Aria POV
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Ich weiß nicht, wie lange ich hier schon sitze, Nicolas Hand halte und heule. Ab und zu rede ich auch mit dem Jungen, doch mit zitternder Stimme ist das gar nicht mal so einfach. Inzwischen ist schon zwei Mal eine Krankenschwester reingekommen, um irgendein Mittel, welches durch Nicolas Infusion läuft, zu ersetzen, und um seine Werte kurz zu überwachen.
Mit mir gesprochen hat sie kaum, doch das stört mich auch nicht sonderlich. Momentan habe ich keinen Redebedarf, ich will einfach nur, dass Nicola wieder gesund aufwachen wird und bald nach Hause darf. Raffa war mit Amy auch schon mal hier, und von ihnen habe ich vernommen, dass die Männer von Santos kamen. Es hätte mich auch überrascht, wenn nicht.
Da einer von ihnen noch bei Bewusstsein war, hat Gianmarco ihn kurzerhand gefangen genommen, um ihm Informationen zu entlocken. Sterben wird er wahrscheinlich sowieso bald, aber um ehrlich zu sein interessiert mich das jetzt gerade ziemlich wenig. Viel mehr interessiert es mich, wie Santos rausgefunden hat, wo wir wohnen. Denn jetzt ist nicht mal mehr das Haus der Salvatores ein sicherer Ort.
Wunderbar, nicht?
Wie in den letzten Stunden schon oft streiche ich mir wieder mal fahrig die Tränen von den Wangen, welche mittlerweile ganz rau sind vom vielen weinen. Meine Augen pulsieren und fühlen sich an, als hätte ich mehrere Wochen keinen Schlaf bekommen. Und ehrlich gesagt fühlt sich der Rest meines Körpers kein bisschen besser an.
Und doch bleibe ich hier sitzen, lausche den Atemgeräuschen von Nicola, halte seine Hand und mache mich selbst mit meinen Gedanken verrückt.
Die Ärzte haben es aufgegeben, mich dazu zu überreden, nach Hause zu gehen und morgen wieder zu kommen. Das einzige Mal als ich das Zimmer verlassen habe, habe ich mir nur einen Kaffee geholt, um wach zu bleiben. Das ist jetzt auch schon über eine Stunde her. Raffa und Amy sind nach Hause gefahren, um dort ebenfalls nach dem Rechten zu sehen, da einer von Gianmarco's Männern ebenfalls leicht verletzt wurde.
Niemand hat mit dem Angriff gerechnet, nicht mal Gianmarco. Zwar war es klar, dass Santos uns in absehbarer Zeit mal angreifen würde, aber mir war nicht klar, dass das bei uns zu Hause passieren würde, und auch noch gleichzeitig mit Alexas Entführung. Ich frage mich, ob sie mitbekommen hat, dass Santos uns angreifen wird. Und ich frage mich, wie es ihr geht. Ob sie verletzt ist, ob sie gefoltert wird, ob sie überhaupt noch lebt. Zwar halte ich es eher für unwahrscheinlich, dass Santos sie umgebracht hat, immerhin braucht er ja Informationen.
Und Leichen waren bisher noch nie sonderlich gesprächig.
Ein herzhaftes Gähnen entflieht mir, und ich realisiere langsam, dass auch mein vierter Kaffee meinen Schlaf nicht kompensieren wird. Da ich Nicola jedoch nicht alleine lassen will, muss ich eben stark bleiben. Ich will nicht, dass er nach diesem Erlebnis alleine aufwacht.
Seit wann ist mir das so wichtig?
Ich schlucke, und auf einen Schlag bin ich wach. Scheisse, seit wann ist es mir so wichtig, wie es Nicola geht? Seit wann will ich sogar meinen heiß geliebten Schlaf opfern, damit er nicht alleine aufwacht?
Langsam schaue ich zu Nicola, und als mein Blick zuerst auf seine Augen, und dann auf seine Lippen fällt, macht mein Herz einen kleinen Sprung. Mein Hirn fängt direkt an, alle Situationen in meinem Kopf abzuspielen, in denen Nicola und ich uns nah waren – und das sind nicht mal so wenige. Das erste Mal war in Seattle, wo Alexa mich mit ihrem Pulli gejagt hat, und ich dann gegen Nicola gestoßen bin. Schon da hat meine Haut ziemlich gekribbelt, als sein Atem darauf abprallte.
Dann natürlich bei den Trainings.
Das erste Mal, wo es nicht zwingend ungewollt war, war im Hotel, wo wir ziemlich eng umschlungen eingeschlafen sind. Es hat sich gut angefühlt, fast verboten gut um genau zu sein. Sein Herzschlag hat mich beruhigt, und ich habe schon lange nicht mehr so gut geschlafen, wie in seinen Armen. Und dann in meinem Zimmer, nachdem Santos mich angegriffen hatte. Das war das erste Mal, wo ich gemerkt habe, dass mir der Italiener wohl etwas wichtiger ist, als dass ich anfangs immer behauptet habe.
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Nicola - ✔️
Genç Kurgu- überarbeitet - Was einem durch den Kopf geht, wenn man den Lauf einer Waffe an der Schläfe spürt, mag vieles sein. Aber ganz bestimmt nicht, dass der Sohn deines Entführers dein Leben auf den Kopf stellen wird. -- Als Aria sich genau in dieser S...