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"Frau Bieneck, könnte ich kurz mit ihnen sprechen?", bitte ich meine Lehrerin und vor Aufregung beginnen meine Hände zu zittern.

Lächelnd schaut mich die Lehrerin an, nickt dann und fordert mich zum Sprechen auf.

"Also, es geht um..."
Ich verstumme, bin mir nicht sicher wie ich das formulieren soll. Fragend zieht die Frau vor mir ihre Augenbrauen in die Höhe.
"Ich würde gerne meine Rolle an Fabian abgeben. Sie haben bestimmt gemerkt, dass sowohl Michael als auch ich während der Proben nicht wirklich motiviert waren. Ich denke, dass es besser ist, wenn Fabian die Rolle von Maudado übernimmt."

Ein wenig überrumpelt schaut Frau Bieneck mich an, lächelt dann jedoch wieder und nickt.

"Du hast Recht, irgendwie hat sich das Spiel zwischen dir und Michael geändert. Ihr redet zwar miteinander, aber ihr schauspielert nicht gemeinsam. Ich werde dem Kurs deine Entscheidung mitteilen. Es kostet wirklich sehr viel Mut diese Rolle abzugeben und das ist eine sehr reife Entscheidung von dir, Maurice. Dankeschön."

Lächelnd nicke ich, verabschiede mich von ihr und begebe mich dann zu meinen Freunden, die gespannt auf mich warten.

"Und?", fragt Manu sofort.

"Wie hat sie es aufgenommen?", möchte Patrick wissen.

Mit einem langen Seufzer lasse ich mich auf den Stuhl fallen und schaue meine beiden besten Freunde an.

"Sie denkt, dass ich die richtige Entscheidung getroffen habe und war ganz nett. Sie hat es mir nicht übel genommen oder so."

"Siehst du, es war doch gar nicht so schwierig", meint Manu.

"Sie hat wahrscheinlich nur darauf gewartet. Immerhin waren Michael und ich bei den letzten Proben wirklich schlecht."

"Sieh es positiv", ermutigt mich Patrick. "Jetzt kannst du von vorne anfangen."

Irgendwie unzufrieden senke ich meinen Blick. Ich habe erwartet, dass ich mich erleichtert und befreit fühle, wenn ich meine Rolle abgebe. Aber dieses Gefühl bleibt aus. Das einzige, was ich verspüre, ist Unzufriedenheit und Leere.

Dieses Gefühl verschwindet auch im Laufe des Tages nicht und so sitze ich ziemlich deprimiert und schlecht gelaunt in der Aula und höre Frau Bieneck zu, die gerade davon redet, dass nicht mehr allzu viel Zeit bleibt bis zu Aufführung und uns allen jetzt schon viel Erfolg wünscht.

"Gut, Michael und Fabian, ihr könnt schon einmal auf die Bühne gehen. Maurice hat sich nämlich dazu entschieden seine Rolle nicht weiter zu spielen und deshalb wird Fabian die Rolle von Maudado übernehmen."

Sofort spüre ich einige der Blicke von meinen Mitschülern auf mir, ignoriere diese jedoch. Michael und Fabian betreten die Bühne und ich kann Michael ansehen wie schockiert und überfordert ist. Er schaut zu mir herab und fixiert meine Augen, doch wende ich meinen Blick ab und starre stattdessen auf den Boden.

"Ich würde sagen, dass wir noch einmal von vorne anfangen."

Nun hebe ich meinen Blick wieder und sehe wie einige meiner Mitschüler Requisiten auf die Bühne schieben und das Bühnenbild anpassen. Fabian setzt sich auf die Bank, Michael stellt sich ihm gegenüber und sagt dann:

"Wir sollten das lassen. Ich glaube, das ist keine gute Idee."

Wie schon beim ersten Mal, als wir diese Szene geprobt haben, denke ich, dass Michael das ernst meint. Kurz habe ich Angst, dass er nicht mit Fabian zusammenarbeiten will, jedoch ist das einfach der Text, den Zombey in diesem Moment sagt.

Ohne zu zögern und mit einem ziemlich großen Selbstbewusstsein erwidert Fabian:

"Was sind schon gute Ideen, Zombey? Wenn wir nur gute Ideen hätten, würde immer alles funktionieren. Gute Ideen sind langweilig. Aber schlechte Ideen, die machen Spaß. Solange du dir bewusst bist, dass es eine schlechte Idee ist."

In meinem Kopf spreche ich den Text mit, sage genau die gleichen Worte, jedoch hört es sich aus Fabians Mund so anders an. Das scheint auch Michael zu bemerken, denn er richtet seinen Blick zu mir.

"Was, wenn diese schlechte Ideen uns keinen Spaß machen? Wenn sie uns bloß wehtun und wir am Ende leiden?"
Während er spricht, wechselt sein Blick immer wieder zwischen Fabian und mir hin und her.

Es ertönt das Geräusch, welches Fabians Hand macht, wenn er mit der Handfläche auf die Bank klopft und Michael dreht seinen Kopf wieder zu seinem Partner. Er setzt sich neben ihn auf die Bank und schaut einfach ins Leere und lässt seinen Blick wandern, bis er wieder bei mir ankommt und auf meinem Gesicht verharrt.

"Sie tun nicht weh, wenn du vernünftig bleibst. Schlechte Ideen bleiben schlechte Ideen. Da bringt die Hoffnung nichts."

Maudado hat Recht.

Diese Rolle in dem Stück zu spielen war eine schlechte Idee. Das wussten Michael und ich von Anfang an und wollten diese Rollen abgeben. Aber als unsere Lehrerin gesagt hat, dass das nicht möglich ist und wir die erste gemeinsame Probe hatten, hat uns die Hoffnung gepackt. Wir dachten, dass es vielleicht ganz gut werden könnte. Wir haben gehofft, dass es Spaß machen würde. Wäre ich vernünftig geblieben, dann hätte es mich nicht so verletzt, als Michael all das als nichts besonderes sah. Hätte ich nicht gehofft, dass er vielleicht genauso viel Spaß hat wie ich, dann ginge es mir jetzt viel besser.

"Michael? Ist alles in Ordnung?"

Wir beide schrecken auf und schauen unsere Lehrerin an. Michael scheint ähnliche Gedanken gehabt zu haben und vor lauter Gedanken hat er vergessen weiter zu sprechen. So haben wir uns also bloß angestarrt und womöglich haben uns alle andere ebenfalls angestarrt und sich gefragt, warum wir uns so intensiv anschauen. Peinlich berührt versinke ich ein wenig in meinem Stuhl und vermeide die Blicke der Anderen.

"Wir brauchen ein bisschen mehr Konzentration bei den Proben. Wie zu Beginn der Stunde schon erwähnt, bleibt uns nicht mehr viel Zeit bis zur Aufführung. Also bitte. Fabian, den letzten Satz noch einmal und da setzen wir an", schimpft Frau Bieneck.

Michael schafft es tatsächlich sich zu konzentrieren und schenkt mir keine Beachtung mehr. Und tatsächlich scheint er mit Fabian auf der Bühne ziemlich gut zu funktionieren. Immerhin hat es etwas positives. Das Stück kann mit Stolz präsentiert werden und die Hauptrollen werden nicht mehr von zwei motivationslosen Säcken gespielt.

Sobald die Klingel ertönt, schnappe ich mir meinen Rucksack und verlasse die Aula. Dieses Mal warten Patrick und Manuel noch nicht an der Haltestellen, sondern kommen kurz nach mir dort an.
Sie stellen sich vor mich und müssen nicht einmal die ganzen Fragen stellen. Ich kann mir schon vorstellen, was sie wissen wollen.

"Anfangs war er ziemlich verwundert, wenn nicht sogar verwirrt", erzähle ich. "Aber Fabian macht das super und er spielt echt gut. Und er passt auch gut mit Michael zusammen."

"Na siehst du?"

Patrick legt einen Arm um mich und grinst mich an, als ich sein Lächeln aber nicht erwidere, nimmt er seinen Arm wieder zurück und schaut mich, genauso wie Manu, besorgt an.

"Sollte ich nicht Freude verspüren? Sollte ich nicht erleichtert sein?", spreche ich also meine Gedanken aus.

"Du bist in ihn verliebt und jetzt wird es dir schwer fallen dich darüber zu freuen", meint Patrick und sein Satz wird von Manu beendet:
"Aber wenn du später zurückblickst und über ihn hinweg bist, dann wirst du froh sein diese Entscheidung getroffen zu haben."

Schauspiel - ZomdadoWo Geschichten leben. Entdecke jetzt