•12•

336 23 4
                                    

Heute fuhr ich nicht mit dem Bus, da es über Nacht endlich geschneit hatte und alle Häuser und der Boden mit einer feinen weißen Schneeschicht überdeckt waren. In meinen Anorak gewickelt und mit einer dicken Wollmütze auf dem Kopf verließ ich das Haus und machte mich auf den Weg zur Schule. Auf dem Weg fuhr allerdings der Bus an mir vorbei und ich bereute es schon wieder gelaufen zu sein, weil meine Hände sich anfühlten wie Eiszapfen und ich Erfrierungen im Gesicht und an den Füßen vorzuweisen hatte. IN der Schule angekommen wurde es auch nicht besser. Von dem plötzlichen Umschwung von Kälte zu Wärme begannen meine Wangen unangenehm zu prickeln und ich wusste, dass ich nun zwei kreisrunde rote Flecken im Gesicht hatte. Glimmer war auch gleich dabei mich auszufragen, wo ich denn meinen Rouge kaufen würde, und was das für ein Farbton war.
„Erfrierung zweiten Grades", sagte ich mit einem Seufzten. Ich hatte Cato entdeckt, er stand mit Cashmere neben dem Klassenraum und schien sich angeregt mit ihr zu unterhalten, während sie ihm irgendwas auf ihrem Handy zeigte. Wenigstens guckte er dabei grimmig.
„Echt? Von der Farbe hab ich noch nichts gehört, aber ich würde sagen zwei Nuancen heller als sweet Cherry.", plapperte Glimmer weiter.
„Oder? Hallo? Erde an Clovie!"
„Ich – was? Ja genau irgendwas mit Cherry."
Glimmer folgte meinem Blick und ein gefährliches Funkeln trat in ihre Augen.
„Jetzt hat es sich aus gecashmerert.", sagte sie und strich sich kämpferisch eine blonde Strähne hinter das Ohr. Sie lief zu Cato und Cashmere und hakte ich bei ihm unter.
„Guten morgen Cato.", flötete sie. „Schau mal, da hinten steht Clove, willst du ihr nicht hallo sagen?"
Peinlich berührt schaute ich auf den Boden. Oh Gott, ging es noch auffälliger?
„Nein eigentlich möchte ich ihr nicht hallo sagen.", hörte ich Catos Stimme und mein Kopf fuhr nach oben. Wie bitte? „Aber Glim, vielleicht kannst du mir erklären was das hier sein soll." Er hielt ihr sein Handy unter die Nase und Glimmer wurde ganz bleich. „Das..ähh..kann sie dir am besten selbst erklären." Sie schob Cato in meine Richtung und nach kurzem Zögern kam er auf mich zu und hielt mir sein Handy entgegen. „Was ist das?", fragte er und der Unterton der in seiner Stimme mitschwang, bereitete mir eine Gänsehaut. Ich musste zweimal Blinzeln bevor ich erkannte, was er mir zeigen wollte. Es war ein Foto, dass im Kaufhaus aufgenommen werden musste, ich erkannte die Läden im Hintergrund. Auf dem Foto waren ich und Luke zusehen, ich hatte seine gelbe Jacke an und er hatte in Arm um mich gelegt. Zusammen aßen wir Bio-Dinkel-Doppelkekse und lachten.
„Das..ähh..das ist ein Foto.", sagte ich und wusste genau, dass das eine beschissene Antwort war.
„Das sehe ich.", antwortete Cato kühl. Ich wusste genau wie das für ihn aussehen musste.
„Ich weiß, das mag für dich vielleicht komisch aussehen, aber da war wirklich nichts."
„Achja? Das sieht für mich aber anders aus. Ihr beide ihr seht so vertraut aus."
Ich schluckte. Ok, ich musste mich für nichts rechtfertigen, denn ich hatte nichts getan.
„Schön,", sagte ich etwas fester „das ist Luke, du kennst ihn von gestern. Er ist einfach ein guter Freund und er hat mich nach unserem Streit getröstet."
„Warum trägst du seine Jacke?", wollte Cato wissen.
„Weil ich...", begann ich, doch dann kam mir etwas in den Sinn. „Woher hast du denn das Foto?"
Nun schien er nicht länger verärgert, sondern ein bisschen schuldbewusst.
„Von Cashmere. Sie hat euch gestern gesehen."
Meine anfängliche Verlegenheit verwandelte sich in Wut.
„Cashmere? Sag mal, du weißt schon das ich sie dafür anzeigen könnte?"
„Ja aber, es war doch gut gemeint. Sie wollte mir einen Gefallen tun."
„Einen Gefallen?" Jetzt brodelte die Wut in mir. „Diese dumme Schnepfe hat uns hinterherspioniert und uns beobachtet. Sie will uns doch nur auseinander bringen, damit sie sich dann ungestraft an dich ranschmeißen kann."
„Was? Nein, sie will mir doch nur helfen!" Ich hörte wohl nicht richtig. Helfen? Cashmere? Niemals.
„Verdammt, nimm deine rosarote Cashmere-Brille ab und versteh doch mal was sie eigentlich will."
„Genau und nimm du deine Luke-Brille ab. Der Junge schmeißt sich doch in einer Tour an dich ran!"
Mittlerweile hatten wir zu schreien begonnen und die Umstehenden guckten uns verwirrt an.
„An mich ranschmeißen? Was? Nein! Er ist einfach nur nett, aber davon scheinst du ja nichts zu verstehen."
„Ach, jetzt bin ich schuld? Sag mal, spinnst du eigentlich?"
Das war der Punkt, an dem meine Stimme versagte und meine Knie drohten einzuknicken.
„Gut, wenn es das ist, was du willst. Dann geh doch zu Cashmere, aber ich bin für dich gestorben." Eigentlich hatte ich es schreien wollen, aber es kam nur als Flüstern heraus.
Der Rest des Tages lief an mir vorbei wie ein Film. Ich hatte das Gefühl, ich war nicht ich selbst. Ich fühlte nichts mehr, nicht das allerkleinste bisschen. Selbst Cashmeres vernichtende Blicke setzten mir nichts zu, und das will schon was heißen.

Die Tribute an WeihnachtenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt