5 Leben

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Ich schaue aus dem Fenster. Die Häuser ziehen an uns vorbei und die Dämmerung bricht langsam an. Ich atme tief ein und mein Blick fällt wieder auf Eve. "Wo sind meine Eltern?" Sie Atmet hörbar aus. "Mal wieder geschäfftlich unterwegs. Sie kommen in einer Woche wieder." ich verdrehte die Augen "und was haben sie mit Lukes gemacht?" sie schaut kurz zu mir, richtet ihren Blick dann aber wieder auf die Straße. "Sie haben ihn in irgend ein überteuertes Krankenhaus gebracht, eine Stunde von hier entfernt. Einfach nur weil sie immernoch glauben das ihr Geld ihn heilen wird." Eve verspannt sich hinter dem Lenkrad. Ich konnte ihre Aufregung verstehen. Mir kann es einfach nicht in den Sinn kommen, wie meine Eltern nur so Naiv sein können. "kann ich?" ohne meine Frage ausgesprochen zu haben nickt sie. "du kannst immer bei uns schlafen, das weißt du. Platz für dich habe ich auch noch" sie zwinkert mir zu und ich muss lächeln.

Ich wollte in meine eigenen vier Wände, ich wollte nach Hause, aber ich weiß das ich mein Zuhause nicht bei meinen Eltern finden werde, aber ich weiß auch nicht ob ich es bei Eve finden kann.

Zuhause ist da wo dein Herz ist, heißt es. Aber wo ist mein Zuhause, wenn ich nicht weiß wo mein Herz ist?

Mir ist es egal, ich kann und will einfach nur nicht alleine in einem großen Haus schlafen. Ich weiß nicht ob ich diese Nacht überleben würde.

"dann bist du wohl gezwungen zum Essen zu bleiben" strahlt sie. "Ich werde mich einfach..." wieder unterbricht sie mich. "du wirst dich nicht in deinem Zimmer einschließen. Nach der Aktion damals, haben wir deinen Schlüssel bei und versteckt" sie grinst siegessicher und ich muss mich wohl oder übel geschlagen geben.

Als Kind haben mein Bruder und ich manch mal mehrere Wochen bei Eve gewohnt, weil meine Eltern ausserhalb unterwegs waren und Terminen nachgehen mussten. Wir haben uns auf dem Dachboden ein Zimmer geteilt, während die anderen in der ersten Etage ihr Zimmer hatten. Ich hätte mich beschwären können mit meinem Bruder ein Zimmer zu haben. Aber es waren dennoch die schönsten Momente mit ihm.

Nachts wenn die Erwachsenen schliefen, dann machten wir es uns bequem und Samu, Santtu und Sanna sind zu uns hoch gekommen und dann haben wir uns immer die gruseligsten Geschichten erzählt oder unsere dunkelsten Geheimnisse.

Bei dem Gedanken an die damalige Zeit bildet sich ein lächeln auf meinen Lippen. Wir waren alle so unbeschwert, hatten keine Ahnung was das Leben für uns übrig hat. Und heute? Heute ist Santtu nur noch auf Reisen und genießt sein Leben. Sanna ist glücklich und hat zwei wunderbare Kinder. Samu ist ein bekannter und leidenschaftlicher Musiker.

Und was ist mit mir und meinem Bruder? Mein Bruder wird sterben, da führt kein Weg drumherum, kein Geld wird diese Tatsache ändern. Allein die kommenden Momente mit ihm werden alles sein was wir noch haben. Alles was wir bekommen und alles was wir brauchen. Jeder Atemzug von ihm könnte sein letzter sein und noch nie hatte ich ein besseres Beispiel für lebe dein Leben, genieße jede Sekunde als könnte sie deine letzte sein. Der Tag wird kommen und er wird seine Augen schließen und alles was wir dann noch haben sind die Erinnerungen. Auf Bildern, Videos oder die Erinnerungen an die schönen Momente. Aber auch die traurigen Momente werden eine Spur in unserem Herzen hinterlasse.

Und ich? Ich bin ein mal falsch abgebogen und lebe in Angst. Angst davor gefunden zu werden. Gefunden werden und dann wieder an ihn gebunden zu sein. Er wird mich mein ganzes Leben lang verfolgen, dass weiß ich auch ohne eine Zauberkugel.

Das ist also mein Dank. Mein Dank dafür, dass ich immer das artige Mädchen war und immer alles getan habe was man von mir verlangte. Das war mein Dank dafür, das ich das Leben anderer immer vor mein eigenes stellte. Der Dank dafür war die ständige Angst in meinem Leben. Gebunden zu sein an einen Menschen, von den man eigentlich nur so weit wie es geht weg sein möchte. Aber das würde er nie zulassen, er würde mir nie mals die Freiheit schenken. Es ist nur eine frage der Zeit bis jemand von seinen Männern vor der Tür steht. Obwohl, nein. Das wird er selber erledigen. Es wird sein lieblingsspiel werden. Er ist wie ein Raubtier, er wird erst ruhe geben, wenn er sein Opfer eigenhändig geschnappt hat. Es macht ihm spaß. Es macht ihm spaß mich leiden zu sehen, mich meinem Glück zu berauben.

"Wir sind da" holt mich Eve wieder aus meinen Gedanken und mein Blick fällt auf das schöne Gelb gestrichene Familienhaus vor mir. In dem so viele schöne Erinnerungen stecken. In dem es förmlich nach Freiheit, Geborgenheit, Hoffnung und Liebe roch.

Forever YOUrsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt