Kapitel 3

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*Lunas Sicht*

Ich war nervös. Ziemlich nervös.

Mein Körper war bis aufs Äußerste angespannt, weil ich jede Sekunde aufgerufen werden konnte. Bisher hatte ich meine Gegner über den Bildschirm in meiner Kabine beobachtet. Sie waren alle verdammt gut, sogar besser als letztes Jahr, weshalb ich immer unsicherer wurde, ob ich es wirklich schaffen konnte.

Um mich zu beruhigen, holte ich mehrfach tief Luft. Ich musste einfach nur atmen. Einatmen, ausatmen, einatmen, ausatmen. Langsam bewirkte diese Methode, dass ich mich entspannte.
>Ich kann es schaffen. Und ich werde es schaffen!<
Ich warf einen letzten Blick in den Spiegel.

Meine Haare hatte ich zusammengebunden und ließ den geflochtenen Zopf über meine rechte Schulter fallen. Ansonsten trug ich ein Kleid, das knapp über den Knien endete, und bei Pirouetten wunderschön um mich herumwirbeln würde.

Meine Skates hatte ich zum Anfang meiner Karriere von meinen Eltern geschenkt bekommen und seitdem immer mit Stolz getragen. Ich liebte das helle Blau und die türkisen Verzierungen, welche den Rollschuhen ein beruhigendes Aussehen verlieh, fast so wie das Meer. Doch auch dieses konnte unruhig sein, ebenso wie ich.

Wehmütig schweiften meine Gedanken zu meinen Eltern. Ich vermisste sie so sehr, dabei wusste ich, dass sie heute nicht zugucken konnten. Und auch den nächsten Wettbewerb würden sie verpassen.

Kommentator:„Unsere nächste Teilnehmerin ist Luna Valente!"

Ich holte noch einmal tief Luft, ehe ich aus meiner Kabine herausfuhr und langsam den Weg zur Bahn entlang rollte. Mit einem Mal kehrte auch meine Nervosität zurück, sodass ich mich hektisch nach Simon umschaute, sobald ich wenige Meter von der Bahn entfernt stehen blieb.

Erleichterung überfiel mich, als ich ihn in der Menge entdeckte. Sofort fing ich an zu lächeln und fuhr dann strahlend und winkend auf die Bahn. Applaus erklang und begleitete mich bis in die Mitte. Dort begrüßte ich die Jury mit einem angedeuteten Knicks und begab mich dann in die hintere linke Ecke, von der aus ich meine Choreografie starten würde.

Als die ersten Töne der Musik erklungen, ließ ich alles von mir abfallen. Die Anspannung, die Nervosität und sogar den Gedanken an Matteo. Das Einzige, was in diesem Moment zählte, war mein Auftritt.

Konzentriert fuhr ich eine Runde, bevor ich begann immer engere Kreise bis zur Mitte hin zu ziehen. Dort ging ich in die Hocke, streckte mein rechtes Bein von mir weg, umschlang mein linkes angewinkeltes Bein mit den Armen und drehte mich mehrfach um meine eigene Achse. Dann richtete ich mich auf und vollführte einen Spagatsprung, ehe ich weiterfuhr. Ich fuhr bis an den Rand, direkt auf die Jury zu, und machte im Sprung eine 180-Grad-Drehung, sodass ich nun rückwärts fahren konnte. Meine nächsten Schritte bestanden darin, rückwärts Slalom zu fahren und mich dann so nach hinten abzurollen, dass ich danach keine Probleme hatte mit dem Schwung aufzustehen.

Ich stoppte kurz, als es mir gelang. Diese Stelle hatte mir beim Training fast die meisten Schwierigkeiten bereitet. Doch da nun diese Hürde überwunden war, gab ich mir bei der restlichen Choreografie noch mehr Mühe.

Nach dem Rückwärtsfahren wechselte ich meine Position, um seitlich fahren zu können. Den einen Fuß vor den anderen setzend, fuhr ich eine komplette Runde, um danach erneut rückwärts zu fahren. Es folgten nun ein paar Sprünge, bei denen ich mich einmal komplett in der Luft drehte, um dann wieder auf dem Bode aufzukommen und weiterzufahren. Als nächstes steuerte ich ein weiteres Mal auf die Mitte zu. Als ich mich in einen Handstand fallen ließ, setzte die Musik aus. Ich hielt meine Figur, ehe die Musik energischer als zuvor wieder einsetzte. Schwungvoll drückte ich mich mit den Händen am Boden ab und landete sicher wieder auf meinen Skates. Ich fuhr nun wieder vorwärts und begann immer schneller zu fahren. Ich beugte mich leicht nach vorne und stoppte dann abrupt, um im selben Moment einen Rückwärtssalto zu machen. Ich wusste wie riskant das war, aber ich wusste auch wie viele Punkte es mir einbringen würde.

Alles um mich herum war wie in Zeitlupe als ich in der Luft war. Erst als meine Rollschuhe wieder den Boden berührten, verlief die Zeit wieder normal. Doch den tosenden Applaus, der erklang, nahm ich nur dumpf war. Stattdessen ließ ich mich lächelnd in einen Spagat sinken, der meine Aufführung beenden würde.

Ich war unendlich froh, dass dieser Salto geklappt hatte, denn es war mir vorher nur einmal gelungen. Dieser Wechsel aus dem hohen Tempo und das plötzliche Stoppen, um dann direkt in den Salto überzugehen, war unglaublich schwer. Doch irgendwie hatte ich es gemeistert.

Ich atmete schwer, als der Applaus dann doch vollständig zu mir durchdrang und der Kommentator meinen Auftritt lobte.

Langsam rollte ich zurück zur Bahnmitte und verabschiedete mich von der Jury. Anschließend fuhr ich erneut winkend von der Bahn.

Selbst als ich nicht mehr zu sehen war, hörte ich, dass mein Applaus nicht abebbte, obwohl der Kommentator bereits die nächste und auch letzte Teilnehmerin ankündigte. Nach ihr würde die Jury eine halbe Stunde Beratungszeit bekommen und dann die Ergebnisse verkünden.

In meiner Kabine angekommen, warf ich mich sofort auf die Couch. Vor Erleichterung, dass mir alles gelungen war, fing ich an zu weinen. Ich war so glücklich, obwohl ich nichtmal wusste, ob es sich am Ende auch auszahlen würde. Und selbst wenn nicht, dann hatte ich heute die beste Leistung vollbracht, die ich jemals erbracht hatte. Und das erfüllte mich mit Stolz.

Ich hatte keine Ahnung wie viel Zeit vergangen war, als endlich die Stimme des Kommentators ertönte und alle Teilnehmer auf die Bahn rief. Hektisch wischte ich mir über die Augen und versuchte schnell mit ein bisschen Make-up meine geröteten Augen zu überdecken.

Es gelang mir mehr oder weniger gut, aber das genügte mir.

Ich war die Letzte, die sich in die Reihe eingliederte, in der sich die anderen Teilnehmer aufgestellt hatten. Meine Augen suchten erneut nach Simon und als sie ihn fanden, sah ich ihn beide Daumen für mich drückend. Auf seinen Gesichtszügen lag ein Ausdruck von Liebe und Stolz, ganz egal, wie das hier enden würde.

L:„Ich liebe dich..."

Meine Worte waren bloß gehaucht, sodass niemand sie verstehen konnte, doch Simon bewegte ebenfalls seine Lippen, um Worte zu formen. Und ich wusste, dass er sie mit einem "Ich liebe dich auch" erwiderte.

Lächelnd wandte ich mich von ihm ab und richtete meine Aufmerksamkeit auf die Jury. In wenigen Sekunden würden die Ergebnisse verkündet werden.

Gerade als einer von den in Anzügen und Blazern gekleideten Männer und Frauen aufstand, erregte ein Pärchen, nicht weit von ihnen, meine Aufmerksamkeit.

Als ich genauer hinsah, erkannte ich eine junge Frau mit braunen Haaren und einer Brille, sowie einen Mann mit braunblonden Haaren. Sie erinnerten mich sehr an meine Freunde Nina und Gaston, doch es war unmöglich, dass sie heute hier waren.

Aber als ich einen erneuten Blick auf sie warf, war es mir klar. Sie erinnerten mich nicht nur an meine Freunde, sie waren es auch. Dort standen Nina und Gaston.

Ninas und mein Blick kreuzten sich und sofort schlich sich ein schüchternes Lächeln auf ihre Lippen. Das war zweifellos meine Freundin Nina Simonetti. Und als auch Gaston mich angrinste, war ich mir hundertprozentig sicher.

Meine Freunde waren gekommen, um mir beizustehen, obwohl wir uns das letzte Mal vor einem halben Jahr gesehen hatten.

Trotzdem waren sie hier. Gaston und Nina. Der beste Freund meines Ex und meine beste Freundin, die mir beistand, als es mir am schlechtesten ging.

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Hoffentlich war es nicht allzu schwer meiner "Choreografie" zu folgen.

Ich hoffe das Kapitel gefällt euch

Er veränderte alles ... || Lutteo/Lumon FF  [s.u.]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt