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Jungkook

„Lass' ihn los!“, sagte ich mehr als laut und packte Jiyong hinten am Shirt. Ich war so wütend, dass man das Weiße meiner Knöchel schon sehen konnte, als ich meine Hand zu einer Faust ballte. Ich musste es einfach tun. Konnte nicht mit ansehen, wie er Jimin verletzte und demütigte, indem er seinen Kopf ins Klo drückte. Es war einfach entwürdigend und das hatte niemand verdient, nicht einmal jemand wir Jiyong.

„Was? Hast du sie noch alle?“, versuchte Jiyong, mich abzuschütteln, aber in diesem Augenblick hätte nichts und niemand meine Hand von seinem Shirt lösen können. „Du sollst ihn loslassen, hast du nicht gehört? Die Lehrer rennen im Flur auf und ab. Willst du von der Schule fliegen?“, quetschte ich widerwillig durch meine zusammen gepressten Kiefer und zog noch mal an dem Shirt. Ich war nicht stolz darauf, aber irgendeine Ausrede musste ich finden, damit er von Jimin abließ.

Er sollte Jimin endlich loslassen, verdammt!

Und tatsächlich, Ji ließ Jimins Nacken los, der sofort zur Seite wich und sich mit dem Rücken an die Wand setzte. „Sag' mal, Jeon. Was ist momentan eigentlich los mit dir, huh? Seit wann juckt es dich, ob irgendein Lehrer in der Nähe ist? Als du den Kleinen aus der Unterstufe in die Mülltonne gestopft hast, hat dich das auch nicht interessiert. Mutierst du jetzt zum Loser, oder was soll das?“, fragte er und stand dabei so dicht vor mir, dass ich den Zigarettenqualm in seinem Atem deutlich riechen konnte.

„Nein. Ich habe nur keinen Bock, Ärger zu kriegen oder von der Schule zu fliegen, nur weil du deine Wutanfälle nicht unter Kontrolle hast. Und du solltest besser nicht vergessen, wer ich bin. Geh' mir aus den Augen!“, knurrte ich ihm bedrohlich zu und kam ihm noch mal näher. Zu irgendwas musste mein Ruf ja schließlich gut gewesen sein, oder? „Ey, ist ja gut!“, sah ich ihn schlucken und konnte den Respekt praktisch greifen, den er vor mir hatte. Kurz danach ließ ich ihn los und glücklicherweise verschwand er auch sofort, allerdings ließ er es sich nicht nehmen, auf Jimin herab zu sehen und ihn anzuspucken.

Direkt als er draußen war, holte ich ein Papiertuch aus dem Spender neben den Waschbecken und half Jimin auf die Beine, bevor ich das Zeug von seinen Haaren rubbelte und ihn ansah. „Geht's dir gut?“, wollte ich wissen, aber bevor Jimin antworten konnte, wurde die Tür wieder aufgestoßen und Yoongi kam reingestürmt, dicht gefolgt von Tae. „Alter, geht's noch? Nimm' sofort deine Griffel von ihm!“, schnaubte der Ältere und wollte auf mich losgehen, aber Jimin stellte sich sofort vor mich und hielt ihn mit den Worten „Hör' auf, Yoongi! Jungkook hat mir geholfen, okay?“ davon ab.

Ich war völlig perplex, so schnell, wie das alles ging. Als dann aber Tae auch noch neben mir stand und seine Hand in meine schob, sortierten meine Gedanken sich wieder ein wenig und ich stieß sofort „Tut mir leid“, in Jimins Richtung aus, aber der sah mich bloß verwirrt an. „Wofür entschuldigst du dich?“, entgegnete er und nun war ich irritiert, denn ich wusste es auch nicht so genau. Ich hatte einfach das Bedürfnis, mich bei ihm zu entschuldigen. Vielleicht, weil ich ihm nicht sofort geholfen hatte oder weil ich die Ausrede mit den Lehrern erfunden hatte, anstatt ehrlich gewesen zu sein.

Wie gesagt, ich wusste es selbst nicht so genau.

Der Rest des Schultages lief dann aber ziemlich ruhig ab, obwohl mir die Aufregung noch immer leicht in den Knochen steckte. Normalerweise war ich solche Situationen gewohnt, aber seit Taehyung in meinem Leben war, ging das einfach nicht mehr so leicht. Ich musste ihn nur ansehen und wurde sofort entwaffnet. Ich musste nur daran denken, was er durchgemacht hatte und wollte am liebsten jeden Menschen in meiner Nähe davor schützen, so etwas zu erleben. Allen voran natürlich Taehyung. Und da hatte die Situation mir Jiyong mich einfach erschreckt.

[....]

Am späten Nachmittag saßen wir bei mir im Garten und hatten ein paar Würstchen auf den Grill geworfen, da es noch ziemlich warm war. Gut, es könnte auch daran gelegen haben, dass außer diesen Würstchen und ein bisschen Salat nichts mehr im Kühlschrank war. Auch Yoongi war schon da und diskutierte mit Taehyung darüber, dass Schwarz sehr wohl eine Farbe war, während Taehyung die ganze Zeit versuchte, ihn vom Gegenteil zu überzeugen. Ich beobachtete die Beiden eine Weile lang und stand schließlich auf, um mir etwas zu trinken aus der Küche zu holen.

Ich nahm mir eine Flasche Wasser aus dem Kühlschrank, als es an der Tür klingelte und ich befürchtete schon, dass Jiyong wieder davor stehen würde. Als ich den Griff in die Hand nahm, machte ich mich schon dazu bereit, ihn abzuwimmeln und legte mir die Worte zurecht. Allerdings stockte mir der Atem, als ich Jimin sah. Blut lief ihm über die Stirn und vermischte sich mit den Tränen, die über seine Wangen liefen. Seine Unterlippe war aufgeplatzt und er hielt sich keuchend den Bauch. Alles was er noch sagte, bevor er auf den Boden sackte war: „Hi-Hilf mir...“. Vollig panisch ließ ich die Flasche fallen und stürzte zu ihm runter.

„Tae! Yoongi! Ruft einen Krankenwagen!“

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Wieso schreibe ich immer am Besten, wenn nebenbei irgendeine Actionserie läuft?!

Scars ⇴ ᴛᴀᴇᴋᴏᴏᴋ ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt