Kapitel 11

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,,Können wir mal miteinander reden?"

Helen dreht sich mit einem Pinsel mit dick gelber Farbe zu mir um. Sogar in dem hässlichen Malerkittel, auch ausgemustertes Hemd mit interessantem Blümchenmuster, sieht sie unfassbar gut aus. Ich glukse leise, als ich in ihr Gesicht blicke.

,,Du hast Farbe auf der Nase."

Helen verdreht ihre Augen. Sichtlich genervt rupft sie ein Taschentuch aus ihrer Hemdtasche und wischt sich mit einer energischen Bewegung die grüne Farbe weg. Ist sie schlecht gelaunt? Störe ich sie? Sichtlich verunsichert fahre ich mir durch die Haare, bevor ich meine Hände miteinander verhake. Das war eindeutig eine dumme Idee, aber ich möchte ihr eben sagen, dass ich nicht sauer wegen Fion bin und das Problem mit dem Video beseitigt habe. Weiß sie das schon?

,,Was gibt es, Gwenny? Ich würde wirklich gerne jetzt weiter machen und nicht länger von dir so angestarrt werden."

,,Ich... entschuldige, dass ich so starre. Deine Nase sieht nur immer noch ziemlich lustig aus."

,,Bist du nur her gekommen, um mir das mitzuteilen?"

,,Ich..."

,,Gut, dann Dankeschön und du kannst wieder gehen, die Farbe wurde gerade erfolgreich beseitigt."

Was mache ich hier? Wieso bekomme ich ihr gegenüber nie schlaue Aussagen hin? Normalerweise kann ich mich so gut ausdrücken und in ihrer Nähe bekomme ich gerade so mal maximal einen Satz raus. Das ist wirklich erbärmlich. Wie soll sie mich dann mögen, wenn ich immer nur Quatsch rede?

,,Ich wollte dir eigentlich sagen, dass ich das mit dem Video geklärt habe. Du wirst deshalb keinen Ärger mehr bekommen. Ich war mir nicht sicher, ob du das schon gehört hast oder Nicht, daher wollte ich es dir sagen. Tut mir leid, wenn dir das Probleme bereitet hat."

,,Ja, ich habe von deiner Lüge schon gehört. Dabei lügt man doch nicht, das musst du wissen, Gwenny. Was war wirklich los?"

Helen steht auf und nun starrt sie mir in meine Augen. Nervös schaue ich mich im Raum um, doch keiner der Mitschüler blickt in unsere Richtung. Ich bin so dankbar, dass Helen in der hintersten Ecke sitzt, daher müssten sich alle  extrem auffällig umdrehen und hören können sie uns auch kaum. Dieser Platz ist perfekt für so ein Gespräch. Seufzend schaue ich ihr wieder in die Augen. Aus der Nähe erscheinen sie noch stechender. Das helle Grau steht in starkem Kontrast zu den getuschten schwarzen Wimpern.

,,Fion wollte, dass ich endlich mal wieder jemanden küsse und hat dafür dich ausgesucht. Durch seine so leise und zurückhaltende Art haben das alle mitbekommen, deshalb haben die auch geklatscht. Es war dumm und ich hätte das nicht machen sollen, ich weiß, es tut mir leid."

Ich kratze mich am Hinterkopf und wende meinen Blick von Helen ab. Ich habe das Gefühl ihrem Blick nicht weiter standhalten zu können. Er durchbohrt mich regelrecht und durch ihn wird mir klar wie dämlich diese Aktion eigentlich war. Ich habe mich schon allein dadurch als nicht willensstark und eingeschüchtert präsentiert. Ist doch super, wenn sie genau das über mich denkt, schließlich wird sie mit sojemandem ganz sicher nicht zusammen kommen wollen.

,,Ich störe dann mal nicht weiter."

Helen nickt erst, dann hält sie mich aber auf.

,,Und das stimmt wirklich?"

,,Ja, das ist die traurige Wahrheit."

Ich zucke mit den Schultern und lasse Helen dann an ihrem Platz zurück, während ich wieder auf meinen Platz gehe. Unterwegs hole ich Wasser und neue Farbe, damit meine Sitznachbarn keinen Verdacht schöpfen.

,,Da bin ich wieder! Hat etwas länger gebraucht, die Farbe musste erst aus dem Lager geholt werden."

Nach einem letzten Blick über die Schulter in Helens Richtung, setze ich mich wieder hin. Das Mädchen stand noch immer vor ihrer Leinwand und schaut aus dem Fenster.

HelenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt