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Es klopft an meiner Tür und ich drehe mich ein meinem Bett um. Die Bettdecke habe ich mir bis zum Kinn gezogen, obwohl es dafür eigentlich viel zu warm ist und nun starre ich in mein dunkles Zimmer.

Als die Tür geöffnet wird, fällt das Licht vom Flur in mein Gesicht, weshalb ich grummele und mir meine Decke über den Kopf ziehe.
Die Person betritt mein Zimmer. Ich höre Schritte und kurz darauf spüre ich die Hände der Person auf der Decke.

"Maurice", flüstert die Stimme meines besten Freundes und sofort kommen mir die Tränen.

Ich halte mir die Schluchzer zurück und antworte nicht.

"Ich habe gehört, wie du deine Rollladen geschlossen hast", erklärt Patrick seine Anwesenheit.

"Ich wollte schlafen", lüge ich, was Patrick zu merken scheint und er seufzt.

"Denkst du wirklich, dass ich in den letzten Wochen nicht gemerkt habe, wie schlecht es dir geht?"

Vor lauter Frustration schlage ich die Decke nun zur Seite, nehme Patrick in den Arm und beginne einfach zu weinen.
Ich hatte gehofft, dass er und Manu es nicht merken. Dass sie nicht merken wie schlecht es mir geht. Michael aus dem Weg zu gehen und seine Blicke zu ertragen, die er mir zuwirft, hat dafür gesorgt, dass ich nicht mehr weiß was ich tun soll. Mit der Zeit kam ich meinem Zustand, in dem ich mich bereits vor ein paar Monaten befand, immer näher.
In den Proben haben wir uns zusammengerissen. Man hat zwar gemerkt, dass wir längst nicht so gut miteinander harmonierten wie zu Beginn, aber es war noch immer auf einem zufriedenstellenden Level, obwohl das in letzter Zeit auch nachlässt. Es sind nur noch wenige Wochen bis zur Aufführung, weshalb unsere Lehrerin womöglich nichts mehr ändern will.

Und jetzt gerade hatte ich den Drang dazu meine Rolladen zu schließen und jedes Licht zu löschen. Da Patricks Zimmer direkt über meinem ist und er, bei dem schönen Wetter draußen, wahrscheinlich sein Fenster geöffnet hat, hat er es gehört.
Das mache ich normalerweise nie. Wenn ich mittags schlafen wollen würde, dann würde ich bloß die Gardinen vor das Fenster ziehen. Und mit den geschlossenen Rollladen hat letztes Mal alles angefangen. Der erste richtige Tiefpunkt meines Lebens wurde damit eingeleitet. Somit ist Patrick wahrscheinlich gerade bewusst geworden, wie ernst die Lage wirklich ist. Auch ich war von mir selbst schockiert. Ich habe versucht mich dagegen zu wehren und als ich dann doch nachgegeben habe, habe ich mich unter meiner Decke verkrochen und mich versteckt.

"Es tut mir leid", schluchze ich und kralle mich etwas mehr in Patricks Kleidung.

"Das muss dir nicht leid tun. Du kannst doch nichts dafür", flüstert er, streichelt mit seiner Hand über meinen Rücken und drückt mich näher an sich. "Irgendwie war es doch klar, dass das wieder passiert, oder nicht? Du warst nie über ihn hinweg und konntest gar nicht wieder glücklich werden. Wir waren dumm, einfach zu glauben, dass es dir wieder gut gehen wird."

Patricks Berührungen sorgen dafür, dass ich mich beruhige und die Schluchzer leiser und weniger werden. Auch die Tränen laufen nicht mehr in Strömen über mein Gesicht.

"Aber ich denke, dass das hier nicht der richtige Weg ist. Wir machen es dieses Mal richtig, ja?"
Patrick steht auf und öffnet die Rollladen wieder, weshalb mir die Sonne wieder unangenehm in mein Gesicht scheint. Dann kommt er wieder auf mich zu, hockt sich vor mich und legt seine Hände auf meine Schultern.
"Wir werden nicht wieder versuchen, dass du das alles einfach vergisst und dich ablenken. Meinetwegen kannst du dir die Seele aus dem Leib weinen, deinen Liebeskummer mit Eis essen ersticken oder dir eine Glatze schneiden, um wieder neu anzufangen. Aber ich lasse nicht zu, dass du in deinem Bett liegst und keine Fortschritte machst."
Er nimmt mein Gesicht, welches in letzter Zeit wieder deutlich dünner geworden ist, in seine Hände und schaut mich entschlossen an.
"Du bist stark und du schaffst das."

Er schenkt mir ein Lächeln und dieses Lächeln ist so aufmunternd und schenkt mir Hoffnung, sodass auch ich lächele. Dann ändert sich sein Blick. Er ist nun bemitleidend und irgendwie voll mit Sorgen. Seine Hände nimmt er nun von meinem Gesicht und legt sie einfach auf das Bett, ehe er seine Bedenken äußert:

"Aber ich befürchte, dass du deinen Kontakt zu ihm auf das Minimum begrenzen solltest. Wenn du im Unterricht mit ihm ein Liebespaar spielst, dann wird die Sache unnötig schwieriger und schmerzhafter."

Seufzend lasse ich mich auf den Rücken fallen. Natürlich hat Patrick Recht. Das wäre für jeden einfacher. Michael kann seine Rolle endlich wieder so spielen wie am Anfang, ich gewinne Abstand zu ihm und Frau Bieneck kann das Stück aufführen wie geplant und nicht mit zwei unmotivierten Schülern. Und trotzdem sträubt sich mein Haar, wenn ich daran denke, dass er mit jemand anderem die Rolle spielt.

Aber in letzter Zeit waren die Proben das, wovor ich am meisten Angst hatte. Michaels Blicke haben mir mein Herz gebrochen und jedes Mal, wenn wir wieder gemeinsam auf der Bühne standen, fing ich beinahe an zu weinen.

"Du hast wohl Recht. Ich kümmere mich am Mittwoch darum", sage ich und setze mich weider aufrecht hin. "Versprochen."

Patrick lächelt und steht dann auf.

"Also, womit willst du anfangen? Willst du Eis und Schokolade kaufen gehen oder dir dir zuerst die Glatze schneiden lassen?"

Lachend stehe auch ich auf, öffne meinen Kleiderschrank und ziehe mir ein neues Oberteil an, welches nicht voll mit Tränen ist.

"Lass uns Eis und Schokolade kaufen, die Glatze kommt später. Und dann machen wir zu dritt einen Filmeabend. Ich sehne mich nach irgendwelchen traurigen und kitschigen Liebesfilmen."

Gemeinsam verlassen wir mein Zimmer und auch die Wohnung, bevor wir bei Manuel an der Tür klopfen und diesen mit auf unsere Mission nehmen. Verwirrt öffnet dieser die Wohnungstür und als wir fragen, ob er mit uns einkaufen will, zieht er die Augenbrauen zusammen. Doch dann scheint er zu sehen, dass meine Augen noch immer gerötet und deutlich geschwollen sind weshalb er einfach zustimmt, seine Schuhe anzieht und gemeinsam mit uns das Treppenhaus herunter läuft.

Und als wir zu dritt nebeneinander her laufen, Patrick und Manu ihre Arme um meine Schulter legen und lachen, habe ich Michael schon ein kleines Bisschen vergessen.

Vielleicht wird diese Mission ja erfolgreich und ohne eine Glatze enden.

Schauspiel - ZomdadoWo Geschichten leben. Entdecke jetzt