Fotoalbum:

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Ich blickte auf die Landschaft, welche ich vor mir sah. Die Wiesen, welche so saftig grün waren und die Blumen die in leuchtenden Farben blühten und sich über der Wiese erstreckten. Nun sah ich auf den kleinen Bach, welcher sich von rechts zum Horizont schlängelte und ich hörte leises Plätschern.
Nein, ich hörte es nicht. Ich bildete es mir ein, genau so, wie ich mir auch den Duft der Blumen einbildete, der durch meine Erinnerung dem muffigen, leichten Gestank gewichen war, welchen die Luft um mich herum hatte.

Ich blätterte die schwarze Seite meines Fotoalbums, in welchem ich schon seit mehreren Minuten blätterte, um und rutschte auf dem kalten, leicht feuchten Stein, auf dem ich saß, hin und her.

Von rechts vernahm ich ein Rascheln und sah, wie meine beste Freundin Larissa, sich im Schlaf bewegte. Sie lag in einem Schlafsack, auf einer Isomatte und schlief seit ca. 2 Stunden. Bei uns Allen, auch bei Julian, meinem Freund, der gerade die Umgebung auskundschaftete, und nach etwas zu Essen suchte, war der Schlaf in der letzten Woche deutlich zu kurz gekommen. Doch sie hatte den größten Schlafmangel, weil sie seit wir auf der Flucht waren am öftesten Wache gehalten hatte, während Julian und ich schliefen.

Ich ließ meinen Blick noch einmal durch die Höhle, in der wir vorläufig Schutz gefunden hatten, schweifen und widmete mich danach wieder meinem ein und Alles. Meinem Fotoalbum, den Erinnerungen an unser altes, normales Leben das unsere einzige Motivation war.

Auf der nun neu aufgeschlagen Seite war ein Foto, welches eine grün schwarze Tanne zeigte, auf wessen Ast ein Specht saß. Ich musterte die glatten, glanzvollen Federn des Vogels und wollte darüber streichen, bis mir wieder einfiel, dass es nur ein Foto war.

Enttäuscht ließ ich meine Hand sinken und dachte an die Welt, die wir zurückgelassen hatten. Die wir verlassen hatten.

Ich dachte an die atemberaubende Natur, die zerstört worden war. Dachte an die wilden, doch gleichzeitig friedlichen Meere, welche so tief, so unergründlich waren. Dachte an den Himmel, welcher immer unterschiedlich war, an die luftig, leichten Wolken, welche sich angenehm vom hellen Blau abhoben.

Ich versank in Erinnerungen an das, was wir Alle zerstört hatten. Vor acht Tagen war es bekannt gegeben worden: Wir Menschen hatten es geschafft, wir hatten diese Welt, unseren Lebensraum zu stark ausgebeutet und die Grenze überschritten. Wir hatten Alle Warnungen der Forscher ignoriert, hatten Angst aus unserer Comfortzone heraus zu treten und hatten das 1,5 Grad Ziel überschritten.

Ich hatte versucht dies zu verhindern, war mit Larissa und Julian auf zahlreichen Demos gewesen, wir hatten unseren Lebensstil so gut es ging klimafreundliche gemacht, doch es hatte Alles nichts genützt. Wir hatten zu spät angefangen, nicht genug aufgegeben, nicht genug Andere wachgerüttelt und letztendlich versagt.

Nicht einmal 12 Stunden nachdem dies bekannt gegeben wurde, entstanden Kriege um Rohstoffe und darum, wer die Schuld trug. Millionen Menschen wurden ermordet, weil sie versucht hatten den Streit zu schlichten, eine Lösung für Alle zu finden, Rohstoffe verteidigen wollten, oder in den Augen der Anderen Schuld hatten.

Es war ein Krieg entstanden und es wurden viel zu viele unschuldige Menschen abgeschlachtet. Es entstand ein Kampf um Leben und Tod und Allen war klar, desto mehr Andere überlebten, desto geringer wurde die Chance für einen selbst, weiter zu leben. Es war ein Kampf um Lebensraum, Rohstoffe, Land, Lebensmittel und Luft, ein sinnloser, unnötiger Kampf, dessen Auslöser wir uns Alle selbst zuzuschreiben hatten.

Larissa, Julian und ich hatten es irgendwie geschafft, zu fliehen. Wir hatten nicht viel mitgenommen, Lebensmittel, Wasser, Schlafsäcke, sowie zwei Isomatte für uns Alle und etwas Kleidung. Und ich hatte mein Fotoalbum noch schnell in meinen Rucksack gepackt, bevor wir geflohen waren. Bevor die Greifer in unsere Häuser eingedrungen waren. Wir waren mehrere Stunden gerannt und umhergeirrt, bis wir ein einigermaßen geeignetes Versteck gefunden hatten, seitdem waren wir nie mehr als zwei Tage am selben Ort geblieben, weil sie uns immer wieder auf die Spur kamen, oder Naturkatastrophen in unserer Nähe waren. Nun waren wir seit ca. Vier Stunden in dieser Höhle und hofften, dass uns niemand finden würde.

Ich blätterte auf die nächste Seite und sah weitere Bilder von Tieren oder dem größten Phänomen: der Natur. Ich versank in Trauer und Selbsthass, weil ich nicht genug unternommen hatte. Als gerade die erste Träne meine Wange runterkullerte kam Julian in die Höhle gestürzt und schrie außer Atem: ,,Sie kommen!"
,,Was?" schrie Ich entsetzt und spürte wie wahnsinnig viel Adrenalin durch meine Adern gepumpt wurde.

Julian rannte durch die Höhle und versuchte möglichst viele unserer Gegenstände einzusammeln, während er sich seine anscheinend stechende Seite, hielt. Mein Herz zog sich zusammen, als ich sah, dass er Schmerzen hatte.

Mit meiner rechten Hand klappte ich mein Fotoalbum zu und stopfte es anschließend in meinen Rucksack, während ich mit links versuchte Lariss wachzurütteln, was erstaunlich schnell klappte. Ich hob so schnell ich konnte meine Jacke vom Boden, während ich Larissa vom Boden hochzog, sie wollte ihr Sachen packen doch sie wurde von Julian's lauter Stimme unterbrochen:,, Dafür ist keine Zeit, lauft!"

Ich sah, wie er noch schnell eine Sache vom Boden klaubte und Alles in seinen Rucksack stopfte, während ich Larissa hinter mir herzog und auf den Gang der gegenüber dem, aus dem Julian vorhin gestolpert war, lag, zurannte.

Wir beide stolperten durch den immer schlechter beleuchteten Gang und ich konnte schon nach wenigen Sekunden Julian, der etwa vier Meter hinter uns war, nicht mehr sehen.

Wir rannten einfach immer weiter, es war egal wohin, Hauptsache weit weg von den Greifer. Der Weg wurde immer schlechter und unsere Hände mit denen wir uns an den Wänden des Ganges abstützen, zierten nun viele Schnitte und Wunden, die wir uns an Felsvorsprüngen zugezogen hatten.

Wir rannten immer weiter, meine Lunge brannte und jeder Atemzug wurde schwerer, doch die stampfenden Schritte und lauten Rufe unserer Verfolger trieben uns immer weiter an. Larissa Hand war immer kälter geworden, doch dafür ihr Druck immer stärker. Wir klammerte uns aneinander fest und gaben uns Halt.

Plötzlich flutete grelle Licht den Gang. Ich drehte mich erschrocken um und sah sie hinter uns, nur wenige Meter entfernt von Julian. Die Greifer.

Sie waren schwarz gekleidet und trugen Gasmasken. In ihren Händen befanden sich Gewehre und auf ihrem Kopf befanden sich weiße, große Stirnlampen, die nun den gesamten Gang mit Licht fluteten.

Sie schrieen durcheinander und verlangten, dass wir stehen blieben, doch wir rannten weiter. Larissa und ich Bogen um eine Ecke und in diesem Moment ertönte ein Schuss, ein schrille letzter Schrei von Julian und es wurde schlagartig dunkel. Ich hatte das Gefühl, dass mein Herz zersprang. Wie konnten sie nur? Sie hatten Julian getötet! Einen unschuldigen Memschen, der doch nur Leben wollte, der sich bemüht hatte, diese Welt zu bewahren, der mehr getan hatte als die Meisten anderen, vermutlich weitaus mehr als die Greifer, die ihn gerade aufgrund seiner bloßen Existenz, ermordet hatten.

Meine Welt wurde langsamer und ich wäre stehen geblieben, wenn Larissa mich nicht weiter angetrieben hätte. Tränen verschleierten meine Sicht und die aufgeregten Stimmen der Greifer kamen immer näher.

Ich musste weiter rennen, Julian hätte gewollt, dass ich weitermachte, auch ohne ihn weiterkämpfte. Meine Füße blieben immer öfter an kleinen Steinen hängen und ich sah fast nichts mehr, da durch meine Tränen meine Sicht verschwommen war.

Das Licht der Lampen der Greifer durchflutete wieder den Gang und ich erschrak mich so stark, dass ich stolperte und hinfiel. Larissa riss ich mit mir nach unten und der Greifer der uns am nächsten war lachte.

Larissa versuchte verzweifelt aufzustehen, als ich sah, wie eine Kugel aus dem Gewehr des Greifers auf mich zuflog.

Meine Hand krampfte sich ein letztes Mal um die von Larissa, die Kugel traf mich und ich tätigte den letzten Atemzug auf dieser von Menschen zerstörten Erde.

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