In der Woche darauf sitzen wir alle wieder vor Frau Bieneck und führen irgendwelche Atemübungen durch.
"Also gut, jetzt können wir mit den Proben beginnen", meint sie, während wir die letzte Übung beenden. "Wir machen da weiter, wo wir das letzte Mal aufgehört haben. Die Szene, in der Zombey und Maudado das erste Mal gemeinsam auftreten."
Ich merke, wie sich die Nervosität in Form einer Welle der Kälte in mir ausbreitet. Sofort werden meine Hände ganz kalt, was für mich schon normal ist, wenn ich nervös bin.
Leicht zitternd hole ich das Skript aus meinem Rucksack und gehe die kleine Treppe hoch, welche auf die Bühne führt.
Michael steht bereits mitten auf der Fläche und schaut sich seinen Text an. Dabei fallen ihm einige Haare in sein Gesicht, weshalb er sie, völlig in Gedanken, einfach hinter sein Ohr schiebt.In diesem Moment sieht er einfach so gut aus, dass ich nichts gegen das Kribbeln in meinem Bauch tun kann. Auch, wenn in meinem Kopf sofort das Gespräch mit seinem Kumpel abgespielt wird und die Angst vor seiner Homophobie mir einen Schlag in die Magengegend verpasst.
"Also, ihr beiden", beginnt unsere Lehrerin zu sprechen, was Michael nun dazu bringt aufzuschauen. "Ihr könnt vorerst den Text einfach vorlesen. Aber versucht trotzdem schon an eure Körpersprache zu denken und die Gefühle eurer Charaktere zu beachten. Vor allem bei der Intonation."
Michael und ich nicken und schauen uns kurz gegenseitig an.
"Maurice, du sitzt zu Beginn auf einer Bank und wartest auf Michael. Wir haben leider noch keine Bank, deswegen benutzen wir vorerst Stühle."
Zögerlich setze ich mich auf einen der Stühle, die am Rand der Bühne stehen, wir erhalten noch ein paar Anweisungen von Frau Bieneck und dann beginnt Michael auch schon damit seinen Text vorzulesen.
Er steht am anderen Ende der Bühne, kommt einige wenige Schritte auf mich zu und sagt dann:
"Wir sollten das lassen. Ich glaube, das ist keine gute Idee."
Sein Blick ist auf den Text gerichtet und erst denke ich, dass er diese Aussage ernst meint und seine Rolle nicht mehr spielen will, doch merke ich erst dann, dass das sein Text ist und er es bloß vorgelesen hat.
Also suche ich auf dem Zettel in meiner Hand schnell den Text, den ich vorlesen muss.
Ich habe in der letzten Woche zwar bereits vor meinem Spiegel meinen Text gelernt, aber der ist noch lange nicht so in meinem Hirn verankert, als dass ich ihn auswendig könnte."Was sind schon gute Ideen, Zombey? Wenn wir nur gute Ideen hätten, würde immer alles funktionieren. Gute Ideen sind langweilig. Aber schlechte Ideen, die machen Spaß. Solange du dir bewusst bist, dass es eine schlechte Idee ist."
"Was, wenn diese schlechte Ideen uns keinen Spaß machen?", fragt er und kommt, wie im Skript geschrieben, ein paar Schritte auf mich zu. "Wenn sie uns bloß wehtun und wir am Ende leiden?"
Stumm klopfe ich mit meiner Handfläche auf den Stuhl neben mir und folge somit den Anweisungen auf dem Zettel in meiner Hand. Auch Michael folgt diesen, indem er sich neben mich setzt.
"Sie tun nicht weh, wenn du vernünftig bleibst. Schlechte Ideen bleiben schlechte Ideen. Da bringt die Hoffnung nichts."
Kurz schweigen wir, ehe ich aufstehe und Michael anschaue. Auch er schaut zu mir hinauf, doch scheint mich gar nicht richtig wahrzunehmen. Im Kopf denkt er wahrscheinlich nur an seinen Text.
"Lass uns ein Stück gehen."
"Ein Spaziergang?", hinterfragt Michael.
"Keine Sorge, wir gehen durch den Wald. Im Schutz der Bäume."
Stumm steht Michael auf als unsere Lehrerin zu sprechen beginnt:
"Das war schon sehr gut ihr beiden. Passt jetzt darauf auf, dass ihr dem Publikum nicht euren Rücken zeigt, wenn ihr sprecht. Ihr sollt zwar auf der Bühne laufen, aber versucht das möglichst zu verhindern."
Wir beide nicken, beginnen irgendwie auf der Bühne von links nach rechts und wieder zurück zu gehen, während wir weiterhin die Zeilen vorlesen.
Irgendwann endet unsere Szene und es wird eine andere geprobt, bis die Klingel uns in die Pause entlässt. Schnell schnappe ich mir meinen Rucksack und will gerade die Aula verlassen, da werde ich von Michael eingeholt. Kurz läuft er stumm neben mir her, ehe er sich räuspert und zu sprechen beginnt.
"Das war eine gute Probe heute, du machst das wirklich gut."
Ich laufe ein wenig rot an, senke meinen Blick um meine Wangen vor ihm und auch den anderen Schülern, die uns entgegenkommen, zu verstecken und murmele irgendetwas, was ebenfalls nach einem Kompliment klingen soll. Michael kichert und stupst mir einmal mit seinem Ellenbogen in die Seite.
"Das muss dir nicht peinlich sein. Aber worauf ich eigentlich hinaus wollte war, dass ich dich nach einem Treffen fragen wollte."
Ein wenig erschrocken schaue ich ihn an und will ihm gerade schon die ganzen Fragen gegen den Kopf werfen, da spricht er bereits wieder:
"Also nicht so ein Treffen. Ich dachte, dass wir zusammen unseren Text lernen könnten. Immerhin sprechen wir in den meisten Szenen miteinander, da wäre das doch ganz praktisch."
Nun ist er derjenige, der rot wird.
"Klar, können wir machen. Wann hast du denn Zeit?"
"Ich dachte vielleicht, dass wir unsere gemeinsame Freistunde dafür nutzen", schlägt er vor und ich nicke, als ich eine der Glastüren öffne und Michael diese auf halte. Kurz bedankt er sich, tritt durch die Tür und läuft dann ein kurzes Stück rückwärts, bis ich wieder neben ihm laufe. "Aber dann müsstest du Mittwochs ein bisschen früher kommen als sonst."
"Geht in Ordnung", meine ich.
"Super, dann können wir morgen in der vierten direkt loslegen."
Er schenkt mir ein Lächeln und bleibt stehen, vermutlich weil er in dem Gang, durch welchen wir gerade laufen, gleich Unterricht hat.
"Geht klar. Bis morgen."
Ich laufe noch einen Gang weiter und meine Freunde kommen mir bereits auf der Treppe entgegen. Zu dritt haben wir jetzt Sport, weshalb wir uns auf den Weg zur Sporthalle machen.
"Wir müssen unbedingt zusammen meinen Text lernen", teile ich ihnen mit. Dabei spreche ich etwas leiser, um anderen Mitschülern das Zuhören ein wenig schwieriger zu machen.
"Warum? Lief deine Probe so schlecht?", fragt Manu.
"Nein, sie lief gut. Aber Michael will jetzt jeden Mittwoch und Freitag den gemeinsam üben."
"Und wieso sollen wir das dann noch übernehmen?", hinterfragt Patrick.
"Man, Patrick. Er will sich nicht blamieren", kommt Manuel mir zuvor. Skeptisch zieht Patrick eine Augenbraue nach oben, beginnt dann aber zu kichern.
"So etwas doofes", lacht er dann. "Dir ist es peinlich, wenn du deinen Text nicht kannst, wenn du genau den mit ihm lernen willst?"
Ich spüre, dass meine Wangen erneut ein wenig rot anlaufen und senke meinen Blick.
"Patrick", seufzt Manu, zieht den Namen unseres Freundes absichtlich in die Länge und legt mir einen Arm um meine Schultern. "Du kennst doch Maurice. Wir tun ihm den Gefallen und helfen ihm. Immerhin ist das für uns nicht sonderlich aufwendig."
"In Ordnung", kommt es jetzt nun auch von Patrick, der mir ebenfalls einen Arm um die Schultern legt. "Dann wollen wir mal dafür sorgen, dass der kleine Maurice sich bei seinen ersten Dates mit seinem zukünftigen Ehemann nicht blamiert."
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Schauspiel - Zomdado
FanfictionAufgrund der Aktualität entscheidet sich der Kurs für Literatur dieses Jahr dazu, ein Stück aufzufüren, das von zwei homosexuellen Jungs handelt. Einer der Jungs ist Zombey. Er ist der beliebte Junge, welcher, aus Angst vor der Reaktion seines Umfel...