Aria POV
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„Ihr seid ja auch mal da!" Raffa kommt auf uns zu sobald wir vor dem Haus parkiert haben, und ich steige aus, um mich erstmal zu strecken. Gerade rechtzeitig entdecke ich den Schatten, der sich mir extrem schnell nähert, und kann Alexa auffangen ohne mich selbst rücklings hinzulegen.
„Ich dachte euch wäre sonst was passiert", murmelt sie, und klammert sich an mich, während Nicola sich auch mal vom Beifahrersitz bequemt. Raffa klopft ihm auf die Schulter und öffnet dann den Kofferraum, um unsere Taschen rauszunehmen und ins Haus zu tragen. „Es ist ja alles gut gegangen", murmleich, und Alexa nickt. „Zum Glück. Ich hätte Santos eigenhändig kalt gemacht, wenn er dich auch nur angefasst hätte."
Ich lache leise bei der Vorstellung, und entdecke dann eine Person im Türrahmen, die mir das Lachen sofort vergehen lässt. Gianmarco, wer denn sonst? Er sieht mich eine Weile lang nachdenklich an, ehe er sich umdreht und ohne eine Begrüßung oder eine Verabschiedung wieder im Haus verschwindet.
Auch gut?
Als Kompensation zu Gianmarco's Verhalten kommt Amy dafür jedoch aus dem Haus geschossen, und wirft sich ihrem Jüngsten um den Hals. Nicola kann seine Mutter gerade noch so abfangen und verhindern, dass beide in sein Auto krachen, und Raffa schmunzelt. „Sie war kurz davor zu heulen, als ihr im Hotel schlafen musstet", berichtet er mir dann, und ich lache leise. „Das hört sich ganz nach Amy an."
Ich beobachte Amy und ihren Sohn noch eine Weile, ehe Raffa mich anstupst. Ich schaue fragend zu ihm, und er mustert mich nachdenklich. „Wie geht's dir?", fragt er dann, und ich erschrecke mich fast etwas. Diese Frage habe ich schon eine Weile nicht mehr gehört, und irgendwie kommt sie ziemlich unerwartet. „Ganz okay", sage ich, was mehr oder weniger stimmt. Momentan fühle ich mich nicht mehr so scheisse wie die ersten Tage nach meiner Entführung, aber gut fühle ich mich auch nicht. Ich bin einfach heilfroh nicht ganz alleine hier zu sein, und dass wir endlich angekommen sind.
„Wirklich?" Ich nicke und lächle Raffa entgegen. „Ja, im Moment schon." Raffa nickt langsam und legt dann einen Arm um meine Schultern. „Ich bin stolz auf dich", murmelt er, und ich lächle leicht. „Nicht jeder hätte den Mut dazu gehabt, wie du zu reagieren und uns einfach zu vertrauen." Ich zucke mit den Schultern und seufze. „Ich hatte nicht wirklich eine andere Wahl. Entweder hätte Santos mein Leben in der Hand gehabt, oder ich selbst, in dem ich eure Anweisungen befolge. Und ich entscheide lieber für mich selbst."
Raffa schmunzelt, und Amy kommt zu mir. „Kind, es tut mir so leid was du erleben musstest", sagt sie, und ich sehe deutlich die Reue in ihren Augen. „Es ist okay", ist alles, was ich sage, da es ja jetzt vorbei ist. „Wir sind heil angekommen und uns geht es gut. Du musst dir nicht die Schuld dafür geben." Amy sieht mich lange an und seufzt dann. „Du hast so ein großes Herz."
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„Und das hier ist dein neues Reich." Ich schaue mich in meinem neuen Zimmer um und nicke dann langsam. „Okay."Raffa lässt mich in meinem Zimmer alleine, und ich fange an, meine wenigen Sachen auszupacken. Mein Zimmer besteht aus einem großen Bett, einer Kommode, einem Sessel und einem Schreibtisch mit Stuhl. Neben meinem Bett steht ein kleiner Beistelltisch mit einer Lampe und einem Wecker drauf, und über der Kommode hängt ein Spiegel. Unter meinen Füssen befindet sich ein weicher Teppich, der zwei Drittel des Holzbodens meines Zimmers verdeckt.
Eigentlich ist es hier wirklich schön, aber ich fühle mich einfach nicht zu Hause. Es ist nicht Seattle. Es ist nicht mal in der Nähe von Seattle. Ich kann die Space Needle nicht mehr sehen, dafür aber das Meer. Aber was soll ich mit dem Meer? Anhand des Meeres kann ich nicht den Ort meines Hauses ermitteln. Ja, ich kann schwimmen gehen, aber das auch nur im Sommer.
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Nicola - ✔️
Teen Fiction- überarbeitet - Was einem durch den Kopf geht, wenn man den Lauf einer Waffe an der Schläfe spürt, mag vieles sein. Aber ganz bestimmt nicht, dass der Sohn deines Entführers dein Leben auf den Kopf stellen wird. -- Als Aria sich genau in dieser S...