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"Maurice!", ruft Manuel, um auf sich aufmerksam zu machen und hebt noch einen Arm.

Fröhlich laufe ich auf ihn und Patrick, der neben ihm steht, zu und sie nehmen mich in den Arm.

"Das Stück war klasse!", schwärmt Manu und lächelt mich an.

"Echt? Wie fandet ihr meinen Auftritt?"

"Du warst super", kommt es von Patrick. "Ich wusste gar nicht, dass du so gut schauspielern kannst."

Ich zucke bloß mit den Schultern.

"Ich würde es mir morgen sogar noch einmal anschauen", teil Manu mir mit. "Aber Patrick mag es nicht."

Erstaunt schaue ich Patrick an, der sich auch direkt verteidigt:
"Ich mag das Stück, aber das Ende gefällt mir nicht."

"Was? Das Ende ist realistisch. Eigentlich müsstest du davon doch begeistert sein."

Dieses Mal ist Patrick derjenige, der mit den Schultern zuckt.

"Ich gehe mich umziehen", sage ich und meine beiden Freunde nicken.

Ich trenne mich von ihnen und quetsche mich dann durch die Menschenmasse, um wieder zurück in die Aula zu kommen.

"Entschuldigung?", spricht mich ein junger Herr auf dem Weg zur Umkleide an. "Haben sie nicht eine der Hauptrollen gespielt?"

Überfordert nicke ich und schaue mich noch einmal um, in der Hoffnung meine Freunde noch einmal zu sehen und Rettung zu erhalten, doch entdecke ich nur Michael und seine Freunde nicht weit entfernt von mir.

"Dürfte ich ein paar Fragen stellen?"

Während der Herr alle möglichen Fragen stellt, höre ich ihm gar nicht richtig zu. Vielmehr interessiert mich das Gespräch, dass ein paar Meter weiter entfernt geführt wird, weshalb ich mich darauf konzentriere.

"Bist du jetzt tatsächlich schwul?", fragt einer von Michaels Freunden.

"Das sah nämlich alles ziemlich schwul aus auf der Bühne", bemerkt ein anderer.

"Nein! Ich bitte euch", antwortet Michael. "Als wäre ich schwul. Das war doch bloß ein Theaterstück. Schauspielerei. Das ist alles gelogen und ausgedacht."

"Krass, Micha. Du kannst richtig gut schauspielern", staunt ein Freund.

Damit ich Michael gleich nicht umbringe, wende ich mich wieder dem Mann vor mir zu und beantworte ihm seine blöden Fragen, die mich noch aggressiver machen. Und als er endlich die Klappe hält, stapfe ich durch die inzwischen leere Aula und betrete den kleinen Raum, in welchem Fabian und Sven noch Kleidung sortieren und zurück an die Stangen hängen. Fabians Lächeln, mit welchem er mich begrüßt, muntert mich ein wenig auf und ein bisschen fröhlicher begrüße ich die beiden. Ich schnappe mir meine Tasche und verschwinde hinter dem Raumtrenner.

"Du warst großartig heute Abend, Maurice", lobt mich Sven, während ich mir das Oberteil über den Kopf ziehe.

"Dankeschön. Aber das wäre ich nicht gewesen, wenn eure Kostüme nicht gepasst und auch die Technik nicht funktioniert hätte."

"Aber es war gut, dass du die Rolle doch noch übernommen hast", meint Fabian. "Bei diesen ganzen Menschen hätte ich mir in die Hose gemacht."

"Glaub mir, das habe ich auch", sage ich, lache und mache den Verschluss meiner Hose zu.

"Echt? Und wie hast du das so gut überwinden?"

"Michael hat mir geholfen."

Bei der Erinnerung an den Kuss laufe ich wieder rot an und ich spüre erneut dieses Kribbeln in meinem ganzen Körper. Doch dann zerstören seine Worte von gerade das Gefühl und das Kribbeln wird zu einem unangenehmen Jucken.

Ich hänge den Pullover, den ich gerade noch getragen habe, an einen Kleiderbügel und lege die Hose zusammen, ehe ich dann wieder hinter dem Sichtschutz hervor komme und Fabian die Kleidung reiche. Er schenkt mir ein Lächeln und fragt:
"Habt ihr euch wieder vertragen?"

In diesem Moment betritt Michael ebenfalls den Raum und verschwindet nach einer knappen Begrüßung hinter dem Raumtrenner.

"Wir haben das gerade schon zu Maurice gesagt, aber auch du warst heute Klasse, Michael", sagt Fabian.

"Echt? Dankeschön."

"Ja, Michael. Deine Freunde haben Recht. Du kannst wirklich gut schauspielern", sage ich.

Michael kommt mit seinem halb geöffneten Hemd aus der Umkleide und schaut mich mit großen Augen an.

"Du hast es gehört, oder?"

"Natürlich habe ich es gehört."

"Maurice, bitte lass es mich erklären."

"Warum? Damit du mich wieder anlügen kannst? Mir wieder irgendetwas sagen kannst, was du dann später verleugnest? Es ist die ganze Zeit die gleicher Leier. Ich will es nicht hören. Nicht vor dem morgigen Auftritt."

Ich verlasse den Raum und ziehe die Tür hinter mir mit solch einer Gewalt zu, dass das Geräusch davon bestimmt im ganzen Gebäude zu hören war. Vor lauter Wut kommen mir die Tränen und am liebsten würde ich mich selbst dafür schlagen. Wie kann es sein, dass Michael mich ständig zum Weinen bringt?
Er hat es noch einmal getan. Und ich küsse ihn sogar noch.
Aus Trotz wische ich mir über meine Augen und unterdrücke meine Tränen. Michael ist meine Tränen nicht wert.

"Ich glaube, das war ein nein", höre ich Sven von drinnen sagen und ich laufe schnell aus der Schule.

Draußen sehe ich auch sofort meine Freunde, die mir zuwinken.
Ich zwinge mich zu einem Lächeln, doch hätte mir dieses Lächeln nicht einmal der größte Vollidiot abgekauft. Als ich bei ihnen ankomme, schaut Manuel erst mich und dann Patrick an. Er scheint sofort zu wissen, wer mich in diesen Gemütszustand versetzt hat.

"Bitte, Patrick. Ich will ihm wehtun."

"Ich mache mit", grummele ich und richte meine Tasche, die mir allmählich von der Schulter rutscht.

"Wir tun niemandem weh", bestimmt er und mustert mich einmal. Erstaunt von meiner wirklich grässlichen Laune ergänzt er dann: "Zumindest nicht physisch."

Schauspiel - ZomdadoWo Geschichten leben. Entdecke jetzt