Rachel drehte sich um. Hinter ihr stand ein Soldat, der sie freundlich ansah. "Oh ja, danke sehr", Rachel gab dem Mann erleichtert ihre Last. Dieser nahm sie, als wäre es ein Sack Federn. "Was ist denn da drin Miss, wenn ich fragen darf?", wollte der Soldat wissen. "Da sind Hygieneartikel drin, meine Freundin Jane und ich sind mit ihrem Vater aus Anvery gekommen und Mr Taylor hat anscheinend für sie alle eine Bestellung aufgegeben", reimte sich Rachel zusammen. Sie war froh, endlich den schweren und unhandlichen Sack los zu sein. Aber wo war Jane überhaupt? Und wo war Mr Bingley? Sie sah sich suchend um. Dann bemerkte sie, dass auch andere Soldaten mit angepackt hatten, um die Milchkanister ins Hauptzelt zu tragen. Jane konnte sie am Eingang erkennen. Sie redete mit einer Frau, die Rachel vom Sehen kannte, aber nicht genau einordnen konnte. Dann bemerkte Rachel, dass ihre Begleitung sie fragend ansah. "Äh, wie bitte?", sagte sie schnell und lächelte verlegen. "Ich fragte, ob sie auch hier aus dem Dorf stammen", sagte der Soldat und sie bemerkte, dass er seine Frage zum zweiten Mal stellte. Rachel schob eine Strähne hinters Ohr, die ihr ins Gesicht gefallen war. "So ungefähr, ich wohne wenige Minuten zu Fuß von Anvery entfernt". Sie sagte bewusst nicht, dass ihr Vater der Herzog von Sutherland war. Rachel mochte es nicht, nach ihrem Vater beurteilt zu werden. Sie wollte viel lieber wie Jane als eines der Mädchen aus dem Dorf gelten, jedoch musste sie nicht, wie die anderen, schon arbeiten. Ich arbeite ja eigentlich inoffiziell bei den Berrys, dachte sie sich. Sie betrachtete kurz die Wear, die sich am Lagerplatz entlang schlängelte. Grade fuhr ein Angler auf einem Kanu ähnlichem Boot vorbei. Sie schmunzelte.
"Und sie stammen vermutlich auch aus Amerika?", fügte sie hinzu. "Ja, ich bin dort wie mein Vater geboren, meine Mutter kommt aus Kanada". "Na dann sind sie ja alle weit gereist", antwortete Rachel. "Das kann man wohl sagen", lachte der Soldat. Die Beiden waren jetzt am Zelt angekommen. "Nach ihnen", nickte der Soldat höflich und ließ Rachel vor ihm eintreten. Sie nickte ihm dankbar zu. "Wo tun wir den Inhalt am Besten hin Mr. ...?" "Sagen sie einfach Admiral Johnson. Und ich glaube, wir verteilen unsere Ausbeute direkt auf die Zelte. Wenn sie so freundlich sein würden mir zu helfen?" Rachel nickte. "Natürlich Admiral". Dieser lief auch direkt zielstrebig auf das erste Zelt zu. "Frank, hallo. Was braucht ihr an Nachschub für Hygieneartikel?" Er sah in den sack hinein. "Wir hätten Seife, Zahnbürsten, Pflaster, Kopfschmerztabletten und so weiter". Frank wählte eine Tube Zahnpasta und ein Deo aus, dann bedienten sich auch seine Zeltkameraden. Am nächsten Zelt waren Admiral Johnson und Rachel weniger erfolgreich. "Wir haben noch alles, danke sehr", sagte einer der Männer zu den Beiden. "Sehr sparsam!", kommentierte der Admiral grade, da wurde er von hinten gerufen. "Wir brauchen schnell eure Hilfe". Rachel merkte, dass sie beide gemeint waren. Sie folgte einfach dem Mann, der Admiral Johnson angesprochen hatte. Sie hörte hinter seinem Rücken nur ein "Oh!" und sah, dass er sie näher winkte, ohne den Blick von etwas vor ihm zu nehmen.
Dann sah Rachel, was die anderen auch sahen. Sie erstarrte. Blut. Viel Blut. Und Scherben.
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Mein amerikanischer Gentleman
Historical FictionFrühling 1813, Großbrittanien, Sutherland. Die 18-jährige Britin Rachel Russell ist die Tochter des Herzogs von Sutherland. Da sie lieber in einfachen Verhältnissen leben möchte, verbringt Rachel auch in Zeiten des Kriegs viel Zeit im Dorf. Dort...