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Taehyung

Die Begegnung mit Jungkook hatte mir gerade noch gefehlt.

Ich lief schnell aus dem Waschraum und rannte schon fast durch den leeren Gang, obwohl meine Rippen schmerzten und mein Herz raste. Ich schlug die Tür zum Klassenraum auf und erstmal starrten mich alle an, weshalb ich auf wackeligen Beinen und mit gesenktem Kopf zu meinem Platz lief. Ich ließ mich auf meinen Stuhl fallen und sofort setzte wieder dieser stechende Schmerz ein, der mich leise zischen ließ.

"Was fällt dir eigentlich ein? Nimm' sofort deine Griffel von mir, du nutzloses Etwas!", hatte mein Vater gebrüllt, als er am Morgen nach der Suchaktion wach wurde und mir direkt ohne Vorwarnung ins Gesicht schlug, bevor er mich trat und ich mit den Rippen gegen den Tisch geknallt war. Es hätte mir klar sein müssen, dass er davon nicht begeistert sein würde und dass das gewaltig Ärger geben würde, aber ich war so froh, dass er wieder zu Hause war, dass ich es einfach vergessen hatte.

Einige Momente später kam dann auch Jungkook in die Klasse gelaufen und musste sich erstmal eine Standpauke von unserer Lehrerin anhören, aber offenbar schien ihn das nicht zu interessieren, denn er erwiderte nichts darauf. Allerdings konnte ich praktisch spüren, wie sich sein Blick durch meinen Hoodie bohrte. Wieso hatte er mich überhaupt angesprochen? War ich für ihn nicht ein niemand? So hatte er mich vor seinen Freunden doch genannt, oder nicht?

Ich konnte dem Unterricht nicht wirklich folgen, denn die Schmerzen, die durch meine Rippen zogen, kontrollierten meine Gedanken die ganze Zeit über. Ich versuchte wirklich, etwas zu verstehen und zu lernen, denn bald kamen die Prüfungen und ich konnte mir nicht leisten, durchzufallen, aber vor lauter zittern konnte ich nichtmal meinen Stift richtig halten. Das war doch alles scheiße.

Als es klingelte, packten schnell alle ihre Sachen zusammen, um in die Pause zu verschwinden, bis nurnoch ich übrig war. Und als ich mir sicher war, dass alle gegangen waren, packte auch ich langsam meine Sachen zusammen, bis mir plötzlich ein Zettel auf den Tisch gelegt wurde. Ich erstarrte sofort und traute mich nicht einmal, aufzusehen, so sehr hatte mich das erschreckt. Ein kurzes Seufzen drang mir in die Ohren, als ich auch schon hörte, wie Schritte sich entfernten. Erst, als ich wirklich keinen Mucks mehr hörte, sah ich auf den Zettel, der auf meinem Tisch lag. Nach kurzem Lesen stellte ich fest, dass es die Mitschrift der letzten zwei Stunden war und ich war erstaunt, wie ordentlich und schön die Schrift war, als ich ganz unten auf dem Zettel noch eine kleine Notiz entdeckte:

Ich möchte nur helfen.
Jk

War alles, was dort stand, aber es zeigte Wirkung. Mein Herz fing wieder an zu Rasen, diesmal aber nicht aus Angst oder Panik, sondern einfach, weil es das erste Mal war, dass mir jemand so etwas 'sagte'. Und trotzdem verstand ich es nicht. Wieso wollte Jungkook mir plötzlich helfen?

Ohne es zu merken, starrte ich eine ganze Weile auf diesen Satz und strich sogar einige Male mit dem Finger darüber, bis es wieder klingelte. Ich hatte wirklich die ganze Pause über im leeren Klassenraum gesessen und auf ein Stück Papier gestartet, super.

Der Raum füllte sich wieder und ich faltete den Zettel zusammen, um ihn in meiner Tasche verschwinden zu lassen, diesmal sah ich aber auf und fing direkt Jungkooks Blick ein, der sich wieder auf mich gerichtet hatte. Keine Ahnung, was in diesem Moment mit mir los war, denn eigentlich wollte ich das gar nicht, aber ich formte ein stummes 'Danke' und das war der Augenblick, in dem ich Jungkook zum allerersten Mal ehrlich lächeln sah. Es war nicht dieses aufgesetzte Lächeln, wenn einer seiner Kumpels etwas lustiges erzählte, nein. Es war aufrichtig.

Und irgendwie traf er mich damit...

Scars ⇴ ᴛᴀᴇᴋᴏᴏᴋ ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt