Verzweiflung

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Ich hörte das ganze Wochenende über nichts von Raban. Es war merkwürdig, aber vielleicht brauchte er auch einfach Zeit zum Nachdenken, aber worüber? Hm...Da wollte ich lieber nicht drüber nachdenken.

Am Montag ging ich mit Bauchschmerzen zur Schule. Ich wusste nicht, was auf mich zukam. Ob sie mich wieder fertig machten, oder ob sie mich ausnahmsweise mal in Ruhe ließen, was ich eher weniger glaubte, aber eine gewisse Hoffnung bestand trotzdem. Heute fuhr ich mit dem Bus, da ich keine Lust auf nochmal platte Reifen hatte. Am Schultor sah ich die "Gang" schon stehen und musste damit rechnen, dass sie mich wieder aufhalten würden um mich fertig zu machen. Aber halt. Da stand Raban. Vielleicht hatte er seinen Kumpels gesagt, dass sie mich in Ruhe lassen sollten. Ich irrte mich gewaltig.

Als ich an ihnen vorbei laufen wollte, stellten sie sich mir in den Weg. ,,Na, wohin denn so eilig?", sagte die Blonde mit einer höhnischen Stimme. Ich wusste, dass ich sofort eingeschüchtert wirkte, denn das war ich auch. Ich sah hilfesuchend zu Raban, aber der hatte genauso einen grimmigen Gesichtsausdruck auf wie die anderen. ,,Was wollt ihr von mir?", fragte ich ängstlich. ,,Wir wollen, dass du wieder abhaust! Du gehörst hier nicht hin!" Ich schluckte. Sie machten mir gerade klar, dass ich eigentlich keine andere Wahl hatte, als die Schule zu verlassen, wenn ich Frieden haben möchte. Würde ich hier bleiben, würde ich niemals in Ruhe gelassen werden. Wie sollte ich bloß meinem Vater erklären, dass ich die Schule wechseln wollte? Will ich ja noch nicht mal, aber ich muss! Ich versuchte nocheinmal mein Glück bei Raban: ,,Raban, jetzt hilf mir doch!" Das blonde Mädchen sah zu ihm und dann wieder zu mir. ,,Du meinst der hilft dir? Nur weil ihr mal zusammen wart? Oh mann, bist du naiv!" Raban sagte nichts. Keine Reaktion. Wie konnte er mich nur so hängen lassen?

Ich wollte an der Gruppe vorbei gehen, aber noch immer hielten sie mich fest. ,,Ey, hast du mich gerade eben nicht verstanden? Sprech ich irgendwie undeutlich oder was? Du sollst verschwinden!" Oh man, was sollte ich denn jetzt bloß tun? Warum half mir denn keiner? Die ganzen Schüler mussten doch sehen was hier abging. ,,Jetzt lass mich durch!", rief ich. Ich wollte mich nicht nieder machen lassen. Mir sagten so viele, ich sei ein starkes Mädchen. Jetzt musste ich dieses starke Mädchen auch mal zeigen und es mir nicht nur gesagt lassen. Eine weibliche Anhängsel sagte: ,,Du Monika, ich glaub die Klene will es wirklich wissen." Monika, so hieß die Anführerin also. Diese lächelte boshaft und trat näher an mich ran. ,,Ach ja. Du willst dich also prügeln, ja?!" Sie schubste mich nach hinten. Jetzt bekam ich sofort wieder Schiss. ,,Nein, nein. Ich will doch einfach nur in die Schule." Wieder schubste sie mich. ,,Ach, aufeinmal sind wir doch so klein? Vergiss es!" Bevor ich reagieren konnte, haute sie mir eine drüber. Sofort spürte ich den Schmerz an meiner Nase und Oberlippe. Es tat höllisch weh und ich hätte am liebsten vor Schmerzen geheult, aber das durfte ich nicht. Das würde das Schlimmste sein, was ich jetzt machen konnte.

,,Hey, lasst Ronja in Ruhe!", rief eine mir bekannte Stimme. Nicholas. ,,Was soll das Monika?", fragte er empört, als er mich sah. Ich bemerkte das warme Blut, welches mir über die Lippe lief. Ich wusste nicht, ob es Nasenbluten war, oder ob meine Lippe aufgeplatzt war. Monika sah vom Gesichtsausdruck plötzlich ganz anders aus. Sie lächelte freundlich und blinzelte ihn an. ,,Ach nichts. Wir mussten nur was klären." ,,Ja klar. Deshalb gibst du ihr auch eins auf die Nase. Geh!" Monika sah ihn unschuldig an. ,,Ach was kann ich denn dafür, wenn die so blöd ist und nicht auf uns hört?" Bevor Nico was darauf antworten konnte, klingelte es. Die Gang zischte ab. Der Junge blieb bei mir. Ich versuchte mit meinen Händen das Blut etwas zu stoppen, aber meine Hände waren nach kurzer Zeit schon selbst voller Blut. Oh nein. Und ich kann kein Blut sehen. Mir war es egal, wie die Situation gerade zu Nicholas war. Ich sagte zu ihm: ,,Bitte, du musst mir schnell helfen. Bring mich zur Krankenstation. Ich merke, wie mein Kreislauf zusammen bricht. Ich kann kein Blut sehen." Sofort legte er einen Arm um mich und wir liefen sofort los. Ich sah schon die ganzen schwarzen Punkte. Nein, bitte nicht. Mir war schwindelig. Plötzlich blieb Nico stehen. Was wollte er jetzt? ,,Ronja, was ist mit dir?" Ich konnte nicht antworten. Ich merkte, wie ich in die Beine zusammen sackte. ,,Pass auf. Hier im Flur ist keiner mehr. Ich lege dich auf den Boden und heb deine Beine an. Das wird deinen Kreislauf wieder in Schwung bringen." Ich hörte nur noch seine Stimme. Er ließ mich langsam auf den Boden gleiten. Dann nahm er meine Beine und hielt sie hoch. Es dauerte eine Weile, aber nach einiger Zeit verschwanden die schwarzen Pixel und ich konnte wieder sehen. Ich sah den Jungen an. Der fragte mich besorgt: ,,Besser?" Ich nickte. ,,Ok, dann gehen wir jetzt weiter. Es ist nicht mehr weit." Er half mir langsam auf und wir gingen weiter.

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