Scheiße.
Verdammt.
Der Kaffee war zwar nicht mehr kochend heiß, aber noch immer warm genug, um mir einen Schauer über den Körper zu jagen, der mich dazu brachte, das Gesicht zu verziehen.
Nicht den Guten.
Sondern den, den man sofort wieder loswerden wollte, weil er – je länger er blieb – nur unangenehmer wurde.
„Call you later", sagte Emma hektisch und legte sowohl ihr Smartphone als auch ihre Tasse hastig auf den Boden, bevor sie wieder direkt vor mir stand und ihre Hände panisch an meine Brust legte, „Fuck man. Kann ich irgendwas machen?"
Mit zusammengekniffenen Augen trat ich einen Schritt nach hinten.
„Stop touching me!", ich zog den Stoff, den Emma gerade noch an mich gedrückt hat, von meiner Brust ab, „don't do that!"
„Oh fuck!", sie biss sich auf die Unterlippe, verzog das Gesicht und hob fragend die Schultern, „kann ich? Irgendwas? Entschuldige!"
Etwas verloren sah ich mich um und zog kurzerhand den Pullover über den Kopf.
Während meiner sportlichen Hochphase hatte ich immer Wechselklamotten in einem der Schränke gebunkert, damit ich mit den Sportsachen nicht in ein Meeting musste – wenn ich denn eines hatte. Irgendwann hatten wir aber die Büros hin und her getauscht und die Schränke verschoben.
Die Frage war also nur, wo genau ich suchen musste.
Ich sah an mir herunter und sah die errötete Stelle, auf der vor einigen Momenten noch Kaffee gewesen war.
„Warte warte warte", Emma hob beide Hände vor mir in die Luft und ging einige Schritte zurück, „nicht bewegen!"
Kurz fragte ich mich, wo ich denn in diesem Aufzug hingehen sollte, außer zu einer PETA-Veranstaltung.
Kein Pelz für den Haber!
Ja.
Und keinen Kaffee mehr für Emma.
Die – wie mich wunderte – völlig entspannt schien, obwohl sie mich hier angetroffen hatte. In Anbetracht der Tatsache, dass sie mich verbrüht hatte und wir den Deal hatten, dass wir uns nicht über den Weg laufen würden. Ich hatte mich mental auf etwas anderes als Panik vorbereitet. Etwas, was in Richtung „was machst du hier, du dummes Arschloch?" ging. Stattdessen wirkte sie überrascht und erschrocken zugleich. Und jetzt sogar fürsorglich.
Das verunsicherte mich etwas und ließ mich stutzig werden.
Holte sie jetzt irgendeinen Hammer, den sie für den Fall der Fälle unter ihrem Schreibtisch gebunkert hatte?
Noch immer stand ich halb im Flur zwischen den Büros, als Emma schnell aus ihrem zurückkam und eine kleine rot-gelbe Tube in der Hand hielt.
„Fenistil", sie grinste und drehte den Deckel ab, „notfallmäßig."
Sofort quetschte sie den letzten Rest der Tube auf ihren Zeige- und Mittelfinger, kam näher auf mich zu und strich ohne Zögern ganz vorsichtig über die roten Stellen auf meiner Brust.
Ein Blitz durchfuhr meinen Körper, als mich ihre Finger berührten.
Ok.
Das war vollkommen surreal.
Und absurd.
Was tat sie da?
Mir war die Situation fast ein wenig unangenehm.
So sehr ich auch ihre Berührungen genoss.
„Scheiße man", Emma klang besorgt und sah zu mir hoch, „es tut mir voll leid. Ich wusste nicht, dass jemand hier ist."
„Me", fing ich an und bemerkte, dass ich mich ganz dringend räuspern musste, „me too. Ich habe meine Schlussel vergessen. Fur die car."
„Ich", Emma sah mich an, „nicht."
„Yes", ich grinste etwas verstört, „sonst du wärst nicht hier maybe."
„Ja."
Und dann schwiegen wir uns ganz unangenehm an.
Oh man.
Es wäre schöner gewesen, wenn Emma mich angeschrien hätte.
Aber so konnte ich auch nicht nur einen einzigen ihrer Gedanken erahnen.
Hass schloss ich – zumindest im Augenblick – aus, da sie mich nicht mit noch mehr heißem Kaffee übergossen hatte.
Als Emma mit dem Eincremen fertig war, trat sie einen Schritt nach hinten und legte den Kopf schief.
„Sorry", sie biss sich auf die Unterlippe und kniff ein Auge schmerzverzerrt zusammen, „ich würd gerne sagen, dass das nicht mehr vorkommt, aber wenn du immer hier herumschleichst, kann..."
„Dann du kannst nicht ausschließen?", unterbrach ich Emma.
Ich liebte ihren Sarkasmus.
Sie zuckte mit den Schultern.
„Ich denke nicht, nein."
Ich grinste, bückte mich und streckte Emma sowohl ihr Handy als auch die leere Tasse entgegen.
„Warum bist du hier? Eigentlich? So spat?"
„Ich hab gearbeitet", sofort nahm sie die Tasse entgegen und drehte sie auf den Kopf, so dass die Öffnung nach unten zeigte, „wird Zeit für ein neues Heißgetränk. Willst du auch?"
Die Frage schien aber eher rhetorischer Natur gewesen zu sein – denn eine Antwort meinerseits hatte sie gar nicht erst abgewartet. Im Gegenteil: Emma schob sich schnurstracks an mir vorbei und ging in die Küche.
Ich nutzte den Augenblick, ging in Mikkos Büro und fand meinen Schlüssel nach kurzer Zeit auf der schmalen Fensterbank, auf der auch eine vertrocknete Aloe Vera-Pfllanze stand.
So schlecht sah ich glücklicherweise nicht aus. Weder angezogen noch nackt.
Und plötzlich fühlte ich wieder kleine Blitze an der Stelle, an der Emma mich vorhin berührt hatte.
Als würden sie Kämpfe miteinander austragen.
Es war nicht unangenehm gewesen – es war eher das gewesen, was ich gewollt hatte.
Worauf ich lange gewartet hatte und was ich mit Füßen getreten hatte.
Und dennoch spürte ich, dass mir diese kleinen Stromschläge im Nachhinein unfassbar wehtaten. Weil ich wusste, dass ich sie so nie wieder spüren würde. Das warme Gefühl würde eine Weile bleiben. Bis sich ein schwerer Schatten darüberlegen würde und alles Glück, all die Hoffnung, im Keim erstickte.
Ich rieb mir müde die Augen und vergrub den Kopf kurz in meinen Händen.
„Ich glaube, in dem Sideboard sind noch Merch-Shirts von euch", hörte ich Emma plötzlich hinter mir, „vielleicht nicht in deiner Grüße, aber so müsstest du nicht nackt raus."
„I take a look, dankeschon", meinte ich immer noch von ihr angewandt.
Mein Kopf fuhr Achterbahn.
Ich wusste nicht, warum ich mich jetzt so genierte und mich nicht umdrehen wollte.
Jedenfalls hatte ich ganz offensichtlich darauf gewartet, dass Emma wieder an ihren Schreibtisch ging, damit ich mich alleine durch den Schrank wühlen konnte.
„Ich hab dich schon nackt gesehen?", sagte sie plötzlich fragend, „was ist?"
„Ich hatte eine Idee fur eine Song, sorry", gab ich kopfschüttelnd zurück, drehte mich schnell um und kniete mich dann vor das Sideboard, um nacheinander Hoodies und Shirts herauszufischen.
„Öhm, okaaay", hörte ich noch, bevor Emma über den kurzen Flur in ihr Büro ging.
Ich nickte nur.
Unmöglich konnte ich ihr jetzt in die Augen sehen.
Keine Chance.
Zu gern hätte ich gewusst, was in ihrem Kopf vorgegangen war.
Hasste sie mich noch immer?
War ich für sie noch immer nicht therapierbar?
War ich für sie noch immer der Junkie, der sein Leben nicht auf die Reihe bekam?
„Hell", stieß ich hervor, als ich das größte Ladiesshirt über den Kopf zog, das für mich dennoch zu klein war.
„Fündig geworden?", Emma lehnte an der Tür und musterte mich.
„What?", ich zupfte an dem Stoff und zog anschließend die Arme hoch, so dass das Herunterziehen vorher überhaupt nichts gebracht hatte.
„Zu klein, oder?", ihre Mundwinkel zuckten.
„No", ich zog den Bauch ein und ließ die Schultern hängen.
„Ich hab Paulus' Pullover hier."
Was sollte ich mit dieser Aussage anfangen?
Sie glaubte doch nicht im Ernst, dass ich den Pullover von dem blöden Fußballheini anzog?
„Wenn du willst", fuhr sie fort, „kannst du den anziehen. Kannst ihn ja dann bei Gelegenheit wieder hier hin bringen."
„Weil du bist often hier, I know", versuchte ich die Situation zu überspielen.
„Na ja", Emma zuckte mit den Schultern, „das macht sich halt nicht von selbst."
„Danke", ich machte eine betende Handbewegung, „danke, dass du all diese things machst."
Wieder zuckte Emma mit den Schultern.
„Wenn ich Mikko damit helfen kann – warum nicht."
„Yes, why not", ergänzte ich nickend und beschwor damit wieder eine unerträgliche Stille zwischen uns herauf.
Aber immerhin hatte ich den Fußball-Gott-Hoodie damit aus dem Weg geräumt.
„Ok", sagten wir gleichzeitig, als ich anfing, nervös meine Hände zu kneten.
Und ich sah ein echtes Lächeln über Emmas Gesicht huschen.
Und ich sah, wie sie sich schämte, weil ich es gesehen hatte.
Denn plötzlich schaute sie verlegen zu Boden.
„Hast du gegessen?", wollte ich wissen.
„Heute Abend?", sie sah mich an.
Und hatte die schönsten Augen die ich je gesehen hatte.
Haber, du dummer dummer dummer Idiot.
„Als eine Danke fur deine", ich klopfte mir leicht auf die Brust und verzog das Gesicht, „Hilfe."
„Schon gut", sie winkte ab, „ich hab noch einiges zu tun."
„Aber du bist hungry", schlussfolgerte ich und legte den Kopf schief.
„Nein, schon gut", Emma ging zurück in ihr Büro und kam keine 30 Sekunden später mit dem Creme wieder, „bei Bedarf."
Wie gerne hätte ich sie gefragt, ob ich sie dafür anrufen kann. Und als hätte es nicht gereicht, dass es mir auf der Zunge lag, sagte Emma lächelnd: „Und nein, das kannst du selbst."
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Handprints
Fanfiction"[...] Und dabei sah ich aus wie der letzte Höhlenmensch. Hose und Shirt von gestern, das Shirt zusätzlich verknittert, die Haare nicht gemacht, Speiseeisflecken mit Schokoladenstückchen auf meiner Jacke. Zum Glück hatte ich keine frischen Klamotten...