Raban

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Ich wollte meinen Augen erst nicht trauen, doch es war tatsächlich Raban der da vor mir lag. Total benebelt wie es schien, doch ich wusste noch nicht wieso. Ich rüttelte an seinen Schultern. ,,Raban! Sag was!", doch er sagte nichts. Er gab, wie vorher auch, einfach nur komische Geräusche von sich. ,,Raban verdammt! Was ist mit dir?" Wie sollte ich diesem Jungen helfen, wenn er nicht mit mir sprach? Dann musste ich eben andere Maßnahmen ergreifen. Ich packte ihn an seiner Jacke und versuchte ihn hochzuziehen. Zumindest so, dass er saß. Nach einiger Anstrengung gelang mir das auch. Völlig aus der Puste hockte ich mich direkt vor ihm, doch er schenkte mir keinen Blick. Er schwankte mit seinem Oberkörper und sein Blick war auf das Gras gerichtet. Deshalb legte ich meine rechte Hand an sein Kinn und zog sein Gesicht in meine Richtung. ,,Raban, erkennst du mich?" Ich bekam keine Antwort. Stattdessen grinste er mich bloß an. Da kam mir ein strenger Geruch entgegen. Ich hielt mir mit der linken Hand die Nase zu. ,,Oh Gott, Raban! Du bist ja richtig betrunken!"

Was sollte ich nun bloß mit ihm machen? In diesem Zustand konnte ich ihn unmöglich alleine lassen. Egal, was er mir vorher angetan hatte. Ich durfte unsere Beziehung nicht vergessen, in der er immer für mich da war und alles für mich tat.

Ich kam aus der Hocke hoch und zückte mein Handy. Die Uhrzeit war bei 5:39 Uhr. Ich konnte Jimi jetzt unmöglich anrufen, der würde denken, es wäre sonst was passiert. Oder er würde sein Handy gar nicht erst hören, da er noch schlief.

Da fing Raban an zu husten und als ich wieder zu ihm blickte sah ich, wie er über dem Gras hockte und sich übergab. Verdammt, er brauchte Hilfe! Vielleicht wäre es doch besser den Krankenwagen zu rufen. Ich steckte das Handy wieder in meine Hosentasche und ging zu dem Jungen. ,,Raban?" Es war das erste Mal, dass sein Blick zu mir ging. Anscheinend hatte er sich wortwörtlich ausgekotzt. ,,Raban, ich glaube es ist besser wenn ich einen Rettungswagen rufe." Sofort schüttelte er den Kopf und versuchte aufzustehen, was ihm schwankend gelang. ,,Nein, nein. Nicht...keine Ärzte.", meinte er nur und sah mich dabei an. Da er wieder sprach schien es ihm besser zu gehen. Ich seufzte. Ich wusste doch selbst nicht, was das Richtige war. Jimi sollte mir bei der Entscheidung helfen.

Ich wählte also seine Nummer in der Hoffnung, dass er ran ging. ,,Hallo?", kam die verschlafende Stimme Jimis zu meiner Erleichterung von der anderen Leitung. ,,Jimi? Du musst mir helfen. Ich habe Raban gerade in der Siedlung angetroffen. Er ist sturzbesoffen und nicht in der Lage alleine nach Hause zu kommen. Kannst du kommen und mir helfen?" Es dauerte etwas bis eine Antwort von ihm kam, doch das verstand ich. Ich würde das auch nicht so schnell verstehen, wenn ich so aus meinen Schlaf gerissen werden würde.

,,Wo bist du denn?", kam dann von ihm. Ich antwortete ihm, dass er nur nach links in die Siedlung gehen müsste und er dann automatisch zu uns kam. Daraufhin meinte er, dass er das Auto nehmen würde und legte dann auf. Ich wandte mich also wieder zu Raban. ,,Jimi kommt her und bringt dich erstmal zu sich nach Hause. Morgen schauen wir weiter." Ich bekam nur ein Nicken von ihm, dann drehte er sich schlagartig um und übergab sich nochmal. Wie konnte er sich das selbst nur antun? Ich kannte ihn so überhaupt nicht. Alkohol war nie ein Thema. Ich hoffte einfach, dass Jimi bald kommen würde, da ich nicht wusste, wie ich mich in der Situation verhalten sollte.

Es dauerte eine viertel Stunde bis Jimi vor Ort war. Er stieg aus seinem Auto und sah genauso entsetzt aus wie ich, als er Raban sah. Dieser saß die ganze Zeit schweigend auf dem Asphalt und erholte sich von seiner Brechattacke. Jimi stellte sich vor seinen ehemaligen Kumpel und meinte nur: ,,Du Vollidiot." Raban nickte leicht. Dann hievten wir ihn gemeinsam hoch und stützten ihn auf dem Weg zum Auto. Ich setzte mich zu Raban nach hinten. ,,Pass auf, dass er mir nicht ins Auto kotzt.", meinte mein Freund und stieg dann ebenfalls ein. Als hätte er gerade echt keine anderen Sorgen. Es wurde nicht geredet während der Autofahrt und ich beobachtete Raban fast die ganze Zeit. Der schien das überhaupt nicht zu bemerken.

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