Kapitel 19

108 12 1
                                    


Wir sitzen inmitten unseres Bettenlagers aus Decken. Luca hat Tee und einige Konserven mitgebracht. Ich habe keinen Appetit. Eigentlich fühle ich mich einfach nur schwach und müde. Aber ich habe Angst vor dem Schlafen. Vielmehr habe ich Angst vor dem Wiederaufwachen, weil es sein könnte, dass Kayla tot ist, wenn ich das nächste Mal wach werde. Sie sieht elend aus. Wird nicht einmal mehr zum Trinken wach. Wir müssen ihr den Tee schluckweise einflößen. Die Medikamente sind aufgebraucht. Aber ich glaube, Schmerzen hat sie schon lange nicht mehr. Ich habe das Gefühl, sie ist gar nicht mehr wirklich bei uns.

Wir sitzen hier, ich habe mich an Luca gelehnt, er hat seine Arme um mich gelegt, und wir warten auf den Tod. Dieses Warten macht mich müde, nicht der mangelnde Schlaf. Ich weiß, es wird passieren, ich bin darauf vorbereitet. Trotzdem fühle ich mich leer. Und ich habe ein schlechtes Gewissen, weil ich mit Kaylas Leben schon abgeschlossen habe, obwohl sie noch darum kämpft.

Luca spendet mir Trost. Ich weiß nicht, wie lange er mich schon hält und meine Tränen trocknet. Tränen, die vor einiger Zeit versiegt sind. Aber ich finde es nett von ihm, dass er für mich da ist, und es fühlt sich gut an, seine Arme um meine Taille.

»Wie viele solcher Stationen gibt es da draußen?«, frage ich ihn.

»Mit denen wir Kontakt haben? Vierundzwanzig.«

»Glaubst du, es gibt noch mehr? Stationen, die ihr nicht erreicht, weil sie zu weit weg sind?«

Luca holt tief Luft, seine Brust hebt sich, drückt sich gegen meinen Rücken. »Wir sind uns sogar sicher. Die Erde ist groß. Wir haben nur noch keinen Weg gefunden, sie zu erreichen. Wir sind auf der Suche nach einer Möglichkeit. Wenn wir am Ende nur genug sind, dann hätten wir vielleicht eine Chance gegen die Tesare.«

»Wie viele es wohl noch von uns gibt?«, sinniere ich. Ich möchte es gern wissen. Möchte wissen, wie viele Menschen meine Entscheidung vielleicht gerettet hat. Ich hoffe, es sind viele. Viele Menschen hätte eine größere Chance einen Weg zu finden, die außerirdischen Besatzer zu vertreiben. Dieses Mal wären sie vorbereitet. Aber selbst, wenn es nur wenige wären, war es richtig, sie zu retten. Mein Hals fühlt sich kratzig an, ich huste und trinke einen Schluck Tee. Diese Heulerei hat wohl ihren Tribut gefordert. Meine Augen brennen auch und ich fühle mich schläfrig.

»Immer weniger«, murmelt Luca. »So viel ist sicher.«

Er hat bemerkt, dass ich mich bei diesen Worten angespannt habe. Er haucht mir einen Kuss auf die Stirn. Ich zucke zusammen, dann beginnt mein Herz, vor Aufregung zu hämmern.

»Tut mir leid«, sagt er. »Ich wollte nicht ...«

»Schon gut«, sage ich und sehe zu ihm auf. »Es hat mich nicht gestört.« Im Gegenteil. Ich lasse mich zurück an seine Brust sinken. Luca legt seine Arme fester um meinen Oberkörper.

Ich muss eingeschlafen sein, denn als ich aufwache, liege ich auf Lucas Brust. Auch er schläft. Das Feuer in dem Metallbehälter ist ausgegangen und es ist kalt geworden in unserer kleinen Zuflucht. Ich setze mich auf, recke mich und erstarre. »Kayla!«

Mein lauter Fluch weckt auch Luca. »Ich hab sie ganz vergessen«, sage ich, in meinen Augen brennt es, ich befreie mich hektisch von den Decken und spüre wie die Panik mich in ihren eisigen Klauen hält. »Wie konnte ich einfach einschlafen?«

Es ist dunkel, ich kann nichts sehen. Und fast fühlt sich die Finsternis schon wie ein Schutzmantel an. Solange ich nicht Kaylas toten Körper sehen kann, ist sie auch nicht tot. Das ist wie bei Mutter. Es gibt keinen Beweis für ihren Tot. Und solange meine Hoffnung lebt, lebt auch sie weiter. Ich lausche in die Stille auf Kaylas Atmung. Aber ich höre nur Luca neben mir. Ich wage es nicht, zu Kaylas Bett rüber zu gehen, weil ich Angst habe. Angst, dass ihre Haut sich eisig anfühlt, dass ihr Herz aufgehört hat zu schlagen. Dass ich einen Beweis bekomme.

TesarenlandWo Geschichten leben. Entdecke jetzt