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"Warum hast du solche Angst? Dass du auf und ab gehst und sogar die Vögel aus den Bäumen scheuchst?", frage ich und folge mit meinem Blick Michael. Wie schon in den Proben läuft er hin und her, seine Schritte hört man deutlich.

Das Publikum ist still, alle schauen uns an. Warten darauf, dass etwas geschieht. Es ist die letzte Szene, in der Maudado und Zombey richtig miteinander sprechen.

Michael bleibt stehen, schaut erst mich an und dann auf den Boden.

"Ich habe dir etwas mitzuteilen."

"Willst du mir endlich sagen, dass du dich für deine Freunde entschieden hast?"

"Du wusstest es schon?"

"Ich wusste es schon, als es erst begonnen hat. Deine Entscheidung stand schon immer fest."

"Das stimmt nicht, Maudado."

"Hör auf zu leugnen und werd' endlich vernünftig. Du hast dich von Anfang an gegen mich entschieden."

"Das ist nicht wahr, Maudado."

"Es war deine Entscheidung unsere Beziehung geheim zu halten, nicht wahr? Du hast dich das erste Mal gegen mich entschieden.
Danach werden wir in der Öffentlichkeit gesehen und du leugnest die Beziehung zu mir. Ich sei irgendein Junge, der dir über den Weg gelaufen sei. Das war die zweite Entscheidung.
Deine dritte kam nicht allzu überraschend."

Seufzend gehe ich ein paar Schritte auf Michael zu. Er öffnet den Mund um etwas zu sagen, doch schneide ich ihm sofort das Wort ab, genauso wie es im Skript steht.

"Und jetzt willst du mir erzählen, dass diese Entscheidung nichts ändern wird. Wir könnten uns trotzdem weiterhin sehen und so weitermachen wie zuvor. Aber ich habe auch eine Entscheidung getroffen, Zombey."

Fragend schaut er mich und und ich schlucke einmal, um den Kloß in meinem Hals loszuwerden.

"Wir sollten unsere Beziehung endgültig beenden, Zombey."

Michael schaut mich mit traurigen Augen an. Auch er scheint die erstaunliche Ernsthaftigkeit in meiner Stimme zu hören und mir stehen die Tränen in den Augen, warten nur darauf endlich über mein Gesicht laufen zu können.

Ich gehe noch ein paar Schritte auf ihn zu, gebe ihm einen Kuss auf die Wange, drehe mich um und verharre eine kurze Sekunde so. Dann verlasse ich die Bühne und verschwinde hinter dem Vorhang.

Nachdem die letzte Szene geendet hat, wir uns alle vor dem Publikum verbeugen und dieses uns reichlich Applaus schenkt, schließt sich der Vorhang und während ein paar Schüler bereits anfangen alle Requisiten wieder von der Bühne zu räumen, umarmt mich Fabian.

"Du warst großartig, wirklich. Noch besser als gestern", meint er und schaut mich grinsend an.

"Dankeschön."

Er löst sich von mir und wir beide schauen dabei zu, wie die Bühne immer leerer wird.

"Irgendwie schade, dass es jetzt vorbei ist."

Ich nicke.
"Aber wir haben ja nächstes Jahr noch eine Aufführung. Und wenn du immer noch nicht genug hast, kannst du bestimmt auch noch in die Theatergruppe."

Fabian scheint zu überlegen, schüttelt dann aber den Kopf.
"Ich denke, die Aufführung nächstes Jahr reicht mir für's Erste."

"Vielleicht kannst du dann ja die Hauptrolle spielen."

"Glaub mir, nach heute wird Frau Bieneck keine anderen Hauptdarsteller als dich und Michael akzeptieren", entgegnet er. "Sie wird auch keine finden, weil keiner sich traut. Ihr beide wart wirklich der absolute Hammer."

Schauspiel - ZomdadoWo Geschichten leben. Entdecke jetzt