf ein bisschen. Heute Abend lad ich dich in das Restaurant hier vorne auf der Ecke ein. Ohne Alkohol, versprochen."
„Boulevard Social?"
„Ja. Das ist direkt hier."
„Die Falafel da sind sehr gut."
„Dann weißt du ja schon, wovon du die Hälfte abgeben kannst."
„Vergiss es!"
„Wenn was ist, meld dich, ok?"
„Mach ich", ich grinste, „danke."
„Dank mir später", sagte Daniel und legte auf.
Ich kickte einen kleinen Kiesstein, der vor mir am Gleis lag, zwischen meinen Füßen hin und her.
Jetzt, in diesem Moment, gab es für mich eigentlich keine Möglichkeit, mit dem Haber in Frieden auseinander zugehen. Allerdings hatte Daniel mit seinem Einwand vollkommen recht. Ich konnte nicht glücklich sein, wenn ich immer wieder mit dem Haber aneinander geriet. Ob nun etwas passiert war oder nicht. Es war für keinen von uns toll, wenn es immer wieder darauf hinauslief, dass wir uns angifteten und beschimpften.
Meine Aktion gestern war – neben seiner Kokserei – auch nicht toll gewesen.
Was nicht bedeutet, dass wir jetzt quitt waren.
Aber ich hätte mich nicht entschuldigen wollen, wenn ich nicht gemerkt hätte, dass ich mich beschissen verhalten hatte.
Ich blies genervt Luft aus und warf den Kopf in den Nacken.
Und was war das nur für eine Scheiße, dass egal, was der Haber mir antat – seine Berührungen immer noch etwas in mir auslösten? Als würde mein Körper sich sofort an ihn und seine Hände erinnern.
Was war das?
Es war mir nicht unangenehm genug.
Er packte mich, schrie mich an und fuhr meine Arme nach unten zu meinen Handgelenken.
Die Stellen, die dieses koksschnupfende Arschloch berührt hatte, kribbelten immer noch.
Es regte mich wahnsinnig auf.
Er regte mich so auf.
Ich war – tief im Inneren – immer noch tief verletzt. Das musste ich mir endlich eingestehen.
Aber wenn ich wirklich meinen Seelenfrieden zurückwollte, brauchten wir etwas.
Vielleicht wirklich sowas wie eine Koexistenz.
„Paska!", sagte ich laut und wich einen Schritt zurück, als der Zug einfuhr.

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