"Wann darf ich wieder mit ihnen rechnen Miss?", frage Mary Rachel, die schon fast aus der Hintertür verschwunden war. "Ich bin um 16 Uhr zum Tee wieder da Mary", versprach Rachel schnell und zog auf Marys nicken hin die Holztür zu. Mary war eine der Diener von Rachels Familie. Sie wollte heute unbedingt zu Mrs Berry, die in der Bäckerei bestimmt schon auf sie wartete.
Mr und Mrs Berry gehörten zu den Menschen in Anvery, einer kleinen Stadt, die zu Richmonds Bezirk gehörte. Das Ehepaar führe eine Bäckerei, in der Rachel des Öfteren mithalf. Zwar sahen ihre Eltern das nicht so gerne, wenn sie sich bei den Dorfbewohnern aufhielt, doch die Berrys hatten ein vorzügliches Talent in Sachen Backen, deswegen war ihr Vater ein guter Abnehmer der Backwaren. Rachels Vater, der Herzog von Sunderland war ein großzügiger Mann, der den Bürgern von Anvery mehr Freiheiten erlaubte als Andere in seiner Position.
Sie wollte grade die Tür schließen, da sah sie ihre Freundin Jane. Sie nickte Jane, der Zofe ihrer Mutter kurz zu, die an ihr vorbei ins Haus ging. Die beiden Mädchen waren sehr gut befreundet und Jane ging wenn sie frei hatte gerne mit Rachel nach Anvery. Nun schlug sie aber einen strammen Schritt an und ging auf das kleine Tor des Südflügels des Schlosses zu. Das Mädchen ließ ihren Wohnort hinter sich und folgte einem breiten Waldweg in Richtung Anvery. Während sie die Hufspuren in der Erde betrachtete hörte sie schon das Rauschen des Flusses Wear, der durch die Stadt führte.
Einige Minuten später überquerte Rachel die Steinbrücke und näherte sich der Bäckerei und blickte sich erstaunt um. In der Stadt war so viel los wie schon lange nicht mehr. Sie sah viele Gesichter die ihr fremd vorkamen. Überall standen und saßen Männer in Uniformen rum, die einen Amerikanischen Akzent hatten. Da kam ihr Mrs Berry entgegen. "Rachel mein Engel, ein Schiff der US-Marine ist in Richmond angekommen, die ganzen Soldaten sind schrecklich ausgehungert. Sie kaufen mir hier den ganzen laden leer.
Sei so gut und hilf mir bei Verkaufen, ja?" Sie griff nach Rachels Arm und zog sie in die Bäckerei. "Na klar, dafür bin ich doch gekommen", konnte Rachel noch sagen, bevor ihre Stimme im allgemeinen Gewirr unterging. "Meine Güte, so viel Kundschaft hatten wir die ganze letzte Woche nicht", rief Mrs Berry ihr zu. Rachel schätzte die Besatzung auf Rund 50 Mann. War denn jeder Einzelne vom Schiff hier in der Bäckerei vorbeigekommen? Warum ging denn niemand zum Metzger oder zum Geschäft der Taylors?
Sie schob den Gedanken beiseite und blickte zu Mrs Berry. "Wo fange ich an Mrs Berry?", fragte Rachel. Normaler Weise lief ein Besuch bei den Berrys so ab, dass Rachel auf einem der Tische saß und Mr Berry beim Zimtschnecken backen zusah und ab und zu Mrs Berry beim Verkaufen unterstützte. Sie war ein bisschen überfordert und war nun gespannt auf was sie sich heute einlassen würde.
Nachdem sie zwei Streuselkuchen an einen Tisch mit uniformierten Männern gebracht hatte, schickte Mr Berry sie an die Kasse. Dort wartete schon Mr Bingley auf sie. "Guten Tag Mr Bingley, was kann ich für sie tun?", begrüßte Rachel den Vater ihrer Freundin Jane. "Hallo Rachel, bitte gib mir doch fünf von euren Zimtschnecken!", er legte 10 Pfund auf die Tischoberfläche. "Sehr gerne!", Rachel nahm ein Tuch und platzierte 5 Zimtschnecken in einer Papiertüte. Als diese verschlossen war legte sie den Schein sorgfältig in die Kasse der Berrys.
Sie freute sich immer noch darüber, dass sie heute schon zu viel helfen konnte, da klingelte die Türglocke ein weitetes Mal. Herein trat ein großer, breitschulteriger Mann. Er hatte ein nachdenkliches Gesicht und sein Gesichtsausdruck war konzentriert. Er trug eine Uniform und war ganz deutlich ein Leutnant Commander. "Tag Commander!" Ein ungefähr ähnlich großer, älterer Mann stand auf und gab dem Leutnant freundschaftlich die Hand. "Hallo Watsworth! Ich sehe du hast dich auch hierhin verirrt?" Dieser grinste schief. Nachdem sie ein paar Informationen ausgetauscht hatten, die Rachel nicht ganz verstehen konnte, drehte er sich um.
Dann schritt der Leutnant weiter, auf der Theke zu, hinter der Rachel stand. Diese hatte die Szene mitverfolgt und konnte nun endlich das Gesicht des Staboffiziers besser betrachten. Er hatte dunkle Augen wie dunkles Haar, welches in einer ordentlichen Frisur mit leichten Wellen nach hinten gekämmt war. Markant war sein ausgeprägter Kiefer und die feinen Grübchen um seine Mundwinkel. Rachel schätzte ihn auf ungefähr 25. Komisch, dass so ein junger Mann schon Leutnant Commander ist, dachte sie sich. Doch dann betrachtete sie ihn weiter. Ihr viel auf, das ihr Gegenüber sie auch musterte. Er warf ihr einen fragenden Blick zu. Rachel sah ihn neugierig an. Was ihn wohl beschäftigte. Der junge Mann öffnete grade seinen Mund um etwas zu sagen, da ertönte eine Stimme von hinten.
Hi, schön, dass du dich auf das erste Kapitel eingelassen hast. Ich verspreche dir, dass es noch spannender wird und die Story sich weniger ziehen wird. Was sagt ihr bis jetzt zu den Anfang? :)
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Mein amerikanischer Gentleman
Historical FictionFrühling 1813, Großbrittanien, Sutherland. Die 18-jährige Britin Rachel Russell ist die Tochter des Herzogs von Sutherland. Da sie lieber in einfachen Verhältnissen leben möchte, verbringt Rachel auch in Zeiten des Kriegs viel Zeit im Dorf. Dort...