Kapitel 3.2

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~um 1400 China ~

Nur der Ruf eines Kriegers, der die Mädchen auf dem Vorplatz der Verbotenen Stadt herumkommandierte, war zu hören. Eine Menge Mädchen aus den umliegenden Dörfern, die eingeladen worden waren, standen in Reih und Glied da und wurden einer genaueren Betrachtung unterzogen. Nur wenige würden die Auswahl bestehen und somit in den Palast einziehen dürfen.

Ein hochgewachsener Mann schritt durch die Reihen der Mädchen und blieb bei einigen stehen, um sie eindringlich zu mustern. Sein Blick verriet nichts, was in ihm vorging. Ob er sie hübsch fand oder hässlich.

Bis jetzt waren keine Augenweiden dabei gewesen, bis er plötzlich bei einem Mädchen stehen blieb. Sehr hübsch war sie, schwarze Haare, die im Sonnenschein leicht dunkelblau aussahen. Ihre zwei verschiedenen Augenfarben waren besonders. Das hatte es bis jetzt noch nicht gegeben. Auch die Größe des Mädchens war hervorragend, denn das versprach, dass sie noch jung war. Sie war um einiges kleiner als die anderen, was der Kaiser mit Sicherheit begrüßen würde.

„Vortreten", befahl der Eunuche dem Mädchen mit einem scharfen Befehl. Die Vögel flatterten erschrocken bei dem Geräusch auf, welches über den großen Platz fegte.

Li-Min trat mit gesenktem Kopf vor und hatte die Hände sittsam vor ihrem Körper gefaltet. Sie hoffte wirklich, dass ihre Sinne sie nicht täuschten und sie den Mann, den sie suchte, hinter diesen Mauern fand. Sonst müsste sie ihren Tod vortäuschen, um dieses Gelände wieder zu verlassen.

Eingehend wurde sie von dem Eunuchen gemustert, bevor dieser schließlich nickte. Ohne ein weiteres Wort zu sagen, ging er weiter. Da das junge Mädchen nun außerhalb der Reihe stand, würde sie eine der Wenigen sein, die bald hinter den Mauern leben würden.

Die Sichtung zog sich endlos hin. Unbarmherzig prallte die Sonne auf die Köpfe der Mädchen nieder. Einige wurden deshalb bewusstlos und schieden somit von vornherein aus. Was würde der Kaiser mit einem Schwächling wollen? Nicht gerade sanft wurden sie von den anderen Eunuchen weggeschleppt. Manche Mädchen waren einfach nicht stark, was an der Lebensweise von ihnen lag.

Leises Lachen war von der anderen Seite der Mauer zu vernehmen, welches sich unter dem Geplätscher des Brunnens mischte. Wie lange würde es noch dauern, bis der oberste Eunuche seine Sichtung beendet hatte?

Einige wurden unruhig und konnten bei der Hitze nicht mehr stillstehen. Auch sie schieden aus.

Ein weiterer Befehl war zu hören, bevor er fertig war. Nur zwei hatten es geschafft, in den Harem aufgenommen zu werden. Scharfe Worte wurden laut, die den anderen Mädchen befahlen, zu gehen. Nur Li-Min und ein anderes Mädchen blieben auf dem Vorplatz zurück.

Erst, als sämtliche Mädchen weggeschafft worden waren, wandte sich der Eunuch zu den Mädchen und deutete auf die Tür zur Verbotenen Stadt. Diese wurde ihm geöffnet und er führte die beiden Neulinge hinein.

Die Verbotene Stadt war ein architektonisches Meisterwerk und so aufgebaut, dass sie perfekt das Gleichgewicht der Welt widerspiegelte. Sie verkörperte das Prinzip von Yin und Yang.

Die schiere Fülle an Palästen, Pagoden und Gartenanlagen, schien das Mädchen neben Li-Min förmlich zu überfordern. Die Schwarzhaarige jedoch hatte ganz andere Prioritäten.

Ihre zweifarbigen Augen glitten umher und suchten nach der Aura ihres Geliebten. Sie hoffte, dass er keiner der Eunuchen war.

Das Gelände war jedoch so groß, dass sie kaum etwas wahrnahm und nur dem Mann folgen konnte.

Diese führte sie in einen Vorpalast und dort wurden sie erst einmal gereinigt und eingekleidet. Immerhin hatten sie sich der Ordnung hier zu unterwerfen.

Ab diesem Tag an, hatten sie einen festen Plan, nach dem sie leben würden. Solange, bis der Kaiser sie zu sich rufen ließ.

Er galt oft als neugierig, weshalb es nie lange dauerte, bis die neuen Frauen zu ihm gerufen wurden. Oft sogar noch am gleichen Tag. So wie auch an diesem.

Li-Min und das andere Mädchen wurden in ihr neues Zuhause geführt und bekamen dort den Befehl, auf den Ruf des Kaisers zu warten. Der Nachmittag verging und es wurde Abend, als ein Eunuche an die Tür von Li-Min klopfte.

Diese strich ihren Kimono glatt und wartete, bis der Eunuch hineinkam.

Dieser erklärte ihr, was zu tun war. Hinter ihm kamen einige weitere Frauen herein, die sie in Richtung Bad führten. Man würde sie waschen und danach in ein Tuch wickeln, denn sie sollte rein beim Kaiser ankommen. Man würde sie in die kaiserlichen Gemächer tragen.

Li-Min ließ es über sich ergehen und hoffte, dass es die Mühe wirklich wert war.

Es fühlte sich seltsam an, nur mit einem Tuch bekleidet von mehreren Männern getragen zu werden. Doch sie konnte spüren, dass sie der Aura näherkam. Das sorgte dafür, dass sie immer aufgeregter wurde.

Ruhig und gesittet ging es hier zu, das musste sie feststellen. Kein Laut war zu vernehmen, außer den gleichmäßigen Schritten der Eunuchen. Der Weg zum Kaiser war lang und Li-Min wurde bis zu der Tür vor seinem Schlafgemach gebracht.

Eine weiße, milchige Papiertür, hinter der man nichts erkennen konnte, war mit goldenen Verzierungen bestickt. Viel Arbeit hatte es gemacht, da war sich Li-Min sicher. Alle anderen Türen waren einfarbig gewesen, weshalb das der größte Hinweis darauf war, dass sich dahinter der Kaiser befand.

Die Eunuchen schoben die dünne Tür zur Seite und das Mädchen durfte das erste Mal einen Blick auf den Kaiser werfen.

Dieser stand an seinem Fenster, welches in den Innenhof des Palastes führte. Wäre der Hof nicht beleuchtet gewesen, hätte man nichts erkennen können, da es bereits dunkel war. Doch nun waren die Blumen und kleinen Teiche zu erkennen, die dem Ganzen etwas Romantisches verliehen.

Lange, schwarze Haare waren das Erste, was Li-Min zu sehen bekam. Sie ruhten auf dem breiten Rücken des Kaisers, welcher einen dunklen Kimono trug. Langsam drehte er sich zu ihr um, nachdem er die Tür gehört hatte und sah ihr in das Gesicht.

„Komm herein", klang sein Befehl dunkel und klar durch das Schlafzimmer.

Er vermischte sich mit einer anderen Stimme, die Audrey wieder in die Gegenwart riss.

Zeitlose Liebe *Version von 2019 - Neuauflage in Arbeit*Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt