Aria POV
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„Ist er okay?" Alexa seufzt und zuckt mit den Schultern. „Süße, er ist gerade mal eine Stunde drin. Es wird ihm bestimmt gut gehen. Raffa und Nicola hatten beide schon schlimmere Verletzungen, glaub mir." Ich schlucke und nicke dann. „Okay", murmle ich nur, und fahre mir durch meine mittlerweile wohl zerstörte Frisur. Gianmarco hat mich seit unserer Rückkehr nicht mal mehr angeschaut, aber ich glaube, dass das besser ist, als von ihm angeschrien zu werden. Denke ich mal.
„Aria?"
Ich drehe mich um und entdecke Raffa, der mit ernster Miene im Türrahmen meines Zimmers steht. „Ja?", frage ich leise, und merke, wie Raffa sich etwas anspannt. „Es tut mir leid, aber du musst mal mitkommen. Ich muss dich paar Dinge fragen." Ich nicke nur, und stehe auf. „Das schaffst du", flüstert Alexa, und lächelt mir nochmal aufmunternd zu. Ich lächle zurück, und verlasse dann mein Zimmer.
Raffa fängt an den Flur runterzugehen, bis er vor einem Büro hält. „Das hier gehört meinem Vater. Eigentlich wollte er die Befragung durchführen, aber ich denke es ist uns allen lieber, wenn ich das übernehme. Was auch immer du hier drin siehst - vergiss es wieder. Wenn ein Wort davon an die Öffentlichkeit geht, bringt mein Vater dich sofort um. Egal, was Mom, Alexa, Nicola oder ich sagen."
Ich nicke nur etwas scheu und schaue zu Raffa hoch. „Ich sage nichts", murmle ich, und Raffa nickt. „Gut, dann komm rein." Er öffnet mir die Türe und hält sie auf, damit ich unter seinem Arm durch in das ziemlich große Büro treten kann. Auch hier sind die Möbel weitgehend modern gehalten, und große Fenster erhellen den sonst ziemlich düster und ernst wirkenden Raum erheblich.
„Das hier hat unmöglich Gianmarco eingerichtet", sage ich sofort, und Raffa schmunzelt. „Stimmt, das hat Mom gemacht. Sie wollte nicht, dass Papá immer an einem so düsteren Ort arbeitet, weshalb sie ihn - und uns - zum Möbelladen geschleift hat. Es hat Stunden gedauert, und ich bin mit Nicola zusammen fast gestorben vor Langeweile, aber schlussendlich ist's doch ganz schön geworden." Ich lächle leicht bei der Vorstellung, wie die Salvatores wie jede andere Familie auch einfach in das Möbelhaus gehen, um ein Zimmer einzurichten.
Und noch breiter lächle ich bei dem Gedanken daran, dass Gianmarco da tatsächlich dabei war. Der Gianmarco Salvatore! „Lass mich raten. Du stellst dir meinen Vater vor?" Raffa lässt sich mit einem wissenden grinsen auf das Sofa mitten im Raum nieder, und ich nicke leicht, während ich mich auf das gegenüberliegende Sofa setze.
„Richtig geraten", sage ich lächelnd, und schaue auf meine Hände, die sich direkt ineinander verhaken. Eine Weile schweigen wir beide, bis Raffa mit einem Räuspern die Stille durchbricht. „Wie geht's dir?" Überrascht schaue ich auf, denn ich hätte mit allem gerechnet hier in diesem Haus, nur nicht mit dieser Frage. Meine Augen müssen riesig sein, denn Raffa grinst leicht. „Äh... naja...", fange ich an, und Raffa hebt eine Hand. „Sag ruhig die Wahrheit." Ich nicke und schlucke.
„Ich bin hin- und hergerissen. Ich weiß nicht genau, was ich fühlen soll. Einerseits geht es mir scheisse, weil ich nicht bei meiner Familie und meinen Freunden sein kann, die ich so sehr liebe. Schon nur annähernd daran zu denken, was für Sorgen sie sich wohl machen, bricht mir fast das Herz, und ich wünschte, ich könnte alle einfach in den Arm nehmen. Andererseits fange ich langsam an, mich an ein paar wenige Dinge hier zu gewöhnen. Ich habe heute Nicola vor der Polizei gedeckt, weil ich nicht wollte, dass er für etwas büßen muss, was er nicht getan hat. Gianmarco und seine Affen haben entschieden mich mitzunehmen, nicht Nicola, Alexa, Amy oder du. Wenn also jemand dafür büßen soll, dann euer Vater. Und dann hege ich irgendwo etwas Mitgefühl. Gegen außen seid ihr eine ganz normale Familie, wie jede andere eben auch. Aber dann kommen diese Vorurteile, die in der Stadt geschlossen und verbreitet werden. Die euch das Leben wohl nicht gerade leichter machen. Die Vorurteile dir und Nicola gegenüber, weil ihr die Söhne eines Mafiabosses seid, der nicht gerade als gutmütig und sanft bekannt ist. Die Leute erwarten automatisch dasselbe von euch, und ihr könnt nicht mal unter Beweis stellen, dass ihr vielleicht ganz tolle Kerle seid. Niemand wird jemals einsehen, dass ihr hier rein geboren wurdet. Ich hasse diese Vorurteile immer wie mehr, weil ihr – oder jedenfalls du, Amy und Alexa – eigentlich gar nicht so kühl und herzlos seid, wie immer alle sagen."
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Nicola - ✔️
Novela Juvenil- überarbeitet - Was einem durch den Kopf geht, wenn man den Lauf einer Waffe an der Schläfe spürt, mag vieles sein. Aber ganz bestimmt nicht, dass der Sohn deines Entführers dein Leben auf den Kopf stellen wird. -- Als Aria sich genau in dieser S...