Kapitel 8

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Nachdem Luca uns gezeigt hat, dass man das Messer auch benutzen kann, um Metallbüchsen zu öffnen und wir den Inhalt kalt gegessen haben, machen wir uns wieder auf den Weg – nicht ohne einige der restlichen Köstlichkeiten, in unseren Taschen zu verstauen. Ich bin zu dem Entschluss gekommen, dass es wohl doch besser ist, in der Nähe des einstigen Rebellen zu bleiben, weil er sich in der Außenwelt auskennt – ich nicht.

Luca führt uns am See vorbei. Es hat geschneit in den letzten Stunden. Er flucht leise vor sich hin, weil wir Spuren im Schnee hinterlassen. »Sie werden uns durch die Chips sowieso schon schneller finden, wenn wir Spuren hinterlassen, machen wir es ihnen noch leichter.«

Kayla zieht sich ihre Kapuze tiefer ins Gesicht. Ihre Wangen sind dunkelrot und ihre Lippen beben. Ich habe Angst, sie bekommt wieder Schüttelfrost und bitte Luca, langsamer zu gehen. Er entschuldigt sich, wirft Kayla einen abschätzenden Blick zu und passt seine Schritte den unseren an. Er ist wirklich fürsorglich und mag Kinder sehr. Ich frage mich, woher das kommt? Die anderen Jungs in der Kolonie haben nie Interesse an den jüngeren gezeigt.

Bald kommen wir wieder in einen Wald.

Wir kommen leichter voran am Tag. Von den Wanderwegen, die Luca uns auf der Karte gezeigt hat, ist nichts mehr zu sehen. Alles ist überwuchert von Wurzeln, Äste liegen auf dem gefrorenen Boden, Bäume sind umgefallen. Ein Fuchs wagt sich in unsere Nähe. Er beobachtet uns einen kurzen Augenblick und verschwindet dann auf flinken Pfoten im Dickicht der Bäume.

»Warum warst du mit deinem Vater in der Tesarenstadt?« Kayla hat es sich auf Lucas Rücken bequem gemacht. Er trägt sie jetzt schon seit einer Ewigkeit. Sie hat ihr Kinn auf seine Schulter gelegt und löchert ihn mit Fragen. Die meiste Zeit blende ich das Gespräch aus, aber ich möchte gerne wissen, was er darauf sagt.

Luca schiebt Kayla etwas höher. Er wirft mir einen kurzen Blick zu, als wolle er sich von mir die Erlaubnis holen, die Frage nicht beantworten zu müssen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Antwort auf diese Frage so schlimm ist.

»Ja, warum?«, stoße ich ihn deshalb an.

Er richtet den Blick wieder nach vorne, steigt über einen umgekippten Baum und reicht mir eine Hand, um mir über den Stamm zu helfen. Ich ignoriere seine Hand, noch habe ich ihm nicht verziehen.

»Wir waren auf Erkundung. Unser Ziel war es, herauszufinden, wie wir in das Hauptquartier der Aliens eindringen können. Die Tesare haben nur wenige Schwachstellen, eine davon ist, dass sie zum Überleben auf der Erde täglich für ein paar Stunden in riesige mit Karam gefüllte Bottiche müssen. Wir wissen nicht, warum das so ist. Aber wenn wir diese Augenblicke abpassen könnten, wenn ihre Raumschiffe nicht so stark bewacht sind, vielleicht könnten wir sie dann vom Himmel holen. Wir glauben, dass wir mit einem gezielten Anschlag von innen Erfolg haben könnten. Von außen kann man ihren Raumschiffen nichts anhaben. Die Schutzschilde sind undurchdringbar.«

»Ihr habt also nach einem Weg gesucht, euch diese Badewannen näher anzusehen?« Er muss den Zorn in meiner Stimme gehört haben, denn er bleibt stehen und schaut mich ernst an.

»Warum bist du sauer auf mich?«, fragt er jetzt.

Ich schlucke heftig, weil ich nicht damit gerechnet habe, dass er mich darauf ansprechen würde. Da ich nicht um ihn herumgehen kann, weil wir von Bäumen umgeben sind, muss ich ihm wohl antworten. Ich werfe Kayla einen flüchtigen Blick zu, weil ich nicht will, dass sie mitbekommt, wenn Luca und ich uns streiten. Eigentlich will ich ihm ja auch gar nicht mehr böse sein, schließlich kann er auch nichts dafür, dass die Rebellen uns noch nicht befreit haben, aber ich kann nicht über meinen Schatten springen. Etwas tief in mir bohrt und will einfach keine Ruhe geben. Und ich kenne dieses Etwas. Es ist der Neid, weil er scheinbar nur mit einem Lächeln geschafft hat, was ich seit Mutters Verschwinden versucht habe; Kaylas blindes Vertrauen und ihren Respekt zu erobern.

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