"Wie war deine Probe am Mittwoch?", fragt Manuel, als wir uns nebeneinander auf unsere Plätze in dem Klassenraum setzen und ich bloß seufze. Patrick hat heute, während Manu und ich in der ersten Stunde gemeinsam Chemie haben, Mathe, weshalb er nicht bei uns ist.
Ich habe Manuel und Patrick Mittwoch nicht mehr gesehen. Ich wurde nach der siebten Stunde, in welcher ich wie jeden Mittwoch Literatur hatte und mich bis auf die Knochen blamiert habe, von meiner Mutter nach Hause gebracht. Dort habe ich dann meine Hausaufgaben gemacht und habe mich danach in meinem Bett versteckt. Die Probe war mir so peinlich, dass ich einfach nur noch wegrennen wollte. Aber nicht nur der Scham machte mir zu schaffen, sondern auch Michael. Die ganze Zeit lang habe ich darüber nachgedacht, ob er es den anderen erzählen wird oder es schon getan hat. Ob er mich nun hassen wird und der ganze Schmerz, den ich vor ein paar Monaten schon bei dem Gedanke an ihn verspürt hatte, wieder aufkommen wird. Deshalb habe ich meiner Mutter gestern gesagt, dass es mir nicht so gut ginge und bin zu Hause geblieben. So konnte ich eine weitere Probe umgehen.
"Es war schrecklich, Manu."
"Warum? Was ist passiert?"
"Alle haben sich über mich lustig gemacht. Ich habe die ganze Zeit gestottert und kam mir vor wie ein Kleinkind, das gerade Sprechen lernt."
Mitleidig schaut mein bester Freund mich an, jedoch sehe ich auch die Fragezeichen in seinen Augen. Ich habe ihm und Patrick natürlich von unserer ersten Probe in Literatur erzählt und habe erwähnt, dass sie ganz gut lief. Deshalb ist er wahrscheinlich verwundert, dass es dieses Mal so ein Reinfall war.
"Ich habe Michael am Mittwoch gesagt, dass ich schwul bin."
"Und er hat das nicht gut aufgenommen", mutmaßt Manu, doch ich schüttele den Kopf.
"Er war ziemlich nett und ihn schien es nicht sonderlich zu interessieren. Vorher meinte er sogar, dass für ihn die Sexualität keine Rolle spielen würde. Aber ich hatte einfach Angst. Angst davor, dass er mich jetzt hasst. Und das Gelächter der anderen hat mir auch keinen Mut gemacht."
Manuel legt einen Arm um meine Schulter, bis er mich erschrocken anschaut.
"Du hast doch gleich schon wieder eine Probe mit ihm", stellt er fest und ich nicke bloß. Diese Freistunde gemeinsam mit Michael heute hat fast dafür gesorgt, dass ich noch einen weiteren Tag zu Hause geblieben wäre, doch hätte ich dann ein schlechtes Gewissen gehabt. Also bin ich doch in die Schule gekommen.
"Ach, das wird super. Wir haben den Text so gut gelernt, du kannst ihn schon fast auswendig."
"Konnte ich Mittwoch auch schon und ich habe mich vor allen blamiert."
Kurz ist es still und Manu mustert mich einfach bloß besorgt. Auch er hat wahrscheinlich Angst, dass sich die Geschehnisse, die noch nicht allzu lang her sind, wiederholen und ich wieder zu diesem lustlosen, traurigen Wrack werde, was ich war.
"Willst du heute schwänzen? Ich komme auch mit, in Englisch machen wir gerade irgendetwas über Nigeria. Super langweilig."
Ich lache, lehne aber ab. Noch nie in meiner ganzen Schullaufbahn habe ich geschwänzt. Ab und zu kam es vor, dass ich gesagt habe, dass ich krank bin, obwohl es mir gut ging. Aber einfach nicht zum Unterricht gehen, das habe ich noch nie gemacht. Manuel und Patrick haben das schon ein paar Male gemacht, aber auch sie sind den größten Teil der Zeit anwesend.
"Ich schaffe das schon. Irgendwie."
Gerade als Manuel weiter auf mich einreden will, kommt der Lehrer in das Klassenzimmer und begrüßt uns.
Nach zwei super langweiligen Stunden Chemie und einer noch schlimmeren Stunde Englisch stehe ich mit meinen Freunden vor dem Klassenraum, in welchem beide gleich Unterricht haben. Ich habe eine Freistunde. Eine Freistunde gemeinsam mit Michael, in der wir eigentlich lernen wollten. Jedoch drücke ich mich davor und versuche Zeit zu schinden.
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Schauspiel - Zomdado
FanfictionAufgrund der Aktualität entscheidet sich der Kurs für Literatur dieses Jahr dazu, ein Stück aufzufüren, das von zwei homosexuellen Jungs handelt. Einer der Jungs ist Zombey. Er ist der beliebte Junge, welcher, aus Angst vor der Reaktion seines Umfel...