Kapitel 18

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»Suchst du nach mir?«, höre ich Lucas dunkle Stimme plötzlich neben mir. »Oder nach dem?« Er hält mir die Karte, die Roland gezeichnet hat unter die Nase.

Mit dem Ärmel meiner Jacke wische ich mir über das Gesicht. »Du? Wie kommst du hier her?«

Luca schnaubt verächtlich. »Das sollte ich wohl dich fragen. Was hast du dir dabei gedacht?«

»Ich ...« Zuerst will ich ihm sagen, was ich hier draußen gemacht habe, aber dann entscheide ich mich dagegen, schließlich ist er schuld. »Wenn du nicht so stur wärst, wäre ich gar nicht hier«, werfe ich ihm vor. Wütend reiße ich ihm die Karte aus der Hand. Mir ist klar, ich kann sie nicht lesen. In meinen Augen sind da nur Striche und Kästchen, aber ich will nicht, dass Luca denkt, er hätte mich schon wieder gerettet. Ich will ihm zeigen, dass ich auch gut ohne ihn zurechtkomme, auch wenn die Szene eben überhaupt nicht so aussah. Aber ich habe doch recht, wenn er sich nicht so angestellt hätte, wäre ich gar nicht erst in diese Situation geraten. Und diese Tatsache macht mich noch wütender auf ihn. Ich gehe auf die Treppen zu, während ich so tue, als würde ich die Karte studieren.

»Wo willst du jetzt hin?«, fragt Luca. Er hat sich noch keinen Schritt weiter bewegt. Noch immer lehnt er an dem Auto, die Augenbrauen hochgezogen und die Arme abwehrend verschränkt. Er schmunzelt mich an und wartet auf meine Antwort.

»Dorthin«, sage ich und wedele mit dem Stück Papier.

Luca lacht. »Wenn du meinst. Ich jedenfalls nehme diesen Weg.« Er deutet noch tiefer in die Dunkelheit. »Hier unten gibt es nicht so viele Aliens wie da oben«, sagt er abfällig.

»Okay«, sage ich nur und klinge dabei erstaunlich gelassen. »Auch gut. Dann nehmen wir eben deinen Weg.«

Noch immer aufgebracht trample ich an ihm vorbei, ziehe die Taschenlampe aus meiner Jacke und schüttle sie demonstrativ fest. Im Vorbeigehen sehe ich Luca lächeln. Seit wir auf der Flucht sind, lächelt er öfters. In Kolonie D habe ich ihn immer nur ernst gesehen. In seinem Blick lag ständig eine Bitterkeit, die mir Angst gemacht hat. Jetzt weiß ich, warum er sich so verhalten hat. Ein bisschen kann ich es auch verstehen. Ich finde diesen neuen Luca besser, aber vielleicht hätte der alte Kayla nicht verraten. Trotzdem kann ich nicht ignorieren, dass der neue Luca etwas in mir auslöst, das sich schön anfühlt. Es bewirkt, dass ich ihn gerne in meiner Nähe habe, und dass ich ihn vermisse, wenn er nicht da ist.

Der neue Luca redet auch mehr. Und ich mag es, seine Stimme zu hören. Aber manchmal wünsche ich mir, den alten wieder, den schweigsamen. Aber eigentlich bin ich ganz froh, dass ich mit dem neuen unterwegs bin. In seiner Nähe fühle ich mich wohler.

»Dort runter?«, frage ich und bleibe vor der hohen Stufe stehen, unter der die rostigen Schienen liegen. Luca schließt zu mir auf und schaut mich an. In seinen Augen funkelt etwas. Ich glaube, er amüsiert sich über mich. Ich widerstehe der Versuchung, zu schlucken und springe, ohne zu zögern, nach unten. Meine Füße landen in einer Pfütze. Wasser spritzt nach allen Seiten. Ich bin stolz auf mich, denn ich erstarre nicht einmal für eine Sekunde. Ohne meine nassen Schuhe zu beachten, gehe ich weiter. Ich weiß nicht einmal, ob ich die richtige Richtung eingeschlagen habe. Aber bei nur zwei Richtungen, wie hoch kann da schon die Chance liegen, ausgerechnet die falsche zu erwischen. Da Luca mir folgt, habe ich mich wohl für die Richtige entschieden. Ich lächle selbstzufrieden in mich hinein.

»Also? Verrätst du mir, was du vorgehabt hast?« Luca holt mich ein und gleicht sein Tempo dem meinen an. Ich bleibe abrupt stehen und leuchte ihm mit der Lampe ins Gesicht. Um seine Mundwinkel herum zuckt es schon wieder. Ich muss heute wirklich ein sehr erheiternder Mensch sein, ärgere ich mich.

»Ich wollte tun, wozu du dich geweigert hast.«

Lucas Lächeln erstarrt. Dieser Luca sieht wieder aus wie der aus der Kolonie. Sein Gesicht wirkt ernst, fast kalt. Ich kann ein Schaudern nicht unterdrücken.

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