Kapitel 9

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Für den Rückweg brauchten Mia und ich nicht so lange wie auf den Weg zur Schule. Wir fuhren einfach schweigsam nebeneinander her. Zum Glück war sie auch nicht gesprächig, denn nach den letzten beiden Stunden Geographie bin ich ohne richtigen Grund extrem ausgelaugt. Die Lehrerin war mir sofort unsympathisch. Ihre langsame Art zu reden ist so einschläfernd und ich hab mich mehrere Male dabei ertappt wie ich gedankenverloren durch das Fenster einen anderen Geo-Kurs beobachtete. An der Schule gibt es drei gleiche Gebäude, die parallel nebeneinander stehen und somit konnte man in die gegenüberliegenden Zimmer schauen. Es war irgendwie lustig zu zuschauen wer sich meldete und wer so wie ich nur aus dem Fenster schaute. Irgendwann hat mir jemand winkte mir jemand zu. Ich erkannte zuerst gar nicht wer das war. Das hat mich am meisten verwirrt. Erst später realisierte ich, dass es Leon war, der Freund von Felix mit der gescheiterten Beziehung. Und neben ihm saß ein anderer wie Felix. Beide waren genauso aktiv am Unterricht beteiligt wie ich, also überhaupt nicht. Es war irgendwie lustig die beiden „Tratschtanten" zu beobachten. Was gab es denn heute so viel zu bereden? Die ganze Zeit waren ihre Köpfe eng beieinander und ich konnte Felix Lippen, die sich fast ununterbrochen bewegten, sehen. Von Leon sah ich nur den Rücken, denn er saß am Fenster und beute ich zu Felix. Es sah sehr amüsant aus. Aber trotzdem zog sich diese Stunde ewig. Meine Sitznachbarin war zwar sehr nett, aber um einiges motivierter im Unterricht. Sie meldete sich andauernd. Woher nahm sie nur diese Motivation? Zu Hause angekommen, verkroch ich mich direkt in mein Zimmer, außer Mia und mir war auch niemand da. Ich machte etwas für die Schule, aber meine Motivation war sehr gering. Im Endeffekt verbrachte ich mehr Zeit damit in die Luft zu starren, als irgendwas zu machen. Aber welcher Lehrer gab bitte am ersten Schultag schon Hausaufgaben auf? Der Langer, wer sonst? Meine Abneigung gegen ihn wächst gewaltig. Irgendwann gab ich es endgültig auf und beschäftigte mich mit meinem Handy. Ich hatte auf Facebook drei Freundschaftsanfragen. Etwas überrascht rief ich die App auf. Die erste war von Felix Silberbauer. Auf dem Profilbild grinste mich der grünäugige Junge von heute Morgen an. Sofort bestätigte ich seine Anfrage. Ich konnte es mir nicht entgehen lassen, seine Bilder gleich anzuschauen. Und das waren nicht gerade wenig. Ich bin so ein Stalker! Besseres habe ich gerade aber nicht wirklich zu tun... Na klar könnte ich etwas lernen. Könnte... Konjunktiv an falscher Stelle. Auf jedem einzelnen Bild hatte er dieses extrem süße Lächeln, das mir heute auch direkt aufgefallen ist, und genauso wie seine Augen. Er sah auf jedem Bild irgendwie immer perfekt aus. Ich weiß aber nicht ob ich das gut finden sollte oder eher als Zeichen von Selbstverliebtheit? Irgendwann packte ich die Neugier, wer mir doch noch eine Freundschaftsanfrage geschickt hatte. Es war Max. Auch ihn nahm ich an, obwohl ich eigentlich von seinem Verhalten in der Schule echt enttäuscht bin, aber ich kann es ihm nicht übelnehmen, ich war ja auch nicht besser. Er hätte mich aber wenigstens grüßen können. Das ist doch nicht zu viel verlangt oder? Seine Bilder interessierten mich nicht wirklich. Vielleicht gehe ich später mal die Bilder durch. Deswegen schaute ich sofort nach der dritten Person, die ich aber nicht kannte. Kenny Winnaman. Ich hab keine Ahnung wer das ist. Aus der Schule kenne ich sie sicher nicht, dieser Name wäre mir bei der Vollversammlung sicher aufgefallen. Sie hatte mir sogar eine Nachricht geschickt. Hey Sam! Where are you? We miss you!!! Wer ist das? Woher kennt sie mich? Ich schrieb ihr sofort zurück, wer sie ist. Erst dann fiel mir auf, dass das auf Englisch geschrieben wurde. Dann ging mir erst ein Licht auf. Vielleicht war sie eine Freundin von mir? Das war sehr wahrscheinlich! Oder sie hat mich verwechselt? So selten war mein Name jetzt auch nicht, vor allem nicht in den USA. Etwas nervös schaute ich mir ihre Bilder an. Sie hatte richtig viele. Selfies, Landschaftsbilder, Bilder mit Freunden und mit mir. Moment... mit mir? Bei einem Bild blieb ich stehen. Man konnte sie sehen mit einer Gesichtsmaske und neben ihr war eine andere Person, ebenfalls mit einer weißen Maske. Man konnte nur die Hälfte der Gesichter sehen. Aber die eine sah aus wie ich. Das waren meine Haare und meine Augen. Darunter stand: Miss u! Das konnte nur eine Freundin sein. Zufall ist das alles jetzt sicher nicht mehr. Wenn sie mir doch antworten würde! Wenn sie wie ich aus Hawaii ist... ist bei ihnen Nacht! Die Zeitverschiebung beträgt 12 Stunden. Toll, dann muss ich wohl oder übel bis heute Abend warten. Leicht enttäuscht legte ich mein Handy zur Seite und starrte an die Decke. Immerhin war ich meiner Vergangenheit einen großen Schritt näher gekommen. Ich hoffe nur, dass ich mich nicht irre und mir schon wieder zu große Hoffnungen machte. Dann klopfte es plötzlich an der Tür. Ich erschrak und richtete mich dabei auf. Julia kam in das Zimmer. Erstaunt schaute ich sie an, ich hatte gar nicht mitbekommen, wie sie gekommen ist. Was wollte sie von mir?

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