Weihnachten rückte immer näher. Man merkte es so ziemlich überall; es wurde früher dunkel, der Kamillentee den meine Mutter jeden Nachmittag kochte (in der Annahme es sei gut für ihren Teint) roch plötzlich nicht mehr ganz so schlimm und vermischt mit dem Zimtgeruch der Weihnachtsdekoration auf dem Tisch konnte man den Gestank aus der Kanne deutlich besser ertragen, man sah immer mehr Autos auf den Straßen, die rote Rudolphnasen und kleine Geweihe an den Türen hatten, die Kaufhäuser waren geschmückt und leuchteten mit dem großen Tannenbaum auf dem Marktplatz nur so um die Wette. Nur am Wetter merkte man es ganz und gar nicht. Es schüttete seit gefühlten drei Tagen ununterbrochen aus Eimern. Eigentlich mochte ich Regen. Aber nicht, wenn man sich die Schnürsenkel um die Knöchel binden muss, damit sie nicht ständig in einer Pfütze aufgeweicht werden und einem dann kalt, nass und dreckig, beim Gehen um die Füße wedeln und die Socken verschmutzen. Und auch nicht, wenn der ganze Regen eigentlich Schnee hätte sein müssen. Cato meinte gestern, dass wenn der ganze Regen Schnee gewesen wäre, dann wären wir jetzt alle zu Hause eingeschneit und hätten nicht in die Schule gehen müssen. Das verärgerte uns alle nur noch mehr und aus dem genervt-auf-das-Wetter-Zustand wurde ein Hass auf die Person, die da oben für unser Wetter verantwortlich war, wer auch immer das sein mag. Auch die Tatsache, dass unser eigentlich geplanter Ausflug auf die Eisbahn, wortwörtlich ins Wasser fiel, schmeckte uns allen gar nicht. Umso mieser war unser aller Laune, als wir am Morgen des Turnfestes am Eingang unserer Turnhalle standen und auf einen Lehrer warteten, der uns die Tür aufschließen würde. Es regnete immer noch Bindfäden und ich hatte mir die Kapuze tief ins Gesicht gezogen.
„Wenn das so weiter geht, dann schwänze ich morgen die Schule und mache irgendwas, was bei Regen angemessen ist, wie ins Kino gehen oder shoppen. Oder ich bleibe zu Hause, behalte den ganzen Tag mein Schlafanzug an und mach die Musik so laut, dass die Nachbarn denken das Haus fällt zusammen.", erklärte Marvel trotzig.
„Ich bin dabei.", sagte ich während wir zusammen hinauf in die Wolken starten und uns das Wasser das Gesicht runterlief und auf den Asphalt tropfte. Es hatte etwas Friedliches, wie wir dort standen. Bis Glimmer die Stimmung zerstörte, in dem sie rief: „Oh nein! Jetzt ist meine Wimperntusche verlaufen. Haha, von wegen Wasserfest. Zum Glück hab' ich an die Abschminktücher gedacht."
Gerade als ich los kichern wollte, weil Glimmer aussah wie ein verunglückter Panda, kam Mr Snow angelaufen, eine durchnächste Tüte vom Bäcker und einen Cafébecher in der Hand und Schloss uns die Tür zur Halle auf.
In der Mädchen Umkleide roch es wie immer nach Schweiß und Deo, doch diesmal konnten wir die Fenster nicht öffnen, weil wir sonst nasse Bänke gehabt hätten. So schnell wie möglich und ohne durch die Nase zu atmen zog ich mich um und ging mit Glimmer Richtung Halle. Auf halbem Wege wurden wir plötzlich von der Seite von zwei starken Händen in einen Nebenraum gezogen. Ich bekam fast einen Herzinfarkt. Es war stockduster in dem Raum, denn hinter uns wurde die Tür geschlossen.
„Wenn ihr jetzt in die Halle geht, dann müsst ihr mit aufbauen helfen.", flüsterte Catos Stimme.
„Ach, ihr seid das,", flüsterte ich zurück, „ich dachte wir werden jetzt gekidneppt und dann vergewaltigt."
Mein Puls beruhigte sich allmählig, doch als Cato einen Schritt näher an mich ran trat, schoss er direkt wieder auf 180. Ich war zwar schon einige Monate mit Cato zusammen, doch meine Atmung hatte ich in seiner Gegenwart immer noch nicht unter Kontrolle. Nach weiteren fünf Minuten, die wir in der Kammer verbrachten und vergeblich den Lichtschalten suchten, entschieden wir, dass wir jetzt in die Halle gehen könnten, denn wahrscheinlich mussten jetzt nur noch die Matten positioniert werden und das machte immer Spaß, weil man Anlauf nehmen konnte und dann auf der Matte über den ganzen Boden der Halle rutschen konnte.
Zwei Minuten später stellte ich fest, dass das absolut nicht mehr so war wie früher. Als ich das letzte Mal auf einer Matte durch die Gegend gerutscht bin, war ich in der vierten Klasse und mindestens drei Köpfe kleiner als jetzt. Mit einem leicht blutenden Knie und einem wie Hölle brennendem Ellbogen setzte ich mich an die Seite auf die Bank und beobachtete die anderen dabei wie sie vergeblich versuchten, den Vorschriften Mr Snows gerecht zu werden. Zusammen mit der Parallelklasse schoben sie so lange Matten und Geräte durch die Gegend bis es einigermaßen Mr Snows wirklich sehr schlecht gezeichnetem Plan entsprach. Danach mussten sich alle warm machen, und als ich Mr Snow sagen wollte, dass ich leider beim Mattenrutschen von der Matte gefallen bin und mein Knie jetzt blutete und ich deswegen leider nicht mit machen konnte, ignorierte er einfach meine Worte und pfiff wie wild mit seiner Trillerpfeife durch die Gegend.
„Muss ich den Krankenwagen rufen?", fragte er dann doch an mich gewandt.
„Äh nein, ich glaube so schlimm ist es dann do –"
„Na also, dann kannst du auch mit machen. Fünf Minuten einlaufen für alle."
Und weil seine Stimme kein Widerspruch duldete, gesellte ich mich zu den anderen und joggte im Kreis durch die Halle.
„Hey, hier hinten!", rief Finnick Gale zu, welcher sich umdrehte und prompt gegen den Schwebebalken lief.
Im Laufe des Tages gab es einige Versuche sich vor dem Turnfest zu drücken. Mindestens die Hälfte der Mädchen behauptete ihre Tage zu haben und nicht mit machen zu können. Doch Mr Snow (und das musste ich offen zu geben) hatte für jeden Fall eine gute Vorbereitung. An die Mädchen, die behaupteten ihre Tage zu haben, verteilte er gratis Tampons; was zu Folge hatte das dann einige Jungs mit Tampons, die sie sich in die Haare gehängt hatten, durch die Halle jagten und jede Menge davon durch die Gegend warfen. An den Jungen, der erzählte schlimmen Husten zu haben verfütterte Mr Snow so lange Hustensaft mit Mandarinen-Bananen Geschmack, bis dieser freiwillig mit machte. Und Glimmer, die einen hysterischen Anfall bekam als sie merkte das ihre Wimperntusche offenbar nicht wasserfest, aber dafür abschminktuchfest war, gab er eine Schlafmaske. Zwar musste sie nun die ganze Zeit von Marvel geführt werden, weil sie sonst überall gegen Laufen würde, aber zumindest sah so niemand ihre Pandaaugen. Die einzigen, die es erfolgreich schafften Mr Snow zu überlisten und sich vor dem Sport zu drücken, waren Finnick und Thresh, die sich kurzerhand hinter einer an die Wand gelehnten Matte versteckten.
Ich lag mit Glimmer zusammen auf dem Bauch auf dem Hallenboden, und füllte den Anmeldezettel aus.
Name?
Clove Kentwell
Mädchen oder Junge?
Mädchen
Erfahren oder Anfänger?
Anfänger
Majo oder Ketchup?
Warte, was?
„Wer zur Hölle hat diesen Anmeldebogen erstellt?", fragte ich Glim. Doch diese zuckte nur mit den Schultern und malte einige Herzen und Kringel um ihren Namen auf dem Blatt. Kurzerhand schrieb ich Ketchup. Auf jeden Fall Ketchup auf mein Blatt.
Ich war gerade bei meinem zweiten Gerät (man musste insgesamt vier absolvieren) als das Turnfest abgebrochen wurde, weil Jorden aus der Parallelklasse auf einem Tampon ausrutschte und sich den Kopf am Balken blutig schlug. Ein Krankenwagen kam um Jorden ins Krankenhaus bringen, wo die Platzwunde mit vier Stichen genäht wurde. Mr Snow musste als Beaufsichtigung mitfahren. Bevor der Krankenwagen mit Blaulicht los fuhr konnten wir noch hören, wie Mir Snow zu dem Arzt sagte: „Können wir da vorne am Imbiss noch mal Halt machen? Bei der Aufregung krieg ich immer Hunger." Leider konnten wir nicht mehr verstehen was der Arzt antwortete.
Besonders schlimm fanden wir nicht, dass das Turnfest nun vorbei war. Wir zogen uns alle um und kauften beim Imbiss, um die Ecke was zu essen, weil Aufregung so hungrig machte.
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Die Tribute an Weihnachten
Fanfiction...Ja, was soll da schon passieren? Die Tribute feiern Weihnachten, doch so beschaulich und heilig wie geplant wird der Dezember dann doch nicht. Glimmer wird zur selbsterklärten Meisterbäckerin, Cashmere hegt weiterhin ihre Aggressionen gegen Clove...