Kapitel 14

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Es ist dunkel, als wir die Kanalisation verlassen. Bis zum Treffpunkt sind es nur noch wenige Meter eine Straße entlang, die schon lange verlassen aussieht. Die Häuser hier sind in der Dunkelheit kaum auszumachen. Nur die leeren Fenster sind noch schwärzer als die Nacht. Über unseren Köpfen kann man die Sterne sehen. Das riesige Raumschiff der Tesare reicht also nicht bis hier her. Die Autos, die hier stehen, werden nur noch vom Rost zusammengehalten. Wie Skelette wirken sie in der Finsternis. Der Fußweg und selbst das Mauerwerk der Häuser sind von verrotteten Pflanzen überwuchert. Nur die Straße ist frei von Unrat und Unkraut. Ein deutliches Zeichen, dass die Tesare sie noch benutzen und von den Menschen warten lassen.

Als wir auf freies Feld kommen, steigt Luca mit uns eine Böschung hinunter, damit man uns nicht so schnell entdeckt. Der Weg ist beschwerlich, aber nachdem, was wir heute schon erlebt haben, möchte ich nicht noch mehr Ärger mit den Aliens.

Irgendwo vor uns ertönt ein leises Pfeifen. Auch Luca stößt einen Ton aus, den man leicht einem Vogel hätte zuordnen können. Dann erhebt sich ein Schatten direkt vor uns und kommt uns langsam entgegen.

»Erkennung!«, fordert ein Mann mit tiefer Stimme.

»Luca, Station elf.«

Der Schatten kommt näher, bleibt vor Luca stehen und leuchtet uns in die Gesichter. »Wenn mir jemand gesagt hätte, dass ich hier Kinder treffe, hätte ich mir einen Rock angezogen«, brummt der Mann und beginnt schallend zu lachen. Dann wird er abrupt ernst. »Hat verdammt noch mal ziemlich lange gedauert.«

»Wir hatten ein paar Schwierigkeiten«, erwidert Luca.

»Hab ich vermutet, weswegen ich noch etwas länger gewartet habe.« Der Mann schaut zum Himmel hoch. »War ja zum Glück ruhig die letzten Stunden da oben.« Er tritt an Luca heran und legt ihm eine Hand auf die Schulter. »Junge, ich hab schlechte Nachrichten. Keiner in deiner Station hat das kleine Geschenk der Tesare überlebt. Sie mussten den Bunker versiegeln. Tut mir wirklich leid mein Freund.« Er klopft Luca noch einmal freundschaftlich auf die Schulter.

Luca senkt den Kopf und murmelt etwas, was nach einem Fluch klingt. Er läuft ein Stück in die Wildnis hinein und verschwindet dann zwischen all dem Gestrüpp, das uns hier unten umgibt. Kayla leuchtet ihm mit der Taschenlampe hinterher, aber er ist nicht mehr zu sehen. Das mannshohe Gras wirkt im künstlichen Licht gespenstisch. Nicht so gespenstisch wie der kahle Baum, der uns seine Zweige aus der Dunkelheit entgegenstreckt, oder das halb zerfallene Haus dahinter.

»Gib ihm ein paar Minuten«, sagt das Kaninchen zu Kayla. »Er kommt schon klar. Wenn er nur halb so gut wie sein Onkel ist, dann steckt er das weg, indem er sich ein paar Tesare zur Brust nimmt und ihnen die Eingeweide entfernt.« Der Mann, ich schätze ihn auf vierzig Sommer, spuckt auf den Boden. »Verfluchtes Ungeziefer.« Ich nehme an, damit meint er die Tesare.

Ich finde ihn merkwürdig, nicht nur das, er spricht auch merkwürdig. Sind alle Rebellen so? Ich hoffe nicht. Dieser hier jagt mir eine Gänsehaut ein.

»Was hat euch so lange aufgehalten?«, fragt er wenig später. Er reibt sich mit der Hand über sein stoppelkurzes Haar, dann fährt er sich über seinen dunklen Schnauzbart. Er ist groß, mindestens einen ganzen Kopf größer als Luca und damit fast zwei Köpfe größer als ich, und er hat enorm breite Schultern. Unter seinem langen Mantel vermute ich, ist das Kaninchen viel mehr ein muskulöser Bär. Ich hab mal einen in einem Märchenbuch gesehen, aus dem der alte Marco manchmal uns Kindern vorgelesen hat.

»Ein Tesar hat uns gefangen und eingesperrt«, erzählt Kayla aufgeregt. »Und Luca ... oh, er ist ja so toll gewesen. Er hat ihm einfach sein Messer in den Rücken gestochen. Das hättest du sehen müssen.« Ich muss lächeln, als ich meine Schwester höre, wie sie Luca in den höchsten Tönen lobt.

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