Taehyung
Yoongi und ich sahen uns erschrocken an, als wir Jungkook schreien hörten, sprangen aber beinahe sofort von unseren Stühlen und liefen hinein. Zuerst konnte ich nur Jungkook sehen, wie er in der offenen Haustür auf dem Boden hockte. Als ich aber näher kam, konnte ich ein weiteres Paar Schuhe entdecken. Mein Blick wanderte die dazugehörigen Beine weiter hoch und als ich schließlich genau hinter dem Jüngeren stand, konnte ich Jimins Gesicht deutlich erkennen und schlug mir die Hand vor den Mund.
„Oh Gott, was ist passiert?“, stieß ich aus und kniete mich neben Jungkook. Der allerdings, bekam kein einziges Wort heraus, sondern starrte Jimin bloß mit weit aufgerissenen Augen an. Ich wollte gerade meine Hand nach meinem Mitschüler ausstrecken, als ich plötzlich zur Seite geschubst wurde und Yoongi beinahe schon über mich hinweg sprang. „Jimin! Fuck, wer war das?“, schrie mein bester Freund und schob seine Hand unter Jimins Kopf. Mit der anderen Hand strich er ihm die Haare aus dem Gesicht und betrachtete es.
„Jungkook, was hat er gesagt? Wie ist er hierher gekommen?“, wandte er sich mit einer wütenden aber zugleich besorgten Stimme an den Dunkelhaarigen. „Ich... Ich...“, stammelte er aber nur und aus dem Augenwinkel sah ich, dass seine Hände zu zittern begonnen hatten. Yoongi versuchte in der Zeit immer wieder, Jimin wach zu bekommen, aber der rührte sich nicht. „Scheiße, ruf' einen Krankenwagen, Tae!“, sagte er völlig außer sich und normalerweise hätte ich das sofort getan. Allerdings konnte ich keine wirklich schweren Verletzungen an ihm erkennen. Sicher, sein Gesicht sah schlimm aus, aber das war nichts, weshalb er unbedingt ins Krankenhaus gemusst hätte.
Um sicherzugehen, dass es nicht doch etwas Schlimmeres war, griff ich nach dem Saum seines Pullovers und schob ihn langsam ein Stück nach oben. Unter seinen Rippen sah ich einen großen, roten Fleck, der allerdings nicht blau anlief und ich atmete erleichtert aus. Wer immer das getan hatte, hatte sich keine große Mühe gegeben, Gott sei Dank. Wäre das nämlich der Fall gewesen, wären seine Wunden sicher nicht nur oberflächlich gewesen, da war ich mir ziemlich sicher. „Er braucht keinen Krankenwagen. Lass' ihn uns reinbringen und besorgt Verbandszeug und Eis“, gab ich ruhig von mir und stand langsam wieder auf. Es war das erste Mal, dass die letzten paar Jahre mir zugute kamen und irgendwie machte es mich stolz zu wissen, was zu tun war.
„Was? Er ist ohnmächtig, verdammt. Er muss ins Krankenhaus!“, widersprach Yoongi kopfschüttelnd und kramte in seiner Hosentasche herum, bevor er seine Hand mitsamt Handy wieder herauszog. Sofort legte ich meine Hand auf seinen Arm und drückte ihn wieder runter. „Nein, muss er nicht. Glaub' mir, das verursacht bloß unnötig Stress. Ich weiß, was ich tue, vertrau' mir. Okay?“, erklärte ich so ruhig wie möglich und nickte dabei.
Und so war es wirklich. Ich war mir zu hundert Prozent sicher. Ich dachte an die vielen Male, die mein Vater mich so hart geschlagen hatte, dass ich ohnmächtig geworden war und kein einziges Mal hatte er es für nötig gehalten, einen Arzt zu rufen. Und trotzdem war ich ihm danach irgendwie dankbar dafür, es nicht getan zu haben. Ich weiß, das klingt bescheuert. Aber Jimins Familie war nun einmal nicht die Wohlhabendste und so ein Krankenhausaufenthalt war wirklich teuer.
Also, wieso hätte ich ihm das nicht ersparen sollen, wenn ich es doch konnte?
Yoongi sah mich noch kurz an, richtete seinen Blick dann auf Jimin, dessen Brust sich unruhig hob und senkte, ehe er nickte und sich aufrichtete. Er stellte sich neben Jimin und schob seinen Arm unter den Nacken des Jüngeren. Den Anderen schob er unter dessen Kniekehlen und, als wäre es nichts gewesen, hob er ihn hoch. „Jungkook, du musst Platz machen, sonst können wir Jimin nicht reinbringen“, legte ich meine Hand auf dessen Schulter und streichelte vorsichtig darüber. Er zitterte mittlerweile am ganzen Körper, regte sich aber noch immer nicht. „Geh' mal zur Seite, Tae“, hörte ich meinen besten Freund sagen und ich tat es auch sofort. Yoongi drehte sich mit Jimin ein Stück zur Seite und quetschte sich an Jungkook vorbei, bevor er ins Haus lief.
Ich folgte ihm hinein und wartete, bis er den Jüngeren vorsichtig auf der Couch abgelegt hatte, ehe ich mich neben ihn kniete und die Wunden begutachtete. „Ich brauche etwas zum sauber machen, Pflaster und Wundcreme. Das müsste alles in Jungkooks Bad sein. Bleib' du hier bei Jimin, ich hole es eben“, erklärte ich und joggte kurz danach auch schon die Treppe hoch. Als ich alles zusammengesucht hatte, ging ich wieder in den Flur und die Stufen herunter. Am unteren Absatz stand Jungkook aber plötzlich und sah mich mit glänzenden Augen an. „Das ist meine Schuld“, murmelte er fast tonlos und ich sah ihn verwirrt an. „Wie kann das denn deine Schuld sein?“, wollte ich also wissen und ging langsam weiter, da ich Jimin unbedingt helfen wollte. Alles was Jungkook noch sagte, bevor er wieder verstummte, war: „Jiyong“, während ich anfing, Jimins Gesicht mit einem Tuch zu säubern.
Ich war so konzentriert bei der Sache, dass ich Jungkook völlig vergaß. Zu sehr war mein Fokus auf Jimins Verletzungen gerichtet und darauf, dass ich alles möglichst gründlich reinigte und verband. Yoongi hatte seine Hand dabei nicht eine Sekunde lang losgelassen und wäre die Situation nicht so nervenaufreibend gewesen, hätte ich das sicher unheimlich süß gefunden.
Als ich gerade das letzte Pflaster aufklebte, stieß Jungkook plötzlich „Das wird er büßen!“ aus und ehe ich reagieren konnte, hörte ich auch schon die Tür zuknallen. Ich war so perplex, dass ich überhaupt nicht wusste, was ich tun sollte. „Hoffentlich bricht er diesem Arschloch jeden Knochen“, zischte Yoongi und von einer Sekunde auf die Andere, bekam ich schmerzhaftes Herzrasen. Mit einem Satz sprang ich auf und rannte ihm hinterher.
Ich musste ihn aufhalten, bevor er etwas unfassbar dummes tun konnte.
─── ❖ ── ✦ ── ❖ ───
Langsam hasse ich mich selbst für meine Cuts xD
DU LIEST GERADE
Scars ⇴ ᴛᴀᴇᴋᴏᴏᴋ ✓
Fanfiction❝I think perfection is ugly. Somewhere in the things human make, I want to see scars, failure, disorder, distortion.❞ - Yohji Yamamoto Die Dinge sind nicht immer, wie sie scheinen und obwohl es in der Natur des Menschen liegt, mit den Augen zu sehen...