Kapitel 2

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Langsam dreht sich das Mädchen um und dann zeigt sich ein überraschter Ausdruck auf ihrem Gesicht. Ich kann nicht anders und mustere sie stumm. Ihre kurzen schwarzen Haare hat sie teilweise hinter ihr Ohr geschoben und ihre grauen Augen blicken mich forschend an. Ich bilde mir ein, dass ich sogar eine Spur Parfüm riechen kann und ein wohliges Gefühl bereitet sich in mir aus.

,,Was möchtest du, Gwenny?"

,,Ich..."

Schon hat mich meine Nervosität wieder ergriffen und ich schaue verlegen zurück zu Fion. Er streckt beide Daumen in die Höhe und ich sehe, dass einige Mitschüler versuchen ganz unauffällig ebenfalls Zeugen meiner Tat zu werden. Sie starren regelrecht herüber. Ich kann das nicht wenn so viele gucken. Es wäre zwar nicht mein erster Kuss, aber ich bin so unbeschreiblich aufgeregt. Zittrig hole ich Luft und schaue wieder Helen an.

,,Ich mache das weil ich muss, ok? Ich möchte nicht, dass es zu irgendeinem Missverständnis deshalb kommt."

,,Was für Mist redest du denn? Was ist hier los?"

Immer verzweifelter fahre ich mir mit einer Hand durch meine dunkelblonden Locken und seufze. Hat sie eigentlich gerade einen Freund, der das sehen könnte und mich danach abschlachtet? Ich glaube nicht, Victor habe ich lange nicht mehr an ihrer Seite gesehen. Helen hat keine feste Gruppe, sondern ist mal hier und mal da. Jeder kommt mit ihr gut klar, aber zwischen ihr und Victor war immer schon mehr. Was ist, wenn er auch in sie verliebt ist und er das hier sieht und ausrastet? Was mache ich denn dann? Und überhaupt kann ich doch gar nicht gut küssen. Ich möchte es aber so gerne können, dann könnte ich Helen beeindrucken und sie würde nur noch an mich denken können. Kann ich das noch irgendwo schnell lernen? Was habe ich vorhin gegessen? Habe ich wohl Mundgeruch? Es gibt nichts ekeligeres als das...

,,Gwenny, du siehst aus, als hättest du gleich eine Panikattacke. Geht es dir gut?"

,,Was?"

,,Du siehst total fertig aus. Kann ich irgendetwas machen, damit du dich besser fühlst?"

Sie sieht fast besorgt aus. Mein Herz pocht noch schneller. Sie macht sich Sorgen um mich!

,,Ich will wirklich nicht, dass du das falsch verstehst, ok? Verspreche mir das bitte."

,,Ich verstehe noch immer nichts, aber gut... Ich verspreche, dass ich das Folgende nicht falsch verstehen werde."

,,Danke."

Ich hauche ihr dieses Wort nur entgegen. Meine Stimme ist komplett weg und ich fühle mich erschöpft. Meine Nerven sind zum Zerreißen gespannt. Oh Fion, irgendwie werde ich es dir heimzahlen, dass ich mich ihr gegenüber dank dir so blamieren werde.

,,Was..."

Weiter kommt Helen nicht, denn ich greife den Kragen ihrer Bluse und ziehe sie daran neben den Kaffeeautomaten. Es müssen ja nicht alle sehen. Sie verstummt und blickt mich an. Ich drücke sie leicht gegen die Wand und dann beuge ich mich langsam vor. Mein Herz pocht mit jedem Millimeter, den ich mich ihr weiter nähere, immer schneller. Als ich gerade denke, dass ich das nicht schaffe, spüre ich ihre Lippen federleicht an meinen. Ein wohliger Schauer durchläuft meinen Körper, als ich mich noch ein ganz kleines bisschen weiter vorlehne und diese Berührung zu einem Kuss werden lasse. Helens Lippen sind weich, samtweich, und sie passen perfekt zu meinen. Kurz koste ich diesen Moment aus, auch wenn Helen sich nicht bewegt und ich mir albern vorkomme. Plötzlich spüre ich eine minimale Bewegung von ihrer Seite aus. Helen versucht nicht mich wegzudrücken, stattdessen bewegen sich ihre Lippen leicht. Ich fühle mich ganz kurz als wäre ich im Himmel, bevor meine gehirnamputierten Mitschüler beginnen zu klatschen und zu pfeifen, wodurch sie diesen magischen Moment komplett zerstören. Ich löse mich von dem Mädchen, lächel leicht und will elegant weg gehen, allerdings renne ich eher davon. Weg von Helen und den Anderen, damit ich meine Ruhe habe.

HelenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt