Kapitel 4

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Der Laster ist nicht mehr so voll wie bei unserer Ankunft, als wir unsere Zwischenstation nach einer Woche verlassen. Sind noch mehr Kinder gestorben, oder wurden sie woanders hingebracht? Ich möchte nicht darüber nachdenken.

Bevor wir aus unseren Räumen geholt wurden, hat jeder von uns noch einmal Suppe, Kekse und Wasser bekommen. Die Frau, die uns am Tag nach unserer Ankunft die Spritzen gegeben hat, hat uns heute noch einmal gescannt. Einigen von uns wurde Blut entnommen. Dann wurden wir paarweise aneinandergefesselt und in das Gefährt geladen.

Dieses Mal sind wir länger unterwegs. Zumindest kommt es mir so vor, die Zeit im Laster zieht sich ewig hin. Kayla versagen zwei Mal die Beine und ich muss ihr wieder aufhelfen. Sie meint, sie würde sich etwas schwindelig fühlen. Die letzten Tage, in denen wir uns kaum bewegen konnten, haben ihren Tribut gefordert.

»Der Körper muss sich erst wieder anpassen«, erkläre ich ihr. Meine Muskeln fühlen sich auch etwas schwach an. So wie nach einer schweren Erkältung. Mit Erkältungen kenne ich mich aus. Es vergeht kein Winter in Kolonie D, in dem wir nicht unter Schnupfen und Husten leiden. Die zugigen Hütten lassen sich nicht gut ausheizen, und die spärliche Kleidung hält die Kälte auch nicht fern. Wenigstens haben wir diesen Winter ordentliche Sachen.

Als die Ladeluke endlich geöffnet wird, ist es schon Nacht. Ich kann nicht viel von unserer Umgebung erkennen, nur dass wir uns wieder in einer Kolonie befinden. Kleiner als Kolonie D. Trotzdem sind diese Holzhütten, größer als wir sie von zuhause kennen. In der Dunkelheit kann ich außerdem die schattenhaften Umrisse von Hügeln ausmachen, die die Kolonie umgeben. Wir scheinen uns inmitten eines Tals zu befinden. So als läge das Lager auf dem Boden einer riesigen Schüssel.

Die Hütten sind um einiges robuster gebaut, als wir gewohnt sind. Da gibt es keine Ritzen, durch die der Wind pfeift. Die Fenster sind mit Plastikscheiben verschlossen, durch die am Tag die Sonne hereinscheinen kann. Es gibt sogar elektrisches Licht. Alles wirkt relativ neu. Auch die Häuser scheinen nur wenige Wochen alt. Das Holz riecht noch frisch und würzig.

»Das kommt von den schwarzen Scheiben auf den Dächern«, erklärt uns ein Leibsklave wo der Strom herkommt. Er kann uns aber nicht sagen, wie das genau funktioniert, nur, dass es mit dem Sonnenlicht zu tun hat. Macht nichts, zum ersten Mal in meinem Leben gibt es in der Nacht Licht, ich muss nicht nach einer Kerze suchen, die ich doch nicht finde.

Wir werden wieder zu zehnt eingesperrt. In der Hütte stehen richtige Betten mit Matratzen und dicken gefüllten Decken. Zu jedem Bett gibt es einen Schrank, in dem befindet sich ein Teller, eine Tasse und Besteck aus Plastik. Da gibt es auch Kleidung zum Wechseln und eine Waschschüssel für jeden von uns. Wasser können wir uns aus einem Brunnen in der Mitte der Kolonie schöpfen. In unserem Holzhaus gibt es einen Ofen, auf dem wir es erwärmen können.

Ich ziehe mich gleich aus, tauche ein Stück Stoff in das Wasser und wasche mich gründlich. Auch die anderen waschen sich den Gestank unseres letzten Obdachs vom Körper. Ich seufze. Es fühlt sich so gut an, den Geruch von Urin und Kot endlich los zu sein. Die Stimmung unter uns ist ausgelassen. So viel Grund zum Lachen hatten wir lange nicht mehr.

Kayla grinst mich an. Sie sieht zufrieden aus. »Sie haben uns nach Geschlechtern getrennt«, sagt sie. Sie wirkt in den letzten Tagen fröhlicher. Manchmal blitzt sogar die alte Kayla wieder durch. Die, die immer das letzte Wort hat oder alles besser weiß.

»Stimmt.«

»Sven wird mir fehlen«, sagt sie. »Er hat dich gemocht.«

»Gar nicht wahr.« Ich tue entrüstet, aber mir ist aufgefallen, dass er immer versucht hat, mit mir ins Gespräch zu kommen. Ich schmunzle in mich hinein.

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