Kapitel 46

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Fasziniert drehte ich die Kugel in meiner Hand und ignorierte das beklemmende Gefühl, dass sich in meiner Brust breitmachte. Das blau-silbrige Schimmern hatte mich völlig in den Bann gezogen und tauchte den gesamten Raum in ein unheilvolles Licht. Plötzlich erschien wie aus dem Nichts ein Bild vor meinen Augen, dass mich beinahe die Kugel fallen ließ. Meine Eltern, als sie noch etwas jünger gewesen waren. Sie saßen im Grauen Salon im Black'schen Anwesen auf einem der unbequemen Chaise-Sofas. Ihnen gegenüber kauerte eine vornehm gekleidete Person auf der Kante der Sitzgelegenheit. Ihre dunklen Haare waren zu einem strengen Knoten gebunden und brachte ihre spitzen Gesichtszüge deutlich zur Geltung. Mit geschlossenen Augen wippte sie langsam vor und zurück und hielt ihre Hände wie die Muggel beim Beten. Plötzlich kam ein leises Krächzen aus ihrer Kehle und sie begann wie in Trance zu sprechen. „Eine weitere wird euch geboren, ein Stern bald erlöschend. Hirsch und Hund sind ihr Begleiter, der Mondjunge wird sie lieben. Ein Adler auf güldenen Schwingen kommt von Osten, ein Bündnis hält sie fest." Sie atmete rasselnd ein und riss offenbar geschockt ihre Augen auf. Eine kleine Träne rollte über ihre blasse Wange und sie unterdrückte offenbar geradeso einen Schrei. „Dann wird sie fallen, niedergestreckt durch die schwarzen Kriegerin. Im Tod wird sie erlösen und ein weiterer Stern erstrahlt am Himmelszelt." Ihre Stimme war zum Ende hin immer ruhiger und leiser geworden. Dann sackte sie in sich zusammen und meine Eltern warfen sich einen skeptischen Blick zu. „Nelly, geleite Miss Isobel doch zur Tür.", befahl mein Vater mit herrischer Stimme und sofort wuselte unsere Hauselfe zu der jungen Frau und führte sie sanft am Arm zur Tür des Salons. Damit endete das Bild vor meinen Augen und ich wurde unsanft zurück in die Wirklichkeit katapultiert. Verwirrt drehte ich die Kugel in meiner Hand herum. Das mysteriöse Leuchten hatte inzwischen aufgehört und meine Hand wurde langsam wieder warm. Was bei Merlins Bart war das gewesen?

Grübelnd saß ich vor unserem Kamin im Schlafsaal und drehte immer wieder den Siegelring, den ich von meinen Eltern zu Weihnachten geschickt bekommen hatte, in meinen Händen hin und her. Wer war Isobel und was hatte sie den beiden erzählt? Von ihrem mystischen Geschwafel brummte mir der Kopf. Welcher Adler und wer war die schwarze Kriegerin? Frustriert lehnte ich meinen Kopf an die Lehne des Sofas. Vielleicht sollte ich Lily um Rat fragen, sie liebte Rätselkrimis im Muggelfernsehen und kam immer auf die Lösung. Für sie war es bestimmt wahnsinnig interessant, die Symbole zu entschlüsseln. Aber andererseits war ich mir nicht sicher, ob ich dieses pikante Stück Familiengeheimnis mit ihr teilen wollte. Was, wenn es mir mein restliches Leben genauestens prophezeite? Das leise Türenknarzen brachte mich etwas aus dem Konzept. Träge drehte ich mich um. Marlene schloss die Tür hinter sich und kickte ihre Absatzschuhe unter ihr Bett. Dann tappte sie zu mir und ließ sich in die weichen Polster sinken. „Das war vielleicht ein Tag...", seufzte sie und streckte ihre Zehen in Richtung der wohltuenden Wärme des Kaminfeuers. „Das kannst du laut sagen...", gab ich zurück. „So schlimm?" Geschickt drehte sie ihre Haare zu einem Knoten und streckte ihn mit ihrem Zauberstab locker am Hinterkopf fest. Kurz zögerte ich. „Ich war mal wieder im Raum der Wünsche. Er hat sich in eine kleine Bibliothek verwandelt und plötzlich stand da ein großer Schrank und ich musste ihn einfach aufmachen. Auf einem Regalbrett lag eine kleine Glaskugel, die angefangen hat, blau zu leuchten, als ich sie in die Hand genommen habe.", sprudelte es aus mir heraus. „Du meinst eine Prophezeiung?", unterbrach die Blondine mich und musterte mich misstrauisch. „Eine was?" Ein leichtes Lächeln huschte über ihr Gesicht. „Eine Prophezeiung. Echt jetzt Cassy, du als geborene Hexe solltest sowas eigentlich eher wissen als ich...", zog sie mich auf. Ich verdrehte nur grinsend die Augen und setzte mich etwas aufrechter hin. „Komm schon, erleuchte die dumme Hexe." Sie zog ihre Beine in den Schneidersitz und formte den mit ihren Händen eine Kugel. „Prophezeiungen sind etwa so groß und aus Glas. Häufig sind sie mit grauem oder bläulichem Dunst gefüllt. Außerdem kann sie nur von demjenigen angehört werden, um den es in dieser Vision geht." Langsam dämmerte es bei mir. „Dann war diese Vorhersage also über mich.", stellte ich fest. „Du hast eine Prophezeiung über dich? Wie cool!" Marlene klatschte gespannt in die Hände und rückte noch etwas näher zu mir. „Darf... darf ich sie hören?", fragte sie beinahe schüchtern. Wieder zögerte ich etwas und gab mir dann aber einen Ruck. Selbst wenn sie nicht eine solche Rätselfanatikerin wie Lily war, konnte sie mir bestimmt helfen, etwas Licht in das Dunkel zu bringen. „Eine weitere wird euch geboren...", begann ich mit leiser Stimme zu rezitieren. Als ich geendet hatte, starrte die blonde Hexe mich beinahe ehrfürchtig an. „Das ist so krass, Cassy.", hauchte sie beeindruckt. Mit einer eleganten Bewegung ihres Zauberstabs flogen eine Rolle Pergament und eine Feder herbei und eifrig begann sie, darauf herumzukritzeln. „Du bist die letzte deiner drei Schwestern, das ist ja klar. Du bist nach einem Stern benannt, auch verständlich. Das erlöschen stellen wir hinten an. Hirsch und Hund..." Grübelnd zeichnete sie ein kleines Muster in die Ecke des Pergaments. „James und Sirius!" Ächzend wank sie ab. „Das kannst du vergessen, die beiden sind bei Rateaufgaben ganz schlecht." Ich wurde vor Aufregung ganz hibbelig. „Das meine ich nicht, denk doch mal nach. Die zwei sind Animagi, James ist ein Hirsch und Sirius?" Abwartend sah ich sie an. „Ein Hund...", beendete sie langsam meinen Satz. Über den Zettel gebeugt notierte sie meine Idee und fuhr dann fort. „Wer ist der Mondjunge? Ich kenne nur den Mann im Mond, aber das ist eine nicht sehr weit verbreitete Muggelfantasie, ich glaube nicht, dass eine Seherin so etwas kennt.", meinte Marlene entschuldigend und setzte ein großes Fragezeichen dahinter. „Der Adler muss wohl auch irgendeine symbolische Bedeutung haben, ich habe nämlich keine Ahnung, was damit gemeint ist.", fuhr ich schulterzuckend fort und fuhr mir durch die Haare. „Wir sollten in der Bibliothek recherchieren, vielleicht finden wir da ein Buch über häufig verwendete Symbole. Oder du fragst Trelawney, die liest dir da bestimmt eine tödliche Zukunft heraus." Kichernd unterstrich Marlene die Worte Adler, Bündnis und Kriegerin und schrieb dann den Namen unserer Professorin für Wahrsagen darunter. Grinsend knuffte ich sie in die Seite. „Lieber in die Bibliothek. Morgen vor Zaubertränke?"

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Hey Potterheads!
Ein neues Kapitel, das Achte Weltwunder wurde gefunden...
Was haltet ihr von dieser wahnsinnig kreativen und geheimnisvollen Prophezeiung, die wir uns vor zwei Jahren, als wir die ersten Ideen für dieses Buch aufgeschrieben haben, mal eben aus dem Ärmel geschüttelt haben?
Interpretationsvorschläge gerne in die Kommentare :-)
LG Zissy und Bella

The Other BlackWo Geschichten leben. Entdecke jetzt