Nervös ließ ich meinen Blick durch den großen Ballsaal schweifen. Die laute Geräuschkulisse trug mehr und mehr dazu bei, dass meine Hände anfingen, leicht zu zittern. Wiederholt strich ich mir über den fürchterlichen geblümten Rock meines ausladenden Kleides. Ich hatte Angst. Panische Angst. Acht reinblütige Zaubererfamilien waren angereist, zwölf junge Männer warteten auf die Ansprache meines Vaters. Mein Blick blieb an zwei Gestalten vor dem Büffet hängen. Der linke hatte schulterlange, blonde Haare und aristokratischen Züge. Er trug einen maßgeschneiderten, schwarzen Festumhang, der perfekt saß. Mit einem süffisanten Lächeln trank er einen Schluck Champagner. Der Rechte war das komplette Gegenteil. Er fuhr sich durch seine dunklen, kurzgeschorenen Haare und strich dann über seinen nachtblauen Umhang, der ihm eine gewisse Eleganz verlieh. Seine sonnengebräunte Haut leuchtete beinahe im Schein der vielen imposanten Kronleuchter. Als hätten die beiden meine Blicke gespürt, drehten sie sich plötzlich zu mir um. Nikolai fixierte mich mit seinen stechend blauen Augen, während Raphaël freundlich lächelte und sich wieder dem Bulgaren zuwandte. Die beiden waren gestern beinahe gleichzeitig angereist. Als meine Mutter bemerkt hatte, dass ich den blonden Zauberer bereits kannte, war sie ganz aus dem Häuschen. Er war tatsächlich relativ nett und höflich gewesen, aber dennoch distanziert. Raphaël hingegen hatte mich zuvorkommend aus meiner misslichen Lage befreit und mich auf einen Spaziergang eingeladen. Soweit ich ihn beurteilen konnte, war er nicht allzu fanatisch wie der Rest der Anwärter und damit in meiner Favoritenliste gehörig aufgestiegen. Danach hatte mich Nikolai auf ein Gespräch in den Grünen Salon gebeten. Er hatte mir von seinem Abschluss erzählt, seiner Ausbildung bei Gringotts. Er strebte einen Posten als stellvertretender Vorsitzender in Bulgarien an und wäre damit - O-Ton meiner Mutter - eine sehr gute Partie. Der blonde Zauberer hatte jedoch mit keinem Wort unsere verjährte Beziehung angesprochen und benahm sich auch so, als hätte zwischen uns beiden nie eine erwähnenswerte engere Verbindung bestanden. Damals hatte ich mit ihm lachen können, während wir jetzt nur noch an oberflächlichen Gesprächsthemen kratzten. Gedankenverloren trank ich einen Schluck Champagner und drehte das hohe Glas mit dem perlenden Inhalt hin und her. Es war, als hätte ich einen neuen Nikolai kennengelernt. Er hatte sich verändert, und das nicht nur charakterlich. Seine einst welligen, schulterlangen Haare waren um einiges kürzer worden und akkurat zurückgekämmt, er war noch muskulöser geworden und ein Stück gewachsen, sodass er nun einen ganzen Kopf größer war als ich.
Raphaël hingegen war nur ein wenig größer als ich und hatte deutlich weniger Muskelmasse als Nikolai. Sein breites Lächeln wirkte ehrlich und offen. Er hatte mir viel über sich erzählt, seine Kindheit in Belgien schien um einiges glücklicher als meine gewesen zu sein, was ich ihm jedoch nicht erzählt hatte. Er arbeitete im Ministerium und stand nach der Aussage seines Vaters in sehr gutem Kontakt zum Zaubereiminister, was meinen Vater wiederum sehr erfreut hatte.„Über was zerbrichst du dir jetzt schon wieder dein hübsches Köpfchen?" Unbemerkt von mir hatte sich Nikolai an mich herangeschlichen und seinen Kopf über meine Schulter gebeugt. Erschrocken hielt ich die Luft an und fuhr herum. Ein leicht spöttisches Lächeln umspielte den Mund des blonden Schönlings. „Was willst du, Nikolai?" Ich hatte mich schnell wieder gefangen und einen gelangweilten, hochnäsigen Gesichtsausdruck aufgesetzt. Er grinste süffisant. „Das weißt du genau. Die Frage ist, was du willst, Cassiopeia?" Kurz dachte ich, dass ich mich verhört hatte. „Ich will meine Ruhe. Ich will einfach nur ein ganz normales Mädchen sein, das sich seinen Zukünftigen selbst aussuchen darf." Ich verzog schmerzlich mein Gesicht. Nikolai beugte sich wieder näher zu mir und sah mir tief in die Augen. „Aber das darfst du doch...", flüsterte er mir ins Ohr und strich wie beiläufig über den lachsfarbenen Schoß meines Kleides. „Warum versuchst du dann, mich zu verführen?" Der Bulgare sah aus, als hätte ich ihm einen Schlag ins Gesicht verpasst hätte. „Ich bin nicht mehr vierzehn, Nikolai. Damals war ich vielleicht noch jung, dumm und leicht zu beeindrucken, aber inzwischen kenne ich deine Masche. Damit kannst du mich nicht mehr um den Finger wickeln. Versuch es gar nicht erst.", fügte ich hinzu und lächelte freundlich. Dann drehte ich mich auf dem Absatz um und ging mit elegantem Hüftschwung zu meiner Mutter hinüber, die sich gerade mit Mrs. Lestrange unterhielt. Rabastan, ihr Sohn, war für sie und mich direkt ausgeschieden. Alles was sein älterer Bruder - mein Schwager - an Intelligenz und gutem Aussehen geerbt hatte, fehlte dem grobschlächtigen, schrankartig anmutenden Zauberer. Geduldig wartete ich, bis die beiden ihr Gespräch beendet hatten und bat meine Mutter freundlich um eine Unterredung. „Raphaël. Ich denke Raphaël ist perfekt.", sagte ich geradeheraus. Meine Mutter runzelte die Stirn. „Woher der plötzliche Sinneswandel?" Sie musterte mich lauernd. „Ich suche mir meinen Zukünftigen lieber selbst aus, bevor ich einen von euch vor die Nase gesetzt bekomme.", erwiderte ich bissig. Die Augen meiner Gegenüber verengten sich schlitzartig. Sie nickte nur knapp und wandte sich dann wieder an Mrs. Lestrange.
„Die Stunde der Wahrheit ist gekommen, da ich nun die Entscheidung unserer Tochter verkünden werde. Zwölf junge Zauberer haben sich dazu entschlossen, ihr Glück zu versuchen. Nach reiflichen Überlegungen und Abwägungen sind wir zu dem Schluss gekommen, dass Beziehungen in das Ausland nie zu verachten sind." Ich nutzte die kunstvolle Pause meines Vaters und ließ meinen Blick über die Mienen der Anwesenden schweifen. Von erleichtert bis verärgert war beinahe alles dabei. Raphaël's Gesichtsausdruck war weiterhin angespannt, er schien sich mehr zu erhoffen. Jaques und Gabriel, beide aus Frankreich, waren relativ siegessicher und hatten ein hochnäsiges Lächeln aufgesetzt, während Filip mich sehr eindeutig angrinste. Nikolai hingegen schien die Ruhe in Person zu sein und hatte sich entspannt zurückgelehnt. Ich wandte mich von den Anwärtern ab und sah wieder meinen Vater an, der mit meiner Mutter an seiner Seite am Kopf der langen Tafel stand. Aufgeregt krallte ich meine Hände in den starren Stoff. Gleich war es so weit. „Aus diesem und unzähligen anderen Gründen hat sich meine Tochter nach einer gewissen Entscheidungsphase deshalb für unseren Gast aus Bulgarien entschieden." Ich brauchte kurz, um die Worte meines Vaters zu realisieren, doch dann brach der verhaltene Applaus wie eine Welle über mich herein. Erst als meine Mutter mich leicht anstupste, erhob ich mich und stellte mich neben sie. Auch Nikolai stand auf und kam mit großen Schritten auf das Tafelende zu. Ein überhebliches Lächeln zierte seine aristokratischen Gesichtszüge. Wie betäubt hielt ich ihm meine Hand hin, auf die er einen leichten Kuss hauchte und dann auch nicht mehr losließ. Das Blitzlicht einer Kamera blendete mich, ich versuchte zu lächeln. Die ersten Kandidaten beglückwünschten und und verabschiedeten sich. Wie durch Watte hörte ich die Worte der Leute um mich herum. Ich schüttelte Hände und bedankte mich, wünschte einen gute Heimreise. Erst nach einigen Minuten bekam ich alles um mich herum wieder mit. Und plötzlich stand Raphaël vor mir. Seine bittere Miene brach mir fast das Herz. Ich fiel ihm beinahe um den Hals. „Es tut mir leid. Es tut mir so leid, ich wollte das nicht, ich habe meiner Mutter gesagt, dass ich dich will, aber..." Meine geflüsterten Entschuldigungen wurden abrupt unterbrochen, als Nikolai sich vernehmlich räusperte. „Raphaël." Er nickte kurz. „Herzlichen Glückwunsch.", wünschte der Belgier und reichte ihm die Hand. „Tja, weißt du, es ist wirklich schade, aber der Bessere gewinnt schließlich." Der blonde Zauberer grinste berechnend und legte besitzergreifend eine Hand um meine Taille. „Nicht wahr, Cassiopeia?"
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Hey Potterheads,
welcome back :-/
Irgendwie war das Kapi seit 10 Tagen fast komplett fertig, allerdings wussten wir nicht, ob Raphaël oder Nikolai gewinnen soll... irgendwie ist er uns in diesem einen Kapitel ziemlich ans Herz gewachsen und wir wollten ihn eigentlich nicht gehen lassen. But life is life, und deshalb ist jetzt Nikolai der neue Mann an Cassy's Seite ;-)
Bis dann,
LG Zissy und BellaPS: Raphaël😍
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The Other Black
FanficWas wäre, wenn Bellatrix, Narcissa und Andromeda noch eine Schwester hätten? Was wäre, wenn Sirius noch eine Cousine hätte? Cassiopeia Black, 17 Jahre, Gryffindor und Blutsverräterin, genau wie ihr Cousin. Sie sieht immer nur das Gute in den Mensche...