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"Nein, Maurice. Das kannst du nicht machen", ruft Michael mir hinterher, als ich bereits die kleine Treppe heruntergehe.

Ich bleibe stehen und drehe mich zu ihm um. Er ist ebenfalls aufgestanden und kommt nun auf mich zu.

"Du kannst mir nicht einfach mein Herz brechen und abhauen."

"Warum nicht? Du hast es doch genauso mit mir gemacht."

"Ich habe es dir gestern schon gesagt, Maurice. Ohne dich funktioniert es nicht. Die letzten Wochen waren der reinste Horror für mich. Ich konnte außerhalb der Proben nicht mit dir sprechen, weil du sofort abgeblockt hast. Mir ging es richtig schlecht ohne dich. Erinnerst du dich noch an die Probe, in der wir beide noch nach draußen geschickt wurden, weil ich nichts hinbekommen habe? Das passiert, wenn du nicht bei mir bist. Wenn du mich ignorierst und jeglichen Kontakt meidest."

"Was denkst du, wie es mir dabei geht, Michael? Wenn du mich vor dem Auftritt küsst und danach leugnest, dass du schwul bist? Für mich ist das auch nicht einfach. Und ich habe schon so lange Gefühle für dich. Ich hatte sie schon lange bevor der Mist hier angefangen hat. Aber jedes Mal, wenn ich mich auf dich eingelassen habe, hast du dafür gesorgt, dass ich bereut habe."

"Das werde ich ändern, ich verspreche es dir. Aber bitte, gib mir eine Chance dir zu zeigen, dass ich es ernst mit dir meine. Denn auch ich meinte alles, was ich zu dir gesagt habe, ernst. Ich bin in dich verliebt und der Kuss gestern war unglaublich. Am liebsten würde ich dich noch tausend Mal küssen."

"Tust du aber nicht, weil jemand uns sehen kömnte."

Auch Michael geht nun die kleine Treppe hinab und steht vor mir. Und dann bekomme ich die Konsequenzen von meinen Wörtern zu spüren. Er legt seine Hände an meine Wangen und küsst mich. Dieses Mal deutlich entschlossener und mutiger als gestern, doch trotzdem genauso gefühlvoll und mit den gleichen Auswirkungen.

Als wir uns lösen schaut er mich lächelnd an, entfernt sich jedoch nicht von mir.

"Du machst mich verrückt und ich brauche dich. Bitte gib mir diese Chance."

Lächelnd lege ich meine Hand an seinen Unterarm und löse somit seine Hände von meiner Wange.

"Meld dich noch einmal, wenn du bereit bist, das alles deinen Freunden zu sagen", flüstere ich, drehe ihm den Rücken zu und mache mich auf den Weg die Aula zu verlassen.

Auf dem Weg zu der Tür, kommen mir Michaels Freunde entgegen. Kurz bleibe ich stehen und wende mich noch einmal Michael zu. Er beachtet seine Freunde gar nicht, sondern schaut mir mit glänzenden Augen nach.

"Hier, Michael", rufen die Freunde dann und Michael wendet seinen Blick von mir ab, weshalb auch ich weiter gehe. "Wir waren gerade bei dem Imbiss und weil wir so gute Freunde sind, haben wir dir sogar Essen mitgebracht."

"Ihr seid also gute Freunde, ja?", kommt es von Michael und erschrocken bleibe ich stehen. Ich hatte zwar gehofft, dass er ihnen irgendwann beichtet, dass er schwul ist, aber so schnell habe ich nicht damit gerechnet.
Erneut drehe ich mich also um und beobachte die Gruppe. Michaels Blick huscht immer wieder zu mir.

"Findest du etwa nicht?", fragt einer seiner Freunde.

"Nein, eigentlich nicht. Gute Freunde sind füreinander da. Gute Freunde helfen sich. Gute Freunde akzeptieren einander, so wie sie sind. Und leider könnt ihr mich nicht so akzeptieren, wie ich bin."

"Wie meinst du das?", hinterfragt ein amderer und sie scheinen ihn mit ihren fragenden Blicken zu durchlöchern.

Dann seufzt Michael und schaut einmal in die Runde, mich eingeschlossen.

"Ich bin schwul", beichtet er dann, lässt seine Freunde jedoch gar nicht zu Wort kommen. "Und das musste ich, vor meinen angeblichen Freunden, verheimlichen, weil sie das nicht akzeptieren. Weil sie es falsch finden, dass Menschen andere Menschen lieben. Aber ihr habt etwas viel schlimmeres zu verantworten. Denn ihr seid schuld daran, dass ich diesem Jungen da vorne..."
Er zeigt mit dem Finger auf mich und alle seine Freunde schauen mich plötzlich an. Einige mit einem monotonen, andere mit einem verwirrten und einige mit einem bösen Blick an. Als Michael weiter redet, liegt ihre Aufmerksamkeit wieder bei ihm
"mehr als einmal das Herz gebrochen habe und somit auch mir selbst. Euretwegen habe ich meine Liebe für diesen wunderschönen, niedlichen und warmherzigen Jungen versteckt und konnte sie ihm nicht schenken, obwohl er das eigentlich mehr als verdient hat. Deshalb hat er mich gerade abserviert. Er hat sich dazu entschieden, seine Gefühle für mich lieber zu vergessen und sich von mir fernzuhalten, weil ihr uns beide nicht akzeptiert. Und mit Leuten, die ihre Mitmenschen aufgrund des Geschlechts, welches sie lieben, nicht tolerieren und dafür sorgen, dass Menschen unglücklich werden, will ich auch gar nicht befreundet sein."

"Maurice?", höre ich jemanden rufen und erkenne die Stimme meiner Mutter.
Schnell verlasse ich die Aula und begebe mich zu ihr. Freudig nimmt sie mich in den Arm und gratuliert mir zu der tollen Aufführung. Gemeinsam gehen wir dann nach draußen, wo auch der Rest meiner Familie wartet und mich dann alle in den Arm nehmen.

"Gut, wollen wir nach Hause?", schlage ich vor. "Ich bin ziemlich erschöpft."

Das ist gelogen. Mein Körper weiß gar nicht wohin mit dem ganzen Adrenalin, was Michael durch seine Worte ausgelöst hat, aber ich muss unbedingt mit Manuel und Patrick reden.

Hoffentlich wissen die beiden was ich jetzt machen soll

Schauspiel - ZomdadoWo Geschichten leben. Entdecke jetzt