(Robert Wilstons Sicht)
"Oh weh", seufzte Robert Wilston, nachdem Rachel in einigen Sätzen ihr Malheur zusammen gefasst hatte. Die Schlüssel könnten überall sein, allerdings war an Deck die Wahrscheinlichkeit, dass der Zimmerschlüssel ins Meer gefallen war die Beste Möglichkeit. Falls jemand des Schlüssel gestohlen oder gefunden hatte, könne er unbemerkt in Rachel Russels Suite gelangen und das bereitete Robert Sorgen. Der Sekretär überlegte fieberhaft, wie er Rachel in Sicherheit wägen, den Schlüssel finden und das Problem ohne viel Drama vom Tisch kriegen könnte. Wenn doch nur der Herzog da wäre, dachte er, dann gäbe es sofort einen guten Plan.
"Ok wir machen es so Rachel", sagte er schließlich und schloss die Tür seiner Suite auf. "Sie halten sich in meinen Räumen auf, während ich nach dem Schlüssel suche. Wenn er nicht draußen ist, gebe ich dem Personal Bescheid und notfalls lassen wir ihr Schloss austauschen".
Wilston konnte Rachel ansehen, dass sie nicht darüber nachgedacht hatte, dass man bei ihr einbrechen könnte, wenn jemand ihren Schlüssel fand. Etwas blass um die Nase nickte sie erst zögerlich, dann fester. "Gut", sagte sie und schlug die Hände entschlossen zusammen. Dann schlüpfte die junge Dame unter Robert Wilstons Arm in die Suite, dann schlug die Tür zu. Die Malsachen lagen noch auf dem Flur.
***
Mit langen Schritten lief Wilston zurück in den Eingangsbereich für die Gäste der Golden Eagle. Er hatte sich von Rachel die Stelle beschreiben lassen, wo sie gesessen hatte und der mysteriöse O'Connor sich zu ihr gesellt hatte. Der Sekretär war gespannt, ob er den Mann in den knappen 3 Wochen der Reise jemals sehen würde. Dann musste er an Rachel denken, die völlig verwirrt war, als er an der Tür der Suite 146 geklopft hatte, um ihr ihre Malutensilien zu geben. Ein schmunzeln glitt ihm über die Lippen. Sie war aber auch ein so unterhaltsamer Mensch!
Auf dem Achterdeck angekommen zog er den Kragen seines Mantels enger, da der Wind ihm sofort um die Ohren peitschte. Obwohl er nach wenigen Schritten durchnässt war, suchte er das große chaotische Deck ab.
(Rachels Sicht)
Triefend nass kam Mr. Wilston in seiner Suite an, wo Rachel schon auf ihn gewartet hatte. Schnell nahm sie ihm seinen durchweichten Mantel ab und eilte ins Bad, um ein Handtuch zu holen. Während der Brite sein Gesicht abtrocknete erzählte er, was passiert war. "Auf dem ganzen Deck stand mindestens ein Zentimeter Wasser und der Schlüssel war weit und breit nicht zu sehen. Ich habe dann einen Bootsmann aufgesucht, der für die Passagiere zuständig ist und das Schloss deiner Suite wird ausgetauscht werden", fasste ihr Begleiter zusammen.
Es wurde ausgemacht, dass Rachel schon einmal ins Restaurant gehen sollte und Mr. Wilston nachkommen würde und das war vollkommen ok für die junge Dame. Erfreut, weil sie nicht mehr warten musste, suchte sie sich anhand der Schilder den Weg ins Golden Restaurant. "Auf wessen Namen haben sie gebucht, Miss?", leierte der Schiffsjunge herunter, der sie zum Platz führen sollte. "Wilston. Zwei Plätze. Allerdings kommt meine Begleitung nach", sagte Rachel.
"Oh, dann sind sie Lady Russel, entschuldigen sie mich, Mylady", sagte der Schiffsjunge, wurde rot und machte schnell einen angedeuteten Diener. Diese machte eine wegwerfende Bewegung mit der Hand und folgte dem Jungen eilig. Ihr war die Situation auch nicht angenehmer, vor allem weil ein Paar am nächsten Tisch sie interessiert anstarrte.
***
Der Schiffsjunge brachte sie zu einem der gläsernen Tische, die mit bunten gepolsterten Sesseln umstellt waren. Auf dem Sessel, gegenüber Rachels Platzkarte saß eine Frau, die sie auf Mitte 40 schätzte. Sie hatte graues lockiges Haar und eine riesige Haube auf dem Kopf, welche zu ihrem geblümten weißen Kleid gut passten. Neben ihr saß ein kleiner Junge in einem ordentlich geknöpftem Hemd, welcher vermutlich ihr Sohn war. "Guten Tag, ich bin Lady Tiffany Gregor und das ist Jeremy Gregor", stellte sie sich und den kleinen Mann vor. Dieser versteckte sich scheu und rutschte immer weiter unter die Tischplatte. Der Britin fiel die melodische Stimme der Lady sofort auf, wenn sie auch ihren russischen Akzent nicht mochte.
Auch Rachel stellte sich vor und Lady Tiffany schlug vor, es sich nicht so förmlich mit Nachnamen anzusprechen, was Rachel nur recht war. Während die Herzogstochter genüsslich ihre Vorspeise aß erzählte Lady Tiffany einiges aus ihrem Leben und Rachel erfuhr, dass Jeremy der Sohn ihres Bruders war, den sie mit nach Florida nehmen sollte. Nach einiger Zeit kam auch Mr. Wilston frisch umgezogen und sie bedauerte, dass sie sich nichts schickeres anziehen konnte. Außerdem überreichte ihr Begleiter der Britin ihren neuen Schlüssel für die Suite.
Dabei stellten sie fest, dass Lady Tiffany und Jeremy nur einen gang weiter wohnten, in der Suite 130. Als sie dann auch aufgeklärt hatten, dass sie kein Paar seinen war das Essen für Mr. Wilston und Rachel auch schon fast beendet. Erfreut, eine weitere Bekanntschaft gemacht zu haben, winkte sie Kennet O'Connor zu, der auf der anderen Seite mit einem anderen Herren gegessen hatte. Dieser lächelte freundlich, doch verschwand dann, hektisch mit seinem Freund redend, aus der Tür, grade als sie Lady Tiffany und Mr. Wilston auf ihr aufmerksam gemacht hatte. Da ging ihr ein Licht auf...
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Mein amerikanischer Gentleman
Historical FictionFrühling 1813, Großbrittanien, Sutherland. Die 18-jährige Britin Rachel Russell ist die Tochter des Herzogs von Sutherland. Da sie lieber in einfachen Verhältnissen leben möchte, verbringt Rachel auch in Zeiten des Kriegs viel Zeit im Dorf. Dort...