Wollte ich das? Ich könnte wieder zurück in mein Zimmer gehen und mich in mein Bett verkriechen, anstatt mich auf diesen Spaziergang einzulassen. Dort konnte ich allein sein und müsste nicht darüber reden. Ich müsste niemanden verletzen. Ich müsste einfach nur atmen und existieren. Das war um einiges einfacher. Ich stand gerade in der Mitte der Treppe und zögerte weiterzugehen. Die ersten Stufen war ich noch voller Elan und Zuversicht heruntergehüpft. Ich habe dabei sogar gelächelt und mich gefreut. Ich hatte mich seit langem wieder auf etwas gefreut. Doch mit jeder weiteren Stufe kamen immer mehr Zweifel und Angst nahm zu. Dann stand ich dort. Mitten auf der Treppe. Das Gedankenkarussell begann sich wieder zu drehen. Es könnte so viel schief gehen. Was passiert, wenn sie mich alleine lassen? Wenn sie mich nicht mehr mögen? Wenn ich sie zu sehr verletze? Aber war es eine Option sie weiterhin einfach anzulügen? Wobei das tat ich ja gar nicht. Ich verheimlichte nur ein kleines Detail über mich. Ok, es war schon eher ein großes Detail. Trotzdem war das keine Option für mich. Ich konnte es ihnen nicht weiter verheimlichen. Sie haben gesehen wie sehr mich etwas mitgenommen hat. Sie verdienen die Wahrheit. Ich werde es ihnen erzählen. Wenn ich warte mache ich alles nur noch schlimmer. Ich schaffe das! Das hoffte ich zumindest. Kaum hatte ich diesen Entschluss gefasst, überkam mich auch schon wieder die Nervosität. Ich fing an zu zittern und meine Knie wurden ganz weich. Ich schaffe das. Diesen Satz wiederholte ich tausendmal in meinem Kopf. Doch ich schaffte es nicht mich selbst zu überzeugen. Schnell atmete ich einmal noch tief durch, dann ging ich weiter. Ich hörte Stimmen von der Terrasse. „Ihr konntet sie wirklich dazu überreden?", fragte meine Mutter ungläubig, es klang fast schon schrill. Ich verdrehte meine Augen. Nur weil sie es selbst nicht geschafft hatte, war es kein Ding der Unmöglichkeit mich aus meinem Zimmer zu locken. Leider verstand ich nicht, was sie antworteten, denn beide redeten im Vergleich zu meiner Mutter leise und sie saßen mir abgewandt. Ich zog mir meine Schuhe an und ohne weiter darüber nachzudenken was ich tat, ging ich zu den anderen auf die Terrasse. Kurz, aber dennoch höflich begrüßte ich Michael. Dabei wich ich dem Blick meiner Mutter aus. Ich wusste noch wieso, doch in diesem Moment spürte ich so eine große Abneigung in mir, dass ich einfach nur noch wegwollte von ihr. „Ich wär dann so weit. Können wir los?", warf ich schnell in die Runde bevor jemand noch etwas sagen konnte. Zum Glück nickten beide Jungs und standen auf. Ich schloss gerade das Gartentürchen hinter mir, als meine Mutter mir noch etwas zurief und dabei auf mich zukam: „Sam, ruf mich an falls was sein sollte und pass auf dich auf. Bleibt nicht allzu lange weg."
„Mum!" Genervt drehte ich mich noch einmal um. Wie peinlich war das denn? „Ich habe mein Handy nicht dabei. Aber mach dir keine Sorgen! Es wird nichts passieren und ich kann auch gut auf mich selbst aufpassen!" Das sagte ich um einiges aufgebrachter, als ich es wollte. Als ich in ihre erschrockenen Augen sah, tat es mir sofort leid. Mittlerweile stand sie jetzt mir gegenüber. Gerade als ich mich abwenden wollte, hielt sie mich noch kurz zurück.
„Es tut mir leid, Haukea. Habt Spaß, ok?", versuchte sie mich zu beschwichtigen und zum Abschied gab sie mir noch einen kurzen, aber liebevollen Kuss auf die Stirn.
„Danke, Mum. Euch auch", sagte ich mit einem Nicken zu Michael und lächelte. Dann drehte ich mich um und ging los. Ich mied den Blick von Felix und Max. Irgendwie war mir die Situation mit meiner Mutter vor ihnen peinlich. Ich war froh, dass beide dies unkommentiert ließen, denn was sollte ich sagen? Erklären konnte ich das nicht wirklich, ohne ihn sofort alles zu beichten. Außerdem wusste ich doch selbst nicht woher diese Abneigung zu ihr herkommt. Mittlerweile bin ich mir sicher, dass etwas in der Vergangenheit vorgefallen war. Irgendetwas musste passiert sein. Doch ich kann mich nicht daran erinnern. Doch unterbewusst weiß ich es, das glaubte ich zumindest. Ich hoffe so sehr, dass Kendall etwas weiß. Sonst werde ich es nie erfahren.
„Wohin gehen wir?", fragte ich, um die Stille zu durchbrechen. Auf den ersten Metern herrschte zwischen uns eine fast unerträgliche Ruhe. Bei den beiden bin ich sowas nicht mehr gewohnt. Normalerweise plapperten sie immer. Doch jetzt? Wobei die Situation gerade war auch alles andere als normal.
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Memories
Teen FictionEs ist schon komisch, man schaut in den Spiegel und ein wildfremdes Mädchen starrt dich an. So geht es mir. Ich kann mich an nichts erinnern was in der Vergangenheit war. An nichts! Ich wünsche mir so sehr, mehr über mich und mein Leben und meine F...