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"Wo bist du?"

"Im Bus", schluchze ich und streiche mir erneut über meine Wangen, die inzwischen schon genauso rot sind wie meine Augen, da ich bestimmt schon hundert Mal mit dem Handrücken über sie gefahren bin.

"Oh, nein", kommt es von der anderen Seite der Leitung.

Im Hintergrund höre ich wie Manuel fragt, was passiert sei, doch bringt Patrick ihn mit einem Zischen zum Schweigen. Die beiden sitzen wahrscheinlich schon in der Umkleide, haben ihre Kleidung an, welche sie beim Sport tragen, und warten auf mich.

"Du fährst nach Hause?", erkundigt er sich dann.

"Ja, ich bin gleich da."

"Lass deine Tür offen. Wir kommen."

Schon hat Patrick aufgelegt und mit leicht zitternden Händen stecke ich das Handy in meine Hosentasche.
Um mich nicht allzu sehr zu blamieren unterdrücke ich meine Schluchzer, schniefe bloß ab und zu und schaue einfach aus dem Fenster.
Als der Bus an meiner Haltestelle hält, steige ich hastig aus und laufe mit schnellen Schritten nach Hause und direkt in mein Zimmer, wo ich meinen Rucksack einfach in die Ecke schmeiße und mich auf mein Bett werfe. Ich drücke mein Kissen an mich, ziehe die Decke über meinen Körper und bleibe einfach so liegen. Der Bezug des Kissens wird durch meine Tränen ein bisschen dunkler und bald liegt mein Gesicht in diesem nassen Stoff. Es ist ein wirklich unangenehmes Gefühl, jedoch ändere ich nichts, sondern bleibe einfach so liegen. Ab und zu drücke ich das Kissen noch näher an mich und ziehe die Decke noch mehr an meinen Körper, während die Schluchzer durch das Kissen gedämpft werden.

Irgendwann höre ich die schnellen Schritte meiner Freunde im Treppenhaus und kurz darauf kommt Manu auch schon in mein Zimmer. Patrick schließt jedoch vorher noch die Tür zu der Wohnung bevor auch er zu mir kommt. Manu setzte sich neben meine Beine auf mein Bett, während Patrick sich auf den Boden vor diesem setzt.

Sie schweigen einfach und warten geduldig, bis ich beginne zu sprechen. Es ist still und in dieser Zeit versuche ich das Weinen zu stoppen, was auch ein wenig klappt, nachdem Manu nach meiner Hand gegriffen und diese eine Weile gehalten hat.

"Er hat gesagt, dass er in mich verliebt ist", flüstere ich und automatisch kommen mir wieder die Tränen, die ich gerade erst versucht habe zu unterdrücken. "Einfach so. Aus dem nichts. Er hat sich sogar vorher noch über mich lustig gemacht."

Meine beiden Freunde schauen sich schockiert an.

"Ich werde ihm wehtun", beschließt Manu dann und möchte schon aufstehen, doch wird er von Patrick aufgehalten.

"Nein, du machst gar nichts", befiehlt dieser. "Möchtest du uns vielleicht mehr erzählen, Maurice?"

"Wir sollten eigentlich Übungen durchführen, die uns helfen sollten uns noch einmal richtig in unsere Rollen hineinzuversetzen. Aber er wollte die ganze Zeit über das sprechen, was vorgefallen ist, und auch als ich ihm gesagt habe, dass ich nicht darüber sprechen will, hat er nicht aufgehört. Dann habe ich etwas lauter gesagt, dass er es lassen soll. Unsere Lehrerin hat uns dann gesagt, dass wir eine andere Übung machen sollten. Dabei fingen wir dann an uns gegenseitig Dinge an den Kopf zu werfen. Er sagte, ich hätte kein Selbstbewusstsein, ich habe gesagt er stehe nicht zu sich selbst. Dann meinte er, dass ich nicht richtig sprechen könne, weil ich doch vor ein paar Wochen so gestottert habe bei den Proben. Daraufhin habe ich geantwortet, dass er schwul sei, weil ich ihm auch wehtun wollte. Aber er meinte dann bloß, dass er in mich verliebt sei."

Wieder ist es still in dem Raum. Ich schaue Manuel und Patrick dabei zu, wie sie sich einige Blicke zuwerfen.

"Vielleicht solltest du dir anhören was Michael zu sagen hat", überlegt Patrick laut und unterbricht somit die Stille.

"Bist du verrückt?", protestiert Manu. "Das macht er ganz sicher nicht. Michael spielt mit seinen Gefühlen und meint das offensichtlich nicht ernst."

"Er meinte, dass es stimmen würde", ergänze ich meine Erzählung. "Es war die Wahrheit, das weiß ich."

"Woher?"

"Ich habe ihn jetzt so lange bei Proben gesehen. Wenn er schauspielert und so tut als meine er etwas ernst. Ich weiß inzwischen, wann er lügt und wann nicht. Und leider Gottes meint er das vollkommen ernst."

Es ist eine Weile still in dem Zimmer und wir alle überlegen, was ich nun tun soll.

"Ich würde sagen, dass du bis nach der Aufführung wartest", schlägt Patrick vor. "Du musst es nur noch schaffen ihm morgen aus dem Weg zu gehen. Morgen habt ihr eure erste Aufführung, Samstag die zweite und letzte. Danach kannst du mit ihm sprechen. Und wenn er tatsächlich in dich verliebt ist und den Mist mit dieser Beleidigung erklären kann, wer weiß, vielleicht heiratet ihr dann doch noch."

Lachend verdrehe ich die Augen und setze mich wieder aufrecht hin. Patrick hat Recht, das ist wohl die beste Lösung für mein Problem.

"Er lacht wieder", freut sich Manu und fällt mir um den Hals.

"Klasse, dann könnt ihr zwei mir jetzt helfen ein Outfit für Freitag festzulegen. Ich habe nämlich keine Ahnung, was ich anziehen soll", meint Patrick und steht von dem Boden auf. "Ich zeige euch mal, was ich mir gedacht habe."

Unser Freund verlässt das Zimmer und ich lasse mich wieder auf den Rücken neben Manuel, der sich inzwischen auch hingelegt hat, fallen. Ohne zu zögern legt er seinen Kopf auf meine Brust.

"Ich habe richtig Schiss vor morgen", gebe ich zu, während wir hören können, dass Patrick über uns die Wohnungstür aufschließt.

"Ach Quatsch, das musst du doch nicht. Du wirst das super machen."

"Was passiert, wenn ich meinen Text vergesse und alle mich auslachen? Oder wenn ich auf der Bühne hinfalle? Ich werde mich bestimmt blamieren"

"Michael hatte Recht, als er gesagt hat, dass du kein Selbstbewusstsein hat", scherzt Manu und schaut mich an. "Du schaffst das, Maurice. Du hast so viel geübt, dass der Text nicht mehr in deinem Kopf, sondern schon fast in deinem Herzen ist. Morgen wirst du auf dieser Bühne stehen und jedem zeigen was du kannst. Du wirst besser sein als alle anderen."

Ich lächele meinen Freund und drucke ihn einmal an mich.
"Danke, Manu."

Schauspiel - ZomdadoWo Geschichten leben. Entdecke jetzt