Kapitel 10

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»Die sollen mir helfen. Sie sind meine Lehrlinge«, brabbelt der Alte zwischen schwarzen Zahnstummeln hervor. Seine Stimme ist fast tonlos. Sein Körper zittert. Ich bin nicht sicher, ob es an seiner Gebrechlichkeit liegt oder an den Tesaren in unserem Rücken. Der Alte nickt uns zu und bittet uns, ihm zu folgen. Ich stoße erleichtert die Luft aus meinen Lungen. Über die Schulter werfe ich einen Blick zurück, die Wächter wenden sich gerade von uns ab und verlassen die Gasse.

Der Alte führt uns in ein Haus, dessen Front genauso verwahrlost aussieht, wie die Gasse. Gestrüpp und Ranken haben sich die Wände hochgearbeitet, dann sind sie verrottet, haben dürre, vertrocknete Zweige an der Hauswand zurückgelassen, in die sie Löcher hineingefressen haben. Die Fenster sind mit Brettern vernagelt. Innen sieht das Haus umso sauberer aus. Im Eingang steht ein Schrank, so groß, wie ich ihn noch nie gesehen habe. Er reicht fast bis zur Decke und ist mindestens so breit, wie die Spanne meiner Arme. Der Alte führt uns in ein Zimmer, von dem ich annehme, dass es die Küche sein könnte. Ich betrachte die Möbel, das Geschirr auf dem Tisch und einige fremde Gerätschaften mit Ehrfurcht. »Haben die Menschen früher so gelebt?«, frage ich den Alten.

Er nickt.

»Wohnst du hier?«, will Luca wissen und seine Stimme klingt ungewöhnlich kalt.

»Nein, ich bin so was wie ein Haussklave. Hier wohnt eine Frau, Medizinerin«, sagt er mit seiner heiseren, tonlosen Stimme. »Sie ist schon einige Zeit nicht zu Hause. Ich sorge dafür, dass die Elektronik im Haus nicht aufgibt. Immer mehr und mehr in der Stadt zerfällt. Deswegen holen sie in letzter Zeit so viele Sklaven aus den Kolonien. Die Tesare sind nicht begeistert deswegen, und auch, weil alles kaputt geht.« Er lacht bitter, schaut Luca ins Gesicht und reibt sich über sein bärtiges Gesicht. »Sie haben sich an viele unserer Annehmlichkeiten gewöhnt.«

Luca läuft in der Küche herum, öffnet Schränke, dreht an Knöpfen und untersucht Behälter mit Lebensmitteln.

»Heißt das, meine Mutter könnte irgendwo in der Stadt sein?«, frage ich Luca und mein Herz beginnt, hoffnungsvoll zu klopfen.

Er dreht sich langsam zu mir um, die Lippen fest aufeinandergepresst. Der Ausdruck in seinen Augen dämmt meine Freude sofort. »Es ist möglich, aber sie zu suchen, in einer so großen Stadt wie dieser, wo an jeder Ecke ein Wächter darauf lauert, seinen Speer benutzen zu können, ist zu riskant.«

Luca hat recht. Ich kämpfe die aufsteigenden Tränen hinunter. Für einen Augenblick hat es sich schön angefühlt, zu hoffen. Aber selbst, wenn die Möglichkeit besteht, dass sie irgendwo in der Nähe ist, sie würde wollen, dass wir uns so schnell es geht, in Sicherheit bringen. Trotzdem wäre es schön, sie wissen zu lassen, dass wir es wirklich geschafft haben, dass wir nicht mehr länger Gefangene sind. Vielleicht würde ihr das Wissen darum, ihr Leben etwas leichter machen.

»Was habt ihr denn da?«, will der Alte wissen und nickt in Richtung der zerfetzten Stoffe, die wir von den Sitzen der Autos gezerrt haben, um darin die Funkgeräte zu verstecken.

Luca wirft einen raschen Blick auf das Paket in meinem Schoß, dann schaut er den Alten misstrauisch an, als würde er abwägen, ob er es riskieren kann, ihm die Wahrheit zu sagen. Anscheinend hat der Alte die Prüfung bestanden. »Funkgeräte aus den Polizeiautos.«

Der Alte nickt und lächelt Luca versonnen an. »Du willst die Rebellen kontaktieren.« Luca setzt seine Untersuchung der Einrichtung fort. Er lässt etwas in seiner Tasche verschwinden und zuckt mit den Schultern.

»Keine Sorge, ich verrate euch nicht. Hast du denn schon einen Plan, wie du die Teile in Gang bringen willst?« Der Alte sagt nichts dazu, dass Luca etwas eingesteckt hat. Er zieht einen Stuhl vom Tisch zurück und setzt sich neben mich.

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